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Zörbiger Bote – Mitteilungsblatt der Stadt Zörbig mit den Ortsteilen
Ausgabe 10/2024
Heimatgeschichte und Kultur
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„Kultur gibt es nicht nur in Berlin“

Großartige Vernissage des Wehlauer Künstlers Matthias Wimmer | 04.08.2024

Eine Vernissage – die feierliche Eröffnung der Kunstausstellung eines zeitgenössischen, also lebenden Künstlers – im Schloss? Gab es so etwas früher schon einmal? Ich selber konnte mich nicht daran erinnern (weil ich fast die Hälfte meines Lebens auch gar nicht in Zörbig wohnte) und so fragte ich bei der „alten Schlossherrin“ Brigitta (Weber) nach: „Ja, Vernissagen haben wir meist gemacht, die erste in den 1970er Jahren zur Ausstellung von Walter Dötsch [1909-1987, deutscher Maler in der DDR, der zu den Vertretern des „Bitterfelder Weges“ sowie zu den Wegbereitern des sozialistischen Realismus gehörte, Anm.d.Red.]... Wir hatten Vernissagen mit dem Maler Kaufhold/Halle, einem Maler aus Landsberg und einem aus Sandersdorf (Namen sind bei mir jetzt weg) und natürlich jeweils mit dem Malverein „Neue Schenke“ Wolfen e.V., der neulich sein 75-jähriges Bestehen beging... Seit den 1990er Jahren fast bei allen Gastausstellungen, auch mit Sekt und teilweise "Häppchen". Wir haben dazu selbst gestaltete Einladungen verschickt. Beispiele müssten oder könnten noch in den Unterlagen des Museums vorhanden sein. Finanziert das Ganze meist über Spenden und wir passten auf, wenn der Sekt mal preiswert war.“

Diesen besonderen Kunstgenuss einer Vernissage ließen sich am ersten Sonntag im August sowohl Einheimische als auch Gäste jeglichen Alters aus der nahen Region nicht entgehen. Um die 140 Leute waren da – einfach überwältigend anzusehen und ein Zeichen für das nach wie vor immense kulturelle Interesse in unserer Region.

Museumsleiter Tom Weiß begrüßte die anwesenden Gäste auf seine charmant unaufdringliche Art und Weise, erläuterte die Beweggründe zur Vernissage und stellte kurz den in Löberitz aufgewachsenen und seit 2005 in Wehlau (Südliches Anhalt) lebenden Künstler Matthias Wimmer vor, bevor er an diesen das Wort übergab. Matthias ließ es sich nicht nehmen, in seinem witzigen, wortgewandten Sprachgebrauch nicht nur aus seinem Künstlerleben zu erzählen. Besonderer Fokus lag für Matthias vielmehr auf der Bedeutung von Kultur. Denn „Kultur gibt es nicht nur in Berlin“.

Auszug aus seiner Rede: Das erstaunliche an Kultur ist, obwohl wir sie nicht zum Überleben brauchen, ist sie ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Und genau das unterscheidet uns am Ende von allen anderen Spezies auf der Erde... Kunst und Kultur sind deutlich mehr als Claudia Roth oder irgendeine abgezwickte Theaterveranstaltung in Berlin. Kultur ist keine Nebensache, sondern sie ist unsere gemeinsame Basis und unsere gemeinsame Sprache“.

Dem plötzlich einsetzendem Starkregen, währenddessen Matthias sprach, wurde anfangs noch getrotzt. Aber der Regen übernahm dann doch die Oberhand, sodass alle zum Victor-Blüthgen-Saal strebten. Hier konnten die so wirkungsvoll an der Wand platzierten insgesamt 19 Werke + 1 (welches für die Versteigerung einen gesonderten Platz auf seiner Staffelei fand) betrachtet werden. Bevorzugte Maltechnik ist Öl auf Malkarton. Matthias zeigte eine äußerst farbenfrohe, facettenreiche, kreative Vielfalt an Motiven wie unter anderem Landschaftsszenen aus der Region und Stillleben, aber auch ein Vogelportrait, welche dem Publikum augenscheinlich sehr gefielen. Anerkennung, Respekt und großer Zuspruch für seine Werke waren dankbarer Ausdruck.

Kaufen kann man seine Werke nicht. Dafür sind sie ihm auch zu sehr ans Herz gewachsen, denn jedes hat seine ganz eigene Entstehungsgeschichte. Matthias hatte sich aber dazu entschlossen, eines seiner Werke, welches eine Rehkitzrettung zeigt, für einen guten Zweck zu versteigern. Stattliche 500,00 Euro kamen am Ende zusammen. Der Erlös kommt dem Tierschutzverein Zörbig e.V. zugute. Damit möchte Matthias das Engagement und die Arbeit der ehrenamtlichen Retter unterstützen.

Zusätzlich zur Versteigerung wurde noch eine Spendenbox aufgestellt. Weitere 160,00 Euro für den Tierschutzverein Zörbig e.V. – großes Dankeschön an dieser Stelle!

Einer Vernissage würdig gab es einen Stehempfang mit sowohl Soft- als auch alkoholischen Getränken. Eigentlich geplant auf dem Schlossinnenhof, aber aufgrund des kurzen, heftigen Regenschauers während der Rede wurde es kurzerhand nach innen verlegt. Kulinarische Häppchen verwöhnten den Gaumen; Matthias’ Werke vor allem ein Augenschmaus. Für seine Familie und Freunde war es eine Selbstverständlichkeit, Matthias bei seiner ersten Vernissage zu unterstützen. Nach der Eröffnung blieben viele noch zu anregenden Gesprächen im Schloss und auf dem Schlosshof beisammen. Ganz nach Matthias Wunsch: Es geht hier in erster Linie darum, am Sonntagnachmittag mal ein paar schöne Dinge außerhalb des Notwendigen zu tun. Mal schick anziehen, ein kleiner Spaziergang hierher zum Schloss, ein Gläschen Sekt und ein paar Schnittchen genießen, Gespräche mit Freunden und Bekannten, und natürlich mehr oder weniger ernst gemeinte Diskussionen darüber, was sich der Künstler denn bloß dabei gedacht hat.“

Anzusehen waren die Werke von Matthias noch in den darauffolgenden zwei Wochen.

Kein Angeberwissen: Der „Bitterfelder Weg“ rief die Arbeiter der DDR zu künstlerischem Schaffen auf („Greif zur Feder, Kumpel!“). Der oben erwähnte Walter Dötsch leitete bis zu seinem Tod 1987 in Bitterfeld zwei Malzirkel – unter anderem den Malzirkel des VEB Filmfabrik Wolfen, der 1949 gegründet wurde und bis heute exisitiert (Malverein „Neue Schenke“ Wolfen e.V.).

Claudia Egert
unter dankbarer Mitwirkung von Brigitta Weber, MuR a.D., Tom Weiß, Museumsleiter KulturQuadrat Schloss Zörbig und Kerstin Nöhring (Fotocollage)
Quelle: wikipedia.org
Fotoquellen: Dirk Nogossek, Kerstin Nöhring, Claudia Egert
Fotocollage: Kerstin Nöhring