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Zörbiger Bote – Mitteilungsblatt der Stadt Zörbig mit den Ortsteilen
Ausgabe 6/2023
Heimatgeschichte und Kultur
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Geschichtliches aus Stumsdorf und Umgebung (17)

Der Menhir zu Rieda Teil 1

Im Jahre 2015 begann der Wiederaufbau der Kirche in Rieda. Eine anfängliche Skepsis meinerseits, ob solch ein Vorhaben wohl zum Erfolg führen könnte, wurde bereits kurze Zeit später wiederlegt. Der anfängliche Schwung und die Begeisterung vieler, die sich beim Wiederaufbau der Kirche beteiligten, nahm nicht ab, im Gegenteil, nicht nur erfahrene Handwerker und leidenschaftliche Laien aus Rieda und der Umgebung, boten ihre Hilfe an, sondern auch außerhalb Deutschlands gab es reges Interesse, so auch über die Internetseite „Work and Travel“ (Arbeiten und Reisen). Unter vielen anderen kam auch ein indischer Filmemacher.

Im Jahre 2020 waren alle Voraussetzungen für den Einbau einer Fußbodenheizung gegeben und die Arbeiten konnten beginnen. Als erstes mussten teilweise fast fünfzig cm alter Fußboden und alte Belüftungssysteme entfernt werden. Bei diesen Schachtarbeiten kam auch das alte, ursprüngliche Fußbodenniveau aus der Romanik, also aus der Erbauungszeit teilweise wieder zu Vorschein. An einer im ersten Moment unbedeutenden Stelle war ein großer langer Stein verarbeitet. Einige kräftige Männer wollten ihn mit großen Brechstangen lockern und dann herausrollen. Dieser Versuch scheiterte kläglich. Dadurch bot sich mir die Gelegenheit, den Untergrund um diesen Stein mal etwas näher zu untersuchen. Dabei stellte ich fest, dass dieser Stein förmlich „aufgebahrt“ war. Ganz unten befand sich eine etwa 20 cm starke Schicht aus Kies und Porphyr Split, dann folgte eine ca. 5 cm starke Tonschicht. Darauf lagen 3 bis 5 cm starke, unregelmäßige aber gerade Platten aus Porphyr. Auf denen wurde wahrscheinlich zum Ausgleich wieder eine etwa 5 cm starke Tonschicht aufgebracht. In diese, wahrscheinlich feuchte Masse wurde dann der Stein mit der ebensten Seite nach oben und völlig waagerecht eingebettet. Warum solch ein Aufwand für einen Stein?? Auf Bild 1 sehen wir den Zustand beim Auffinden. Als ich mir die Stelle, an der er in der Kirche lag, von außen betrachtete, begann es langsam zu dämmern. Auf Bild 2 erkennen wir eindeutig, dass die eingesetzten Steine unter der Fensterbank keinen Verbund zum Mauerwerk links und rechts haben. Das deutet eindeutig darauf hin, dass es hier früher einmal einen Eingang bzw. eine Tür gegeben hat. Der Stein befand sich also damals auch in einem Eingangsbereich. Der ursprüngliche Haupteingang zur Kirche in romanischer Zeit befand sich genau gegenüber in der Nordseite des Kirchenschiffes. Daraufhin habe ich drei unabhängig voneinander arbeitende Experten gebeten, mir einmal Ihre Meinung dazu mitzuteilen. Gesagt haben alle drei erst einmal fast gar nichts. Einig waren sich aber alle drei (die zu unterschiedlichen Zeiten in Rieda waren), dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Menhir handeln könnte.

Was bedeutet denn das Wort Menhir eigentlich? In der Prähistorischen Archäologie bezeichnet das Wort einen länglichen Einzelstein (bretonisch maen „Stein“ und hir „lang“, also Langer Stein.

Wenn es Interessierte zu diesem Thema in Rieda und Umgebung geben sollte, bzw. sich jemand einmal einen noch original aufgerichteten Menhir auf einem über 5000 Jahre alten Grab ansehen möchte, dem empfehle ich, den Grabhügel auf dem Steinberg in Brachstedt Ortsteil Hohen einmal zu besichtigen. Nur dem Umstand, dass dieses Gebiet der Nationalen Volksarmee der DDR zu Übungszwecken diente, ist es zu verdanken, dass dieser Grabhügel nicht eingeebnet wurde, um die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen. Danke NVA.

Ungefähr ein Jahr nachdem Fund in der Riedaer Kirche bekam ich eine Einladung zu einer Gesprächsrunde, die wohl zum Thema vorgeschichtliche Funde im Mitteldeutschen Raum geführt werden sollte. Der Brief hatte keinen Absender und das Forum sollte in Merseburg stattfinden. Ich fuhr also zu der angegebenen Adresse und wurde auch empfangen. Ungefähr zehn Herren und drei Frauen waren anwesend, von denen ich niemand kannte. Bis auf einen. Es war einer der drei Herren, die ich nach Rieda zur Begutachtung des gefundenen Steines gebeten hatte. Er beteuerte mir aber, dass er mich nicht eingeladen hatte, und hier ebenfalls niemanden kenne. Das Wort Rieda ist zu diesem Treffen nicht gefallen. Warum ich dann das Treffen überhaupt erwähne? Dieses Treffen hat enorm dazu beigetragen, viele meiner Einstellungen zu vorgeschichtlichen Ereignissen und das Wissen darüber neu zu ordnen und zu überdenken.

Bis 1999 hatten solche Funde wie der in der Riedaer Kirche keinen allzu hohen Stellenwert. Man registrierte und katalogisierte sie und legte sie dann zu den Akten.

Das änderte sich schlagartig nach dem Fund der Himmelsscheibe von Nebra. Wir erinnern uns, Die Himmelsscheibe von Nebra zeigt uns die weltweit älteste bisher bekannte konkrete Darstellung des Kosmos, was sie zu einem einzigartigen Zeugnis der Menschheitsgeschichte macht. Die Himmelsscheibe gibt uns einen Einblick in das Wissen unserer Vorfahren über den Weltenlauf und seine religiöse Deutung vor 3600 Jahren. 2013 wurde die Himmelsscheibe durch die UNESCO in das Register des Weltdokumentenerbes aufgenommen. Damit verbunden waren zahlreiche finanzielle Quellen, die nun alle zu fließen begannen. Damit wurden auch die Forschungen im Umfeld in Angriff genommen, die auch für unsere Region um Rieda von großer Bedeutung sind. Als ich in Merseburg bei diesem Treffen anwesend war, erfuhr ich unter vielen hochinteressanten neuen Erkenntnissen auch die aktuellen Ergebnisse über die geochemische Zusammensetzung des Himmelsscheibengoldes (einige Einlagen auf der Himmelsscheibe bestehen aus Gold). Es stammt nicht, wie bisher angenommen aus dem Gebiet Rumäniens, sondern aus dem Fluss Carnon in Cornwall in England. Mit welchen hochseetauglichen Schiffen kam denn das Gold hier in unsere Heimat? Wir werfen heute einen Blick auf eine Landkarte und sehen, wo Deutschland endet, und England anfängt. Aber vor fast 4000 Jahren hatte man keine Landkarten, in welche Richtung musste man damals mit welchen hochseetauglichen Schiffen in See stechen, um ein Land zu erreichen? Gab es schon Navigation? Hatte man Land erreicht, wie verständigte man sich? Unzählige Fragen ergeben sich. Es ist auch ein Beweis dafür, dass die bronzezeitlichen Kulturen in England, Mitteldeutschland und Europa viel engere Beziehungen hatten, als bislang angenommen wurde. Von wegen graue und dunkle Vorzeit.

Einige Forschungsobjekte begannen unteranderem damit, alle steinernen Zeugen und Landmarken (Hügel, Berge) eines bestimmten Gebietes zu erfassen und zu erforschen. Dabei kam es nach und nach zu hochinteressanten Ergebnissen hier in unserem Heimatgebiet.

Zuvor möchte ich aber noch einmal ein paar tausend Jahre zurückgehen, um kurz zu erläutern, wo die Menschen die hier lebten, die ja unsere direkten Vorfahren sind, eigentlich herkamen. Mit dem Ende der kleinen Eiszeit (vor ca. 13000 Jahren) schmolz plötzlich die große Eiskappe des Nordpols. Der nördliche Eismantel hatte damals eine Ausdehnung in Mitteleuropa von der dänischen Nordsee bis in den Berliner Raum und nach Polen. Infolge der Eisschmelze stieg der Meeresspiegel um über 100 Meter. Durch die Erwärmung der Umwelt wurde das große Gebiet östlich der Elbe zur Grassteppe. Das Ren, Pferd und andere Großtiere fanden ideale Lebensbedingungen. So kamen Großfamilien der Jäger und Sammler aus dem Westen Europas, die, wie Funde von Zelten aus Wildpferddecken beweisen, schon viele Tausend Jahre vorher in Frankreich und am Rhein Wildpferde erlegten, nun in unser, vom Eis befreite Gebiet. Der geografische Raum bei Halle mit seinen salzhaltigen Graslandschaften boten ideale Voraussetzungen und gute Lebensbedingungen für Wildpferde. In der Galgenbergschlucht in Halle und im ausgedehnten Überflutungsgebiet der Saale, mit seinen Salzquellen wurden große Mengen von Wildpferdknochen in Verbindung mit Feuersteingerät vom Ender der Altsteinzeit bzw. der Mittelsteinzeit gefunden.

Wildpferde sind umherziehende Weidetiere mit ausgedehnten Wanderungen. Ihnen ständig zu folgen, wird nicht möglich gewesen sein. Die Jäger werden wohl auf die umherziehenden Herden gewartet haben.

Die Porphyr Kuppen in der Tiefebene östlich von Halle boten sich als Beobachtungspunkte für die Jagd auf Wildpferde an. Die an die kurzfristigen Klimaveränderungen, im Rhythmus von etwa drei Monden gewöhnten Menschen aus Südwesteuropas (Frankreich) brachten Ihr Weltordnungsbild, im Denken der Trinität, im Denken des Dreiecks als Lebensspendender Raum, wie die Ritzzeichnungen der Höhlen aus dem Pariser Becken zeigen, auch an die Saale mit. Viele Funde belegen diese Tatsachen. Aber auch bereits früher gemachte Funde zu diesem Thema konnten mittels modernster Untersuchungstechniken nun neu bewertet werden.

Der heutige Kapellenberg in Landsberg ist einer der Berge (Hügel), welcher sehr weit östlich in der Tiefebene steht und aus der Landschaft emporragt. Dieser eignete sich besonders als Beobachtungspunkt. So ist es nachvollziehbar, dass Jäger, die tagelang auf die Tierherden warteten, auch den Sonnenuntergang beobachteten. Es kann ihnen bei ihrem Warten nicht entgangen sein, dass hinter dem höchsten Berg der Gegend, dem Petersberg, früher Lauterberg genannt, Anfang Mai die Sonne untergeht. Es ist die Zeit, wo in der Ebene die Pflanzen reichlich gedeihen. Wildpferde erwarten Anfang Mai bis Juni ihren Nachwuchs. Dieser Zusammenhang, Sonnenuntergang hinter einer Landmarke und große Tierherden, wird sich dem erfahrenen Jäger eingeprägt haben. Die Jäger werden diese Beobachtungen weitererzählt haben und so kann es wohl gewesen sein, dass Personen, die sich mit dem damaligen Weltordnungssystem auskannten, sich für diese Beobachtungen interessiertem. Das waren die Anfänge der Entdeckung des Sonnenzyklus anhand von Landmarken in der Landschaft Halle, Landsberg Petersberg, Rieda, Ostrau usw.

Dieses Wissen wurde über mehrere Tausend Jahre ständig weiter vervollkommnet. Im zweiten Teil dieses Beitrages wird es aber wieder regionaler. Was hat Rieda mit einer Jahrtausend alten Salzstraße zu tun? Was hat der Riedaer Menhir mit dem Kalender zu tun? Wie kam das Kreuz bereits mehrere Tausend Jahre vor dem Christentum nach Rieda? Sie merken schon, es bleibt spannend.

Bleiben Sie dran

Clemens Hardelt.