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Zörbiger Bote – Mitteilungsblatt der Stadt Zörbig mit den Ortsteilen
Ausgabe 9/2024
Heimatgeschichte und Kultur
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Der Mann vor der Staffelei

Im Gespräch mit Matthias Wimmer

Ein sehr genau beobachtender, gefühlt alles um sich herum aufsaugender, wortgewandter Mann – so habe ich Matthias vor circa zwei Jahren kennengelernt. Schnell war klar, dass hier ein Mann mit vielen Interessen vor mir steht. Dass er malt – und das wirklich gut – kam anfangs eher nebenbei zur Sprache. So richtig aufmerksam darauf wurde ich erst einige Zeit später durch eine Bekannte, die ein Werk von Matthias geschenkt bekam. In mehreren begeisterten Köpfen reifte die Idee zu einer Vernissage im Schloss in Zörbig. Denn wo sonst, wenn nicht in diesem altehrwürdigen, imposanten und einzigartigen Gemäuer wäre der ideale Ort dafür – Landschloss trifft auf (Landschafts-)Kunst. Wenn Sie, liebe Leserschaft, dieses Interview lesen, wird die Vernissage am 04.08.2024 mit dem Titel „Kultur gibt es nicht nur in Berlin“ bereits vorbei sein. Leider war der Termin erst sehr kurzfristig vor Redaktionsschluss der Juliausgabe des Zörbiger Boten vereinbart worden.

Zunächst vielen lieben Dank Matthias, dass du dir die Zeit nimmst, um die Fragen zu beantworten.

Einige deiner Werke erinnern an Landschaftsmaler wie die Franzosen Claude Monet, Auguste Renoir oder Paul Cézanne, um nur einige zu nennen. Deren Stilrichtung ist dem Impressionismus zuzuordnen, welcher durch die stimmungsvolle Darstellung von flüchtigen Momentaufnahmen einer Szenarie gekennzeichnet ist. Würdest du dich dort auch einordnen?

Ich habe mich bei meinen Bildern nie an einer bestimmten Stilrichtung orientiert. Ich muss zum Glück kein Geld mit dem Malen verdienen und kann mir so die Freiheit nehmen, alles auszuprobieren, wonach mir gerade der Sinn steht. Gemeinsam mit diesen großen Namen habe ich vermutlich nur die Liebe zum Motiv. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Monet, Renoir oder Cézanne mehr Zeit damit verbracht haben, nach einer besonderen Szenerie zu suchen, als sie schlussendlich zu malen. Letzteres ist eigentlich mehr Handwerk als Kunst.

Deine Liebe zur Malerei hast du wann entdeckt? Was reizt dich so an der Arbeit vor der Staffelei?

Gemalt habe ich eigentlich schon immer ganz gerne. Irgendwann sind mir dann mal Ölfarben in die Hände gefallen. Ich denke, es war der längst vergessene Malkasten meiner Frau. Damit zu malen, erscheint zunächst unglaublich einfach. Alles, was man auf die Leinwand bringt, sieht auf Grund der Farbverläufe und Struktur fast schon automatisch nach Kunstwerk aus. Je mehr man sich aber mit dem Thema beschäftigt, desto mehr stellt man fest, dass man hier die Tür zu einem kleinen Wissensuniversum aufgestoßen hat. Mit jedem neuen Motiv und der dafür notwendigen Technik lernt man dazu. Das ist einerseits faszinierend, andererseits aber auch etwas frustrierend. Man hat ständig das unbestimmte Gefühl, gerade erst am Anfang zu stehen.

Wie reagiert/e dein Umfeld auf diese Leidenschaft?

Es ist schön, wenn Leute meine Bilder mögen. In manchen Menschen lösen sie echte Emotionen aus. Ich vermute, dies liegt in erster Linie daran, dass die Motive größtenteils hier aus der direkten Umgebung stammen und somit einfach an eine schöne Begebenheit in eben dieser Welt erinnern. Es überrascht mich trotzdem jedes Mal und freut mich natürlich sehr. Grundsätzlich male ich aber eher für mich. Es entspannt und erzeugt ein angenehmes Gefühl, wenn man irgendwann das fertige Werk in den Händen hält. Allerdings bin ich da selbst auch mein größter Kritiker. Bei jedem neuen Bild schaue ich hauptsächlich darauf, was ich beim nächsten Mal unbedingt anders machen muss.

Wenn du auf deinen Spaziergängen durch die Natur streifst, hast du dann immer einen Skizzenblock zur Hand? Denn oftmals sind es die unvergleichlich schönen Momente der Natur, die du auf deinen Werken „eingefangen“ hast.

Ich fürchte, da muss ich dich enttäuschen. Ich nutze da ganz unromantisch das Handy.

Gab es einen Moment während der Entstehung eines Werkes, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich habe mal meine Oma als junge Frau gemalt. Vorlage war ein altes Foto. Sie steht mit ihrem Fahrrad vor dem Haus. An diesem Ort, ein Bauernhof in Lennewitz, habe ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht. Ich war am Ende hochgradig unzufrieden mit dem Bild, obwohl es technisch eigentlich recht ordentlich war. Alle haben auf den ersten Blick und ohne Vorinformation Ort und Person erkannt. Meine Mutter musste sogar weinen. Für mich sah es aber irgendwie fremd aus. Vermutlich, weil man die Großeltern mit ganz eigenen Augen sieht, was nicht unbedingt etwas mit der Foto-Realität zu tun hat. Ich habe bis heute keine Beziehung zu diesem Bild.

Über deine Leidenschaft zum Kochen bist du das erste Mal mit hochwertigen japanischen Messern in Berührung gekommen. Und warst – so steht es auf der Webseite – „sofort von diesen Werkzeugen fasziniert“. 2005 als Online-Unternehmen „Messerspezialist“ gegründet und zunächst mit kleinen Aufträgen innerhalb Deutschlands begonnen, gibt es inzwischen gute Verbindungen zu Herstellern auf der ganzen Welt. Beide Leidenschaften fangen mit M an – Messer und Malen. Wie vereinbarst du Beides? Ein weltweiter Online-Handel ist zeitlich ja anders aufgestellt als ein „Nine-to-Five-Job“ (ein klassischer Achtstundentag).

Ein gutes Messer zu schmieden, ist eine weit unterschätzte Kunstform. Nicht nur in Japan gibt es große Meister in dieser Disziplin. Handwerk hat mich schon immer fasziniert. Ich beneide Menschen, die es gut beherrschen. Das Malen ist einfach ein schöner Ausgleich. Genau wie beim Schreiben kann man für kurze Zeit in eine Parallelwelt eintauchen, die man genau nach seinen Wünschen gestaltet. Die Frage nach der Vereinbarkeit stellt sich deshalb eigentlich nicht. Wenn man für die Dinge ein gewisses Interesse hat, dann spielt Zeit eine untergeordnete Rolle. Zum Glück habe ich auch sehr gute Kollegen, die das meiste genauso gut oder besser können als ich. Das schafft den nötigen Freiraum und ermöglicht es, sich gelegentlich auf anderen Betätigungsfeldern zu tummeln. Ein Luxus, den ich wirklich zu schätzen weiß und einer der wenigen Vorteile einer Selbständigkeit.

Du malst nicht nur, sondern hast unter dem Pseudonym Mattis M. Wehlau das im März diesen Jahres erschienene Buch mit dem Titel „Sieben Tage Jakobsweg. Mein Camino Inglés“ [der Englische Weg, der circa 120 Kilometer lange Jakobsweg der Seefahrer, Anm.d.Red.] geschrieben. Gab es einen Auslöser für deine Pilgerreise? Und wie sehr hat sie dich beeinflusst?

Das Pilgern war ein lang gehegter Wunsch, den ich mir nun endlich erfüllen konnte. Wie der Buchtitel schon verrät, war ich gerade mal eine Woche unterwegs. Mehr ist mit Familie und Beruf schwer vereinbar. Im Prinzip sollte das auch nur ein „Testlauf“ sein. Dass sich das Ganze zu so einem wunderbaren Erlebnis entwickelt, hätte ich niemals für möglich gehalten. Schon nach zwei Tagen ist man in einer komplett anderen Welt. Es ist wie eine Reise in die eigene Vergangenheit. In eine Zeit, in der der Tag noch nicht durchgetaktet war und man außer essen und schlafen keine großen Sorgen hatte. Auch hier habe ich das Buch eigentlich für mich selbst geschrieben. Als kleine Erinnerung an diese Reise. Irgendwie waren aber alle so begeistert, dass ich es schließlich veröffentlicht habe. Dass es sich dann auch noch ganz gut verkauft, hat mich dann aber doch überrascht. Offensichtlich steht das Pilgern bei sehr vielen Menschen auf dem Zettel. Ich kann es nur dringend empfehlen.

Beim Vorbereiten auf unser Interview fiel mir auf, dass du dich vielerlei engagierst – sei es im NABU, in der Politik oder beim Schach. Wie wichtig ist dir ehrenamtliches Engagement?

In den genannten Feldern bin ich nur eine Randfigur. Da gibt es Menschen, die diesen Themen ihr Leben verschrieben haben. Für mich ist das einfach nur eine gute Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun und sehr interessante Leute zu treffen. Richtige Leidenschaft entwickele ich in erster Linie als Fußballnachwuchstrainer. Die emotionale Achterbahnfahrt, die man da am Spielfeldrand erlebt, kann mir kein Bundesligabesuch bieten. Wenn man dann noch sieht, dass aus den Kindern später in den allermeisten meisten Fällen etwas wird, dann ist das ein richtig gutes Gefühl. Man könnte die ehrenamtliche Tätigkeit also gut und gerne als reinen Egoismus bezeichnen. Zumindest in meinem Fall.

Hast du Vorbilder (familiär und/oder privat, beruflich)?

Nein.

Was möchtest du noch erreichen?

So langsam komme ich in ein Alter, in der diese Frage immer nebensächlicher wird. Die Zeit bis heute ist so schnell vergangen, dass man die Sinnhaftigkeit von großen Zielen zwangsläufig in Frage stellt. Ich bin recht zufrieden mit meinem Leben und wenn mir jemand garantieren könnte, dass es so bliebe, dann wäre ich wohl dabei. Zudem engen Ziele ein. Hätte ich vor 30 Jahren alles dem großen Vorsatz untergeordnet, super reich und berühmt zu werden, dann würde ich mich heute wohl sehr über verschwendete Lebenszeit ärgern. Am besten, man hört nicht auf zu lernen und die Fühler nach neuen interessanten Erfahrungen auszustrecken. Der Rest ergibt sich von allein.

Du wirkst sehr positiv und verfügst augenscheinlich über ein gesundes Selbstvertrauen. Woher schöpfst du deine Kraft? Gibt es einen Lieblingsort, ein Lieblingsritual, ein Lieblingsmotto?

Hinter dem Augenscheinlichen verbergen sich eine Menge Selbstzweifel. Im Prinzip ist das nicht schlecht, da man immer bestrebt ist, noch etwas besser zu werden. Zudem bleibt man auch bei Erfolgen einigermaßen geerdet. Wirklich positiv ist das aber nicht, denn diesen Wesenszug wird man niemals los. So rundum zufriedene Momente sind also bei mir eher die Ausnahme. Leider, aber auch damit kann man sich irgendwie arrangieren. Vielleicht ist es ein gutes Lebensmotto, immer die aktuell beste Version seiner selbst anzustreben.

Zur Person: 1974 geboren, verheiratet, 2 Kinder, aufgewachsen in Löberitz, in Wehlau wohnend seit 2005, Ausbildung, Studium Medienwissenschaften, Informatik und BWL in Leipzig, selbstständiger Unternehmer

Claudia Egert

Quellen: messerspezialist.de, mz.de, radiosaw.de

Fotoquelle: Matthias Wimmer

Fotocollage: Kerstin Nöhring