Verwöhnprogramm zum Frauentag: Genuss ohne Wenn und Aber
In der Hauptsache genossen es die DDR-Frauen an ihrem Ehrentag - auch wenn es nur einmal im Jahr war - von den Männern einschließlich ihrer Chefs verwöhnt zu werden. In Zeitungen wurden extra für diesen Tag Rezepte mit einfach zu kochenden Gerichten, die auch "er" zubereiten konnte, abgedruckt. Dass die Umkehrung der Rollen diese eigentlich nur bestätigte und nie ernsthaft in Frage stellte, war allen zweifellos bewusst. Dass sie es sich dennoch einen Tag lang gut gehen ließen statt auf die Straße zu gehen, wird ihnen mitunter vorgeworfen. Alice Schwarzer empfindet eine Übernahme dieses Tages für alle Frauen in Deutschland als: "gelinde gesagt, der reinste Hohn". Was nichts daran ändern wird, dass der 8. März- mit oder ohne Protest - auch heute noch begangen wird und in Mecklenburg Vorpommern seit 2023 sowie Berlin seit 2019 ein Feiertag ist.
Kunst als Nische für Kritik an Gleichberechtigung
Nur einen Wunsch äußert 1974 eine "Frauentagsfeiergesellschaft" in einem Brief an das "Magazin": Man möge doch wenigstens anlässlich des Internationalen Frauentages einmal das Aktfoto eines Mannes veröffentlichen. Wirkliche öffentliche Diskussionen wurden - wie so oft in der DDR - stellvertretend im Bereich der Kunst geführt. So löste Wolfgang Mattheuers Bild "Die Ausgezeichnete", das eine abgehärmte, unglücklich wirkende ältere Frau allein vor einem kleinen Tulpenstrauß zeigt, 1973 erbitterte Debatten aus. Sie blieben die Ausnahme.
Probleme anzusprechen oder dagegen zu protestieren, dass auch in der DDR die Hauptlast der Hausarbeit und Kindererziehung mit bis zu siebzig Prozent bei der Frau lag, wäre jedoch auch am Frauentag niemandem in den Sinn gekommen. Von seiner ursprünglichen, durch Clara Zetkin begründeten Intention, ein Tag des Protests zu sein, hatte der 8. März sich meilenweit entfernt - und nicht ohne Grund wurde an seine Ursprünge kaum erinnert.
Liebe Frauen,
jedes Jahr die gleiche Frage - brauchen wir einen Tag für Frauen? Ist auch dies noch zeitgemäß?
Fünf Gründe, weshalb der internationale Frauentag wichtig ist und man sich für Frauenrechte und die Gleichberechtigung einsetzen sollte:
Grund 1: Frauenrechte sind Menschenrechte
Jeder Mensch sollte die gleichen Rechte haben und dazu gehören auch Frauen. Bereits 1993 wurde auf der Menschenrechtsweltkonferenz festgelegt, dass die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen, bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben, auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene, und die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorrangige Ziele der internationalen Gemeinschaft sind. Es wurde zwar schon Einiges erreicht, aber es gibt trotzdem noch viel zu tun.
Grund 2: Gender Pay Gap
Ziemlich ungerecht: Der Gender Pay Gap beschreibt die Differenz zwischen dem Arbeitslohn von Männern und Frauen. Frauen verdienten 2020 für dieselbe Arbeit laut statistischem Bundesamt immer noch 18 % weniger als Männer. Bis heute hat sich daran in vielen Berufsgruppen nichts geändert.
Grund 3: Veraltete Rollenbilder nachteilig für Frauen
Kontaktsperre und Homeoffice hatten dazu geführt, dass Männer und Frauen deutlich mehr Zeit zu Hause verbrachten. Mit welchen Folgen? Brachte die Corona-Krise in deutschen Haushalten den Rollentausch - oder ein Rollback? In der Corona-Krise lastete die Haus- und Familienarbeit zum überwiegenden Teil auf den Schultern der Frauen. So geben 69 Prozent der Frauen an, dass sie die generelle Hausarbeit erledigen, während dass unter den Männern gerade einmal elf Prozent von sich behaupten. Ähnlich verhält es sich bei der Kinderbetreuung und beim Homeschooling.
Grund 4: Internationale Frauenrechte
Weltweit sind insbesondere Frauen Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, werden zwangsverheiratet oder erhalten keinen Zugang zu Bildung.
Grund 5: Frauen sind von Altersarmut bedroht
Abhängigkeit oder Armut: Durch einen längeren Ausstieg aus dem Job sind Frauen viel öfter von Altersarmut bedroht als Männer - oder finanziell abhängig vom Ehemann.
Fazit:
Einen 8. März mit Kaffeetafel, Blümchen, Pralinen, ein freundlicher Händedruck oder sogar Auszeichnungen von den zumeist männlichen Vorgesetzten brauche ich persönlich nicht.
Der 8. März sollte ein Tag sein, an dem Erreichtes gewürdigt und auf aktuelle Probleme aufmerksam gemacht wird. Dafür braucht es keine Kaffeetafel. Vielmehr braucht es aktive Menschen, die sich öffentlich äußern, und das nicht nur am 8. März.
Ihre Gleichstellungsbeauftragte
Evelin Steiner