Liebe Mitglieder des Fördervereins „Otto Lilienthal“ Anklam e. V., liebe Freunde des Museums,
in guter Tradition möchte ich auch diesem Jahr mit unserem Rundbrief wieder über Projekte, Begegnungen und Pläne berichten, um allen Mitgliedern unseres Vereins einen kleinen Einblick in unsere aktuelle Museumsarbeit zu geben.
Wie im Vorjahr geplant, konnten wir die digitalen Werkzeuge, die uns inzwischen im Museum zur Verfügung stehen, vor allem als technische Hilfsmittel bei der Forschungs- und Vermittlungsarbeit in unseren „realen“ Projekten sehr erfolgreich einsetzen. Besonders der 3D-Druck hat sich inzwischen als fester Bestandteil des musealen Modellbaus etabliert.
Eine sehr beeindruckende Symbiose aus klassischen Modellbauverfahren und der neuen Drucktechnik stellt die in diesem Jahr abgeschlossene Rekonstruktion des sog. Großen Vogels dar. Das motorisierte Schlagflügel-Flugzeug, dessen Bau Gustav Lilienthal in den 1920er und -30er Jahren vorantrieb, erhielt im Modell vor allem im Bereich der Tragflächen-Stützstruktur gedruckte Bauteile, aber auch Bestandteile des Antriebsstranges und der eigenwillige Pilotensitz entstanden mittels Druckverfahren.
Der Nachbau im Maßstab 1:6 wird künftig im IKAREUM zusammen mit anderen „Exoten der Luftfahrt“ den Lilienthal Flying Circus bereichern.
Auch im Wahlpflichtunterricht Fliegen haben moderne Ingenieurswerkzeuge, wie die computergestützte Konstruktion (CAD) kombiniert mit 3D-Druck weiter Einzug gehalten. So waren die Kursteilnehmer in diesem Jahr zum ersten Mal gefragt - nach experimenteller Einführung in die Grundlagen der Profil-Aerodynamik an Rundlauf und Windkanal - in zwei Gruppen eigene Tragflächen zu entwerfen.
Nach der Fertigung der Prototypen im 3D-Drucker des Museums traten beide Gruppen im Wettkampf gegeneinander an. Ziel war es im teilweise automatisierten Versuch am Schüler-Windkanal nachzuweisen, dass die eigene Konstruktion einen stabilen Betriebsbereich aufweist, der das Fliegen mit großer Auftriebs- bei gleichzeitig vertretbarer Widerstandskraft ermöglicht.
Wir freuen uns sehr, dass der Wahlpflichtunterricht Fliegen am Anklamer Lilienthal-Gymnasium auch im fünften Jahr weiterhin gut angenommen und durch zahlreiche Netzwerkpartner (u.a. Naturpark in Stolpe, Modellsport- und Segelfliegerclub) zuverlässig unterstützt wird. Inzwischen sind wir mit dem Vermittlungsformat auch extern aufgefallen. So besuchte uns im Juli 2024 mit der Sachsenwald-Schule die Mittelstufe des Gymnasiums Reinbek (bei Hamburg), um mit Messungen an unserem Rundlaufversuch auf den Spuren der Lilienthal-Geschwister zu wandeln. Daraus entstand im Nachgang die Idee eines „mobilen Rundlaufs“, der transportabel und modular aufgebaut, schnell an beliebigen Orten für Unterrichtszwecke zum Einsatz kommen kann. Mit diesem „Lilienthal to go“-Format überzeugten wir erneut die Firma FESTO, die uns in diesem Projekt wieder finanziell unterstützt.
Der aktuelle Forschungsschwerpunkt lag im Otto-Lilienthal-Museum auf den Schlagflügelversuchen „Made by Lilienthal“. Wir hoffen bis Juni 2025 die laufenden Untersuchungen zur Bewertung der technischen Güte von Otto Lilienthals Großem Schlagflügelapparat (1896) zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen abzuschließen. Die bis dahin erzielten Ergebnisse wollen wir am 20./21. Juni dieses Jahres der Firma FESTO, die auch dieses Projekt unterstützt, zusammen mit dem neuen Versuchsaufbau des mobilen Rundlaufs in Anklam vorstellen.
Einer der Höhepunkt im zurückliegenden Bilanzzeitraum war zudem die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem National Aviation Museum of Korea (kurz NAMOK). Das Nationale Luftfahrtmuseum in Südkoreas Hauptstadt Seoul fragte bereits im Januar 2024 eine Kooperation mit Anklam im Rahmen seiner 1. Internationalen Sonderausstellung „The Flying Man“ an. Für die Ausstellung in Fernost wurden im Oktober 2024 u.a. neun Originalfotografien Otto Lilienthals, die den Altmeister bei seinen Flugversuchen zeigen sowie das Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegkunst“ in seiner ersten Auflage (1889) aus Anklam verliehen. Mir wurde zudem die Ehre zuteil wenige Tage vor Ausstellungseröffnung auf Einladung des koreanischen Museums mit in Seoul vor Ort zu sein. Einen Erfahrungsbericht zu der durchaus eindrucksvollen Reise gab es am 20. März 2025 in Form eines reich-bebilderten Vortrags in der Ellbogenstraße. Seit dem 28. März sind nun auch unsere Leihgaben wohlbehalten im Museum zurück. Lilienthal wird in Südkorea aber noch präsent bleiben, da das National Institute of Biological Resources in Incheon (bei Seoul) Teile der Sonderausstellung im Kontext der Bionik von April bis September 2025 nachnutzen wird.
Wir freuen uns sehr, dass Prof. Dr. Markus Raffel im Rahmen des Stadtempfangs am 11.10.2024 zum „Jünger Lilienthals“ gekürt werden konnte. Das Otto-Lilienthal-Museum hatte seinen Vorschlag zur Preisverleihung im Vorfeld gegenüber Bürgermeister und Stadtvertretung folgendermaßen begründet:
Prof. Dr. Markus Raffel als den „modernen Lilienthal“ zu bezeichnen, erscheint keinesfalls übertrieben. Zu groß sind die Ähnlichkeiten seiner wissenschaftlich strukturierten und leidenschaftsgetriebenen Vorgehensweise auf den Spuren des „Altmeisters der Fliegekunst“.
Seit den grundlegenden Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Flugtauglichkeit Lilienthal‘scher Gleiterkonstruktionen, die auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) 2016 große Beachtung fanden, ist Markus Raffel mit einem ganz speziellen Virus infiziert - dem „Lilienthal-Fieber“. Nach intensiver körperlicher und technischer Vorbereitung (u.a. Kraft- und Fitnesstraining sowie Erwerb des Flugscheins für Hängegleiter) folgte Raffel einem ausgeklügelten Prozedere, um das Beherrschen des sog. Normalsegelapparats von 1894 zu erlernen. Anfangs angeleint im Windkanal und später auf einem Auto-Hänger-Gespann, folgten Flüge mit zunehmendem Freiheitsgrad an der Motorwinde und schließlich in kalifornischen Sanddünen. Seitdem ist Raffel nicht nur den berühmtesten Eindecker aus der Feder Otto Lilienthals geflogen, auch der Große Doppeldecker und der sog.
Vorflügelapparat (beide ab 1895) standen inzwischen auf dem Versuchsprogramm des Göttinger Professors.
Die praktischen Flugerfahrungen Raffels sorgten jüngst nicht nur für spektakuläre Bild- und Tonzeugnisse, die um die Welt gingen, sondern mehren durch zahlreiche Publikationen den Wissensstand zur Lilienthal‘schen Flugtechnik in besonderem Maße. Für seinen einmaligen Beitrag zur Erinnerung an die großen Pionierleistungen Otto Lilienthals schlägt das Otto-Lilienthal Museum in Anklam Prof. Dr. Markus Raffel als Preisträger des „Lilienthal-Jüngers“ 2024 vor.
Prof. Raffel ist damit nach Ulrich Voswinckel (Hamburg) und Günther Siebert (Freital) der Dritte, dem diese Auszeichnung für besondere Verdienste um Lilienthal und dessen Geburtsstadt durch die Hansestadt Anklam verliehen wurde.
Die außergewöhnlichen Pläne der AVIAT-Stiftung und die daraus resultierenden (positiven) Folgen für unseren Förderverein, veranlassen mich zu diesem Thema in der aktuellen Jahresbilanz einen eigenen Abschnitt zu verfassen:
Bereits mit der Übergabe des durch die Stiftung geförderten Schüler-Windkanals im Frühjahr 2024 legte uns das Ehepaar Voswinckel aus Hamburg (Gründungsmitglieder der AVIAT-Stiftung) seine Absichten zur Stiftungsauflösung und Verwendung des verbleibenden Stiftungskapitals offen. Zur Förderung der technischen Bildung und des internationalen Austausches sollte nach ihrem Wunsch das Anklamer Museum begünstigt werden. Inzwischen ist der genaue Werdegang definiert. Demnach wird die AVIAT-Stiftung in eine sog. Verbrauchsstiftung umgewandelt und ihr verbleibendes Kapital über die nächsten Jahre zweckgebunden an den Förderverein Otto Lilienthal Anklam e.V. überschrieben werden.
Bis Ende 2024 konnte mit Hilfe des Förderkreises Nikolaikirche Anklam e.V. die Pilotausstellung zum künftigen IKAREUM Lilienthal Flight Museum der Öffentlichkeit im Kirchenschiff präsentiert werden. Seit Anfang 2025 sind nun umfangreiche Restaurierungs- und Sanierungsmaßnahmen am mittelalterlichen Gebäude im Gange. Der Fokus der Restaurierung liegt dabei auf der Sicherung der Bestandssubstanz und konzentriert sich zunächst im südlichen Seitenschiff der Kirche, da hier der Einbau der sog. „Emporen“ anschließen soll. Saniert wird hingegen der Dachraum, der zur Reduzierung von Wärmeverlusten eine Dämmung und aus Brandschutzgründen eine Entrauchungsanlage erhält. Beeindruckend sind in diesem Zusammenhang die großen, ca. 18m hohen Raumgerüste, die derzeit bis zur Kronen-Ebene reichen und an der Basis mit einer aufwendigen Lastverteilung versehen sind, um den erst im Dezember 2022 eingeweihten Fußboden inkl. Heizungs-, Strom- und Medienleitungen zu schützen.
Der Umzug der Ausstellung aus dem Otto-Lilienthal-Museum in die Nikolaikirche ist erst nach Abschluss der o.g. Bauarbeiten an Gebäude und Emporen sowie dem Einzug der Ausstellungsarchitektur möglich. Derzeit planen wir frühestens mit Herbst 2026. Sollte alles nach Plan verlaufen, wird Anfang 2026 ein Teil der großen Gleiterhalle zur Schauwerkstatt umfunktioniert werden müssen, um zunächst die manntragenden Gleiter zu säubern und kleinere Reparaturen durchzuführen. Wer sich also die bestehende (preisgekrönte!) Ausstellung des Museums in der Ellbogenstraße 1 noch einmal ansehen möchte, ist dieses Jahr herzlich eingeladen noch einmal vorbeizuschauen.
Im Funktionsanbau RITZ, dem Regionalen Informations- und Tourismuszentrum nördlich der Nikolaikirche geht es derweil in die heiße Phase des Innenausbaus. So ist die Archiv-Ausstattung mit Rollregalen, Gemäldedepot und Grafikschränken bereits fast vollständig aufgebaut. In den nächsten Wochen wird die sog. lose Möblierung für Rezeption, Mitarbeiterbüros, Werkstätten und Lagerräume erwartet.
Eine offizielle Einweihung des Hauses wird dann voraussichtlich am 23. Juli des laufenden Jahres unter Beteiligung von Frau Ministerpräsidentin Schwesig erfolgen.
Selbstverständlich soll es nach der offiziellen Einweihung des RITZ schnell auch in den Veranstaltungsbetrieb gehen, um das Haus öffentlichkeitswirksam mit Leben zu füllen. Die Reihe „Lilienthal LAB Live“, die im vergangenen Jahr mit den Ausgaben Vol. 5 „Faszination Luftfahrt-Archäologie“ (Prof. Steinle, 23.05.2024) und Vol. 6 „Von der Kunst zu Fliegen - ohne abzustürzen“ (Prof. Raffel, 12.10.2024) noch durch zwei hochkarätige Vorträge bereichert wurde, wird dann am neuen Museumsstandort weitergeführt.
In dieser Rubrik möchte ich in der aktuellen Bilanz zunächst unserem geschätzten Mitarbeiter Christian Gehrke einen großen Dank auszusprechen. Herr Gehrke beweist nicht nur seit vielen Jahren als Modellbau-Experte im Museum sein Können, sondern betreut seit 2022 auch das Digitalstudio mit allen technischen Errungenschaften und digitalen Werkzeugen. Ein Porträt der Fotografin Sarah Kohlhagen über die Arbeit von Herrn Gehrke kann auf der Homepage der Künstlerin houseofpicture.de bequem von der Couch aus abgerufen werden.
Auch im vergangenen Jahr hat uns der private Fernsehsender MV1 (JuniMedia GmbH & Co. KG) wieder in unserem Wirken dokumentarisch begleitet. Multimedialen Einblick in das eine oder andere der o.g. Projekte gibt der sog. „Museumsführer“ oder auch das „Exponat der Woche“ auf Youtube.
Wie immer informieren wir natürlich auch auf: lilienthal-museum.de und ikareum.de über die aktuellen Aktivitäten des Museums.
Für die Förderung und das Interesse an unserer Arbeit möchte ich mich bei allen Mitgliedern des Fördervereins ganz herzlich bedanken!
Mit besten Grüßen aus der Lilienthal-Stadt Anklam
Ihr und Euer