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Barther Boddenblick
Ausgabe 1/2024
Nichtamtlicher Teil
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Exponate des Monats im Vineta-Museum der Stadt Barth

„Ursula von Stumpfeld stammt aus unserer Landschaft und hat diese immer wieder in Zeichnungen und Gemälden gestaltet. Mit ihren Sepia-Zeichnungen und Ginsterbildern hat sie sich viele Freunde erworben.“ Nur so viel erfahren wir über unsere Künstlerin in der Festschrift zur 700-Jahrfeier von 1955. Sie zeichnete sich „durch hübsche, gut erfaßte Zeichnungen sowie vor allem durch schön abgetönte, zart und fein durchgeführte Aquarelle aus“ schreibt Erich Gülzow kurz und knapp. Eine Beschreibung der Person finden wir in der Klissing´schen Chronik: „Mit Hut, Klappstuhl und Malutensilien konnte man sie überall in Barth und Umgebung antreffen, wenn sie ihre Skizzen fertigte. Ungezählte Bilder hat sie gemalt und sie dann verschenkt oder verkauft. Selten hat sie ihre Bilder signiert, weil sie von deren Qualität nicht überzeugt war.“ Umso mehr jedoch die Beschenkten oder Auftragsgeber, die es nicht vermisst haben, sich noch zu ihren Lebzeiten eine nachträgliche Signatur zu besorgen.

Unser „Exponat des Monats“ widmet sich dieser Barther Künstlerin. Immerhin gehörte sie neben ihrer Schwester zu den ehemaligen Konventualinnen, die am längsten in Barth unter der Obhut des Adligen Fräuleinstifts gelebt haben. Ein halbes Jahrhundert. Zudem waren die Schwestern von Stumpfeld die letzten Stiftsdamen, die das Refugium in der Hunnenstraße bewohnten. Bei ihrer Ankunft im Fräuleinstift wohnten noch 7 weitere Fräuleins dort und Anna von Zanthier war die Priorin, die von 1909 bis 1922 diese Position innehatte. Ihre Nachfolgerinnen waren Hedwig von Zanthier und Katharina von Hagenow als letzte Priorin des Fräuleinstifts bis 1952. Von den Stiftsdamen dieser Zeit hat sich Ursula von Stumpfeld „durch ihre zahlreichen Bilder ein Generationen überdauerndes Denkmal geschaffen“. Gemälde der Barther Kirche, vom Adligen Fräuleinstift oder dem Fangelturm, das 1955 anlässlich der 700-Jahrfeier gemalt wurde, sind heute noch erhalten. Sie konnte einige ihrer Werke auf der zweiten Stralsunder Kunstausstellung (im Haus Badenstraße 15) im März 1925 neben anderen pommerschen Künstlern öffentlich präsentieren. Zu sehen waren u.a. die Bilder „Johanniskloster (Stralsund)“, „Hohe Düne bei Müritz“ oder „Katen in Ahrenshoop“ von deren Verbleib nichts bekannt ist. Im Barther Heimatmuseum (im Kloster) wurden ab 1935 ihre Werke ausgestellt.

Ursula Klara Marie von Stumpfeld wurde am 14. August 1882 geboren. Als Geburtsort werden oft Weißenfels oder Altdamm bei Stettin genannt. Ersteres befindet sich in der Nähe des Wohnsitzes ihrer Mutter, letzteres war der Ort, an dem ihr Vater als Offizier stationiert war. Allerdings wird bei Ursulas Geschwistern, ein Bruder und zwei Schwestern, ebenfalls Weißenfels als Geburtsort angegeben. Ursula galt als enfant terrible (ein schreckliches Kind) der Familie. Sicher keine Seltenheit bei Adelsfamilien. So schickte man sie schon alsbald zur Kunstschule, war es doch eine Pflicht als ein junges Mädchen der gehobenen Schicht in Kunst, respektive Musik bewandert zu sein. Die Liebe zur Malerei, als bevorzugtes Sujet die Landschaftsmalerei, blieb ihr trotz späteren Augenleiden bis zum Lebensende erhalten. 1918 wurde sie im Alter von 36 Jahren ins Adlige Fräuleinstift in Barth eingekauft. Als Expektantin war sie schon 1886 gelistet. Ebenso ihre Schwester Anna. Blieb eine Expektantin unverheiratet, konnte sie nach den Vorgaben des Fräuleinstifts und nach Freiwerden einer Stelle aufgenommen werden. Der Einkauf ins Stift erfolgte durch ihren Onkel Karl Friedrich, Rittmeister a.D. und Kammerherr sowie geschäftsführender Kurator der Kloster-Kommission Barth, da ihr Vater schon 1895 in Eberswalde verstarb.

Der Name des Vaters war Robert Karl Wilhelm Gustav von Stumpfeld. Er war Rittmeister und Kompagniechef im Pommerschen Train-Bataillon Nr. 2. Diese Einheit war dem II. Armee-Korps der Preußischen Armee unterstellt und zuständig für das militärische Transportwesen. Sie bestanden bis auf Offiziere und Unteroffiziere vorwiegend aus abkommandierten Handwerkern. Der Friedensstandort war in Altdamm. Seine Familie erhielt 1763 die Nobilitierung d.h. sein Vorfahre Christoph Stumpfeld in seiner Funktion als schwedischer Amtshauptmann zu Barth. 1843 folgte von Friedrich Wilhelm IV. die Genehmigung zur Namens- und Wappenvereinigung mit „Lilienanker“. Robert heiratete am 23. Mai 1880 Aeone Mathilde Reichsgräfin von Wintzingerode. Sie war aus einer Uradelsfamilie, die auf Burg Bodenstein in Thüringen ihren Stammsitz hatte. Aus der Ehe sind vier Kinder entstanden: Hans Joachim (1881), Ursula (1882), Anna Louise (1884) und Gylfe Marie (1887). Der Bruder Hans Joachim schlug ab 1901 eine militärische Laufbahn ein. Um 1940 war er Generalmajor und bekannt geblieben durch die nach ihm benannte Kampf-Gruppe „Stumpfeld“. Diese war von Dezember 1942 bis Februar 1943 in der Schlacht bei Stalingrad verwickelt, wo sie vernichtend geschlagen wurde. Er überlebte, wurde aber noch vor Kriegsende verabschiedet. Er starb 1968 in Hamburg. Die jüngste Schwester Gylfe Marie Elisabeth Louise von Stumpfeld studierte in Greifswald Philologie und eröffnete im April 1918 in Eberswalde, wo sie ihre Jugend verbrachte, ein Töchterheim. Ab 1926 konnten schon 30 junge Mädchen unterrichtet und ausgebildet werden. Allerdings hatten diese anscheinend nicht viel zu lachen: Zucht und Ordnung waren tägliches Programm, Schwäche wurde mit Verachtung gestraft und schon kleine Fehler bei Handarbeiten mit Schimpftiraden quittiert. Sogar die Zuckerkrankheit eines jungen Mädchens wurde heruntergespielt und ignoriert. Darüber schrieb die bekannte Reinhild Gräfin von Hardenberg [sie war dort Schülerin] in ihren Memoiren. Ursulas andere Schwester, Anna (Ann Lies) Louise Wilhelmine, wurde zwei Jahre nach ihr als Stiftsdame eingekauft und auch sie war künstlerisch tätig. Sie spielte Violine und hat zahllose kunsthandwerkliche Arbeiten gefertigt.

Die Geschwister Stumpfeld erlebten Barth und das Fräuleinstift nach dem Ersten Weltkrieg als noch Obstbäume den Innenhof ihrer Wohnstätte zierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg stattdessen Gemüse und Kartoffeln. Im Mai 1945 wurden alle Stiftsdamen von der Sowjetarmee hinausgeworfen und durften erst wieder im November zurückkehren. Die Entwicklungen zwischen den 20er Jahren und den 70ern haben aus dem Adligen Fräuleinstift allmählich eine Ruine gemacht. 1948 wurde die Stiftung aufgehoben. Das Gebäude ging an die Kirche und wurde 1975 an die Stadt Barth übergeben. Dies erlebte unsere Künstlerin nicht mehr, sie verstarb am 05. Dezember 1973 mit gesegneten 91 Jahren. Ihre Schwester „Annelies“ folgte ihr 98-jährig am 25. März 1982. Sie lebte zuletzt im Gemeindehaus in der Papenstraße. Ab 1983 wurden die Seitenflügel des Stifts als Kindergarten genutzt und dadurch erhalten. Doch der Mittelteil war indes immer noch dem Verfall ausgesetzt. Anfang der 90er plante die Stadt den Mittelteil durch den Bau eines „Pommern-Museums“ zu retten. Die finanziellen Mittel reichten jedoch nicht aus und so wurde sogar eine Bitte um Unterstützung an das schwedische Königspaar geschickt. Jedoch ohne Erfolg. Das Geld reichte zunächst nur für eine Entrümpelung des Mittelteils durch fünf ABM-Kräfte als Vorbereitung zur Sanierung. Ende 1991 wurde schließlich bekanntgegeben, dass die Rekonstruktion des Fräuleinstifts, namentlich des Mittelteils, im folgenden Jahr beginnen werde. Durch die Stadt Barth und dem Verein „Freunde des Barther Klosters“ wurden 1992 weitere Fördermittel aus Schwerin beschafft und 500.000 Mark in Aussicht gestellt. Die einzige schwedische Stiftung auf deutschem Boden und eine der schönsten Barockanlagen Norddeutschlands wurde gerettet. Dann konnten auch die Stumpfelds endlich in Frieden ruhen.

Als Vision bleibt die Einbindung des Klostermittelteils, einem der geschichtsträchtigsten Orte der Stadt, in die Kulturmeile von Barth. Ein Ort der so viel zu erzählen hat, von Rügenfürsten und Pommernherzögen von Witwen und klugen Fräuleins - einem Lieblingsmotiv von Ursula von Stumpfeld.

Christian Schumacher
Vineta-Museum der Stadt Barth