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Barther Boddenblick
Ausgabe 10/2023
Nichtamtlicher Teil
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Auf eine Boddenrundfahrt mit Tassilo Schäfer

Die ruhigen Gewässer des Bodden zwischen Barth, dem Zingst, Darß und dem Fischland bilden eine einzigartige Kulisse für unvergessliche Schifffahrtserlebnisse. Und wer könnte besser über diese Region und die faszinierende Welt der Fahrgastschifffahrt berichten als Tassilo Schäfer, der Geschäftsführer der "Fahrgastschifffahrt Poschke"? Während einer Boddenrundfahrt führten wir ein exklusives Interview mit Tassilo Schäfer, der nicht nur das Schiff steuerte, sondern auch humorvoll und informativ über die Tour, die Natur, die Umgebung und das Geschehen um das Schiff herum berichtete. Lernen Sie diesen resoluten, positiven und geachteten Reederei-Chef näher kennen, der nicht davor zurückscheut, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen und gleichzeitig sein Herz an die einzigartige Boddenlandschaft verloren hat.

(BB): Hallo Tassilo. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview während unserer Boddenrundfahrt nimmst. Lassen Sie uns gleich einsteigen: Wer ist Tassilo Schäfer und wie bist du bei der Reederei Poschke gelandet?

Tassilo Schäfer (TS): Moin! Tassilo Schäfer ist eigentlich ein ganz normaler Bewohner des Ostseeheilbads Zingst, sag ich mal. Ich bin in Zingst zur Schule gegangen, von der 1. bis zur 10. Klasse. Und in der 8. Klasse stellte sich so langsam die Frage, was mache ich eigentlich mal beruflich? In die Gastronomie wollte ich nicht. Die zweite Möglichkeit war, Schiff zu fahren. Und da mein Opa ein Zeesboot hatte, das hier in Zingst am Hafen lag bin ich da schon immer mitgefahren ist. Und dort lernte ich eigentlich auch meinen jetzigen Chef und den Eigentümer der Reederei kennen, Herrn Poschke. Damals fing dann in den Ferien mit Schülerarbeit auf den Schiffen an. Tische wischen, Fahrkarten kassieren, Fahrräder stapeln stand da auf dem Programm. Und dann kam das Schülerpraktikum, das habe ich auch an Bord absolviert. Und als dann die Frage kam, was du lernen willst? Ja, dann war die Antwort schnell klar: Was mit Schiffen! Dann habe ich als erstes Matrose der Binnenschifffahrt hier bei der Reederei gelernt von 2004 bis 2007 und als die Matrosenlehre beendet war, dann hieß es: Ja, Schifffahren willst du auch! Und dann habe ich des Kapitänspatent gemacht für die Binnenschifffahrt, das war 2008 abgeschlossen.

(BB): Das ist eine interessante Entwicklung. Jetzt bist du Geschäftsführer bei der Reederei Poschke. Wie hat sich das ergeben?

Tassilo Schäfer (TS): Nun, es muss ja dann irgendwie weitergehen. Die Kollegen werden alle älter und auch Herr Poschke selbst wird älter. Dann kommt schon irgendwann die Frage, wie geht es weiter. Außerdem haben wir uns ja auch in den letzten Jahren enorm vergrößert. Wir haben drei Schiffe dazu gekauft, die Arbeit wird mehr, so dass es auch für einen Geschäftsführer nicht mehr zu stemmen ist. Und da fiel die Wahl auf mich, ob ich auch mit einsteigen möchte als Geschäftsführer. Und ja, 2020 war das. Da habe ich natürlich gesagt, ja klar, mach ich das. Das Geschäft habe ich von der Pike auf gelernt, die Abläufe sind bekannt. Und nun ziehen wir gemeinsam an einem Strang, um weiter voranzukommen.

(BB): Das klingt nach einer logischen Weiterentwicklung deiner Karriere.

Tassilo Schäfer (TS): Absolut, es war eine natürliche Entwicklung, und ich bin dankbar für die Möglichkeit, die mir geboten wurde.

(BB): Wie sieht eigentlich bei dir so ein ganz normaler Arbeitstag aus?

Tassilo Schäfer (TS): Der Arbeitstag beginnt eigentlich morgens mit Büroarbeit, Laptop auf, E-Mails bearbeiten, und dann geht es eigentlich täglich an Bord, wo ich immer noch aktiv auch fahre, nach wie vor, um einfach am Geschehen zu sein, um zu gucken, was draußen los ist, was machen die Gäste, was machen die Besatzungen der Schiffe. Und die Arbeit haben Herr Poschke und ich uns aufgeteilt. Herr Poschke als Eigentümer, der Schiffe fährt auch nach wie vor zwei Tage die Woche, um einfach mittendrin zu sein und die Firma nicht nur vom Schreibtisch aus zu erleben.

(BB): Die Boddengewässer sind schon ein bisschen etwas Besonderes hier bei uns. Diese Art der Gewässer gibt es nicht so häufig. Was macht deinen Beruf und die Schifffahrt hier in dieser Region für dich so besonders?

Tassilo Schäfer (TS): Die Boddengewässer sind schon einmalig. Einmal die Kombination aus Binnenwasserstraße und Seewasserstraße. Und keine Tour ist gleich. Jede Fahrt ist wieder anders. Strömung, Windverhältnisse verändern sich. Die Fahrwasser sind teilweise sehr eng, um da auch sicher durchzumanövrieren bei jeder Wetterlage, und das fordert einen doch täglich heraus und macht auch immer wieder Spaß, das Schiff sicher von A nach B zu fahren und den Passagieren ein tolles Erlebnis zu bieten. Oder auch die Herausforderung auch bei schlechtem Wetter den Fahrplan aufrecht zu erhalten.

(BB): Das klingt nach einer spannenden Arbeit. Wie begegnet ihr und die Reederei eigentlich Themen wie Klimaschutz und Umweltschutz? Gibt es da zwei Herzen in deiner Brust oder welche Dinge und Probleme, die auf euch zukommen?

Tassilo Schäfer (TS): Generell ist es natürlich nicht so leicht, Klimaschutz und Umweltschutz unter ein Dach in unserer Branche zu bekommen. Vieles färbt auch aus der Kreuzfahrtbranche ab, die ja als Dreckschleudern bezeichnet wird. Wir haben hier aber nur kleine Binnenschiffe, die mit normalen LKW-Motoren ausgestattet sind. Die sind nicht schmutziger als jeder LKW oder Bus, der auf der Straße fährt. Davon können wir uns abwenden, auch weil wir mit normalem Dieselkraftstoff fahren und nicht mit Schweröl wie die großen Schiffe. Von daher können wir das gut vertreten, hier im Nationalpark mit den Schiffen zu fahren. Wir halten die Flotte auch relativ jung mit unseren neun Schiffen, die MS „Seeheilbad Zingst aus 2016 und aus 2021 die MS „Seestern“ zum Beispiel. Die anderen Schiffe werden auch immer wieder modernisiert, um da auch auf dem aktuellen Stand der Technik zu sein. Und 2024 werden wir jetzt das erste Elektroschiff auch in Dienst stellen. Dafür haben wir ein altes Schiff aufgekauft, grundlegend umgebaut, verlängert und verbreitert. Und dieses Schiff wird komplett mit Elektroenergie angetrieben. Wobei das auch ein völlig neues Thema für uns ist. Die Fahrt- oder Einsatzdauer ist ja schon beschränkt. Das Elektroschiff soll acht Stunden fahren können bei voller Leistung und muss dann geladen werden. Heutzutage bei den jetzigen Schiffen spielt das keine Rolle, kurz tanken und dann kann ich 24 Stunden fahren. Das heißt, du musst den Fahrplan schon anpassen an das Elektroschiff und dann natürlich auch die Zuverlässigkeit erproben, wenn Energie alle ist, sie alle. Und spannend wird das ganze Elektroschiff natürlich auch bei schlechtem Wetter. Wenn wir viel Wind und Strömung haben, reagiert das Elektroschiff ja doch anders als das herkömmliche Schiff mit Diesel angetrieben. Von daher ist das schon ein spannendes Thema. Das Schiff ist jetzt fast fertiggestellt, es wird noch im Oktober auf Probefahrt gehen. Und in den Wintermonaten hier zu uns überführt. Und im nächsten Jahr dann hier auch unterwegs sein.

(BB): Gibt es schon Planungen, auf welcher Strecke es unterwegs sein wird?

Tassilo Schäfer (TS): Noch nicht konkret, aber es kommt im Frühjahr eine offizielle Info. Aber es wird auf jeden Fall hier vor Fischland und Darß zum Einsatz kommen.

(BB): Die Saison bei uns geht so dem Ende zu. Was war für dich 2023 ein besonderer Moment? Hattest du da einen?

Tassilo Schäfer (TS): Besonderer Moment? Da kommen viele zusammen, die kriegt man gar nicht zusammen auf einmal. Aber jetzt im Frühjahr im April, hat unser ehemaliger Auszubildender Felix Benzin, der 2014 als Lehrling bei uns angefangen hat und seinen Matrosenberuf erlernt, wie ich damals und dann auch aktiv als Matrose gefahren ist, der hat im Frühjahr 2023 sein Patent bestanden und darüber habe ich mich besonders gefreut. Das war das Highlight der Saison und auch gerade jetzt im Herbst fährt er hier völlig alleine und das macht immer wieder Spaß, wenn er entgegenkommt, da ist man schon stolz auf ihn.

(BB): Und gibt es etwas, weshalb du dich jetzt schon auf das kommende Jahr freust?

Tassilo Schäfer (TS): Doch, das Elektroschiff in Dienst zu stellen, ein neues Projekt, ist dann schon immer spannend und ein kleines Highlight, die Erprobung von so einem neuen Schiff und die in Dienststellung und dann eigentlich auch wieder in die Saison einzusteigen. Im Winter und in der Vorsaison ist, glaube ich, mehr zu tun als in der Hauptsaison. Die Gäste sagen, in der Hauptsaison habt ihr voll zu tun, für uns sind es aber eigentlich die Wintermonate und die Vorsaison, die Schiffe wieder fit zu machen, die ganze Planung zu übernehmen, die Fahrpläne zu machen, und dann ist es das Frühjahr auf das ich mich freue, wenn alles so funktioniert wie es geplant war und spätestens an Pfingsten dann immer alles in den richtigen Bahnen läuft. Und dann wird es eigentlich ruhiger bei uns.

(BB): Wie lange fahrt ihr jetzt noch auf der Strecke Barth-Zingst in diesem Jahr?

Tassilo Schäfer (TS): Die Linie Barth-Zingst bedienen wir bis 31. Oktober, wie jedes Jahr, vom 1. April und dann stellen wir die Route wieder ein und beschränken uns auf Sonderfahrten. Ein paar Weihnachtsfeiern, ein paar Familienfeiern noch, die machen wir, aber aus dem regulären Plan sind wir dann raus.

(BB): Das heißt, man kann euch und eure Schiffe sozusagen auch buchen?

Tassilo Schäfer (TS): Genau, richtig. Man kann den Schiff als Saal mieten, das Schiff liegt einfach nur am Hafen und man hat einen Saal, wenn man sagt, man möchte noch mal ein, zwei Stunden fahren, für einen kleinen Taler, machen wir das in den Wintermonaten auch, weil die Schiffe sowieso da sind. Es gibt auch die Möglichkeiten noch ein Catering zu bestellen oder selbst eines mitzubringen, da sind wir völlig offen und wir finden eigentlich immer eine Lösung und einen Weg und das wird auch immer mehr angenommen.

(BB): Auf was können sich die Barther eigentlich im kommenden Jahr noch freuen bei euch? Gibt es da besondere Highlights?

Tassilo Schäfer (TS): Ja, wir werden den Fahrplan am 1. April wieder aufnehmen, bis 31. Oktober, werden sonntags auch wieder zur Insel Hiddensee fahren in der Hauptsaison, werden auch von Barth aus die Kranichfahrten anbieten und wollen ab 1. April den Barthern und aus dem Amt Barth die Möglichkeit geben, wieder mehr Schiff zu fahren und daher erhalten alle Anwohner aus dem Amtsgebiet Barth 50% Ermäßigung auf den regulären Fahrpreis und wir werden im Frühjahr, im April oder Mai, in Abstimmung mit dem Kulturabteilung der Stadt wieder eine Hiddenseefahrt anbieten und die auch mit 50% Ermäßigung, so wie wir es dieses Jahr auch getan haben.

(BB): Und das heißt, die Ermäßigung bekommt man dann in dem man einfach nur seinen Ausweis zeigt?

Tassilo Schäfer (TS): Genau, wenn wir an Bord rumgehen einfach seinen Ausweis zeigen und schon drücken wir auf die 50% Taste. Ohne Ausweis geht es nicht, so ist dann das Ganze fair und einfach zu machen, das geht dann nur an Bord und nicht in unserem Onlineshop.

(BB): Was bewegt dich und was findest du möglicherweise auch problematisch in der momentanen Situation, was die Schifffahrt generell anbelangt?

Tassilo Schäfer (TS): Generell wird es immer schwieriger mit der Bürokratie, sage ich mal ganz einfach, zum Beispiel bei der Verkehrszulassung für die Schiffe. Alle vier Jahre werden die Schiffe ja wieder untersucht. Immer wieder gibt es neue Vorschriften. Ein Schiff, was 20 Jahre fährt, soll dann nicht mehr gut sein, weil sich wieder irgendjemand was Neues einfallen lassen hat und das kann dann viel zu oft große Umbauten und enorme Kosten bedeuten und die sind manchmal dann auch gar nicht mehr umzusetzen. Daher schaut man ein bisschen mit Bauchschmerzen auf die Entwicklung, was so diese ganze Bürokratie betrifft. Weiterhin natürlich auch Personal für die Besatzung zu kriegen. Wir brauchen in unserer Region nicht nur Kellner und Servicekräfte, sondern wir brauchen Leute mit Patenten, mit nautischen Patenten fürs Fahren und auch Matrosen und Motorenbriefe für den Matrosen, der unter Deck sind. Da kann jetzt nicht jeder einfach kommen und sagen, ich fahre hier mit, mit. Sondern es müssen schon Leute sein mit gültigen Papieren und Zertifikaten und das ist schon auch eine Herausforderung, die Schiffe richtig zu besetzen und den Vorschriften entsprechend zu besetzen.

(BB): Im Vorfeld hatten wir jetzt auch schon ein bisschen über Digitalisierung gesprochen. Hält die bei euch auch weiter Einzug oder was schwebt euch da noch vor?

Tassilo Schäfer (TS): Digitalisierung hat bei uns begonnen mit Einführung des Online-Tickets auf reederei-poschke.de. Im zweiten Jahr sind wir jetzt mit Online-Tickets. Das wird auch sehr gut angenommen und wir treiben es weiter voran, aber wir haben natürlich auch unsere ältere Kundschaft und die mag schon lieber das Ticket in der Hand oder Plakate und den Flyer. Wenn er in der Ferienwohnung liegt oder auch zu Hause liegt, lesen sie sich den immer noch gerne durch. Also wir versuchen eine gesunde Mischung zu bekommen, um alle Gäste zu erreichen und nach wie vor wird es immer möglich sein, an Bord Bar zu bezahlen für die ältere Generation und für die Jüngere, entweder elektronisch oder halt mit Online-Ticket.

(BB): Wenn du über die Zukunft nachdenkst, wo siehst du dich und die Reederei Poschke in 10 Jahren?

Tassilo Schäfer (TS): Ich hoffe immer noch auf den Boddengewässern, vor Fischland, Darß, Zingst, unterwegs mit der gleichen Anzahl der Schiffe, beziehungsweise vielleicht sogar noch etwas größer und auf noch mehr Routen. Es wäre natürlich der Traum, dass die Fahrgastzahlen stabil bleiben, damit wir weiter unser Tagesgeschäft erarbeiten können und auch die Schiffe halten können mit dem Zustand, den in dem sie im Augenblick sind.

(BB): Vielen Dank, Tassilo, für diese interessanten Einblicke in deine Arbeit und die Reederei Poschke. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und eine erfolgreiche Zukunft.

Tassilo Schäfer (TS): Danke, gerne. Es war mir eine Freude, euch an Bord begrüßen zu dürfen.