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Barther Boddenblick
Ausgabe 11/2024
Nichtamtlicher Teil
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Exponat des Monats im Vineta-Museum

Meistermarke von Niclas Hermann Röhder links, Stadtmarke rechts

links Stralsunder Stadtzeichen, rechts Meisterzeichen Johann Nicolaus Rehder

Zunftzeichen der Maurer auf dem Deckel der Kanne

Die abgebildete Kanne wurde aus Zinn gefertigt und zeichnet sich durch ihre feinen Gravuren aus. Sie besitzt eine gekantete Schnaupe, einen breiten Bandhenkel sowie einen konisch zulaufenden Korpus, der auf einem leicht ausgestellten Stand ruht. Der Deckel ist mit einem Scharnier versehen und verfügt über einen Kugeldrücker. Auf dem Deckel befinden sich gravierte Symbole der Maurerzunft - Maurerhammer, Maurerkelle, Zirkel und Winkel - sowie die Inschrift „Das Gewerck der Maurer“. Die Zunftkanne ist eine Dauerleihgabe des Barther Heimatvereins. Anhand der Stadtmarke von Barth, die sowohl im Boden als auch auf dem Henkelrücken zu finden ist und den Männerkopf mit drei Fischen im geteilten Schild darstellt, sowie der Meistermarke mit einem springenden Reh und den Initialen „NHR“, kann der Barther Zinngießer Niclas Hermann Röhder als Hersteller identifiziert werden. Dadurch lässt sich die Kanne auf Mitte des 18. Jahrhunderts datieren.

Niclas Hermann Röhder ist (geb. 1730, gest. 19. März 1812) war ab 1763 als Kannegießer in Barth tätig. Sein Eintrag im Bürgerbuch als civis filius (Sohn eines Bürgers) beweist, dass Röhder aus einer traditionsreichen Familie von Zinngießern stammte. Sein Vater war demnach Jürgen Ulrich Röhder, „Zinnes-Gießer“ seit 1729. Der Nachname im Bürgerbuch wurde „Räder“ geschrieben, hier kann es sich wohl um einen Fehler in der Schreibweise handeln, zumal in den Einwohnerverzeichnissen die Einträge des Sohns 1804 „Röder“ und 1805 „Röhder“ lauten, es also schon einige Verwirrung aufgrund dieses Nachnamens zu seinen Lebzeiten gegeben zu haben scheint.

Zeitgleich mit dem Beginn seiner Arbeit als Kannegießer um 1763 begann auch in Stralsund sein Verwandter das gleiche Gewerbe auszuführen. Johann Nicolaus Reder (oder auch Rehder, um das Namens-Chaos zu vervollständigen) ist am 6. August Bürger in Stralsund geworden und kam von auswärts. Vielleicht war deshalb der Name hier nicht so geläufig und musste zwangsweise den pommerschen Beamten diese kreativen Schreibvarianten abverlangen. Ein verwandtschaftliches Verhältnis (wahrscheinlich Geschwister) zu unserem Barther Zinngießer kann hier nicht nur aufgrund des zeitlichen Zusammentreffens geschlussfolgert werden. Auch sind ihre jeweiligen Meistermarken mit dem „springenden Reh“ identisch. Dem Stralsunder Kannengießer-Amt waren auch die Zinngießer aus Anklam, Barth, Demmin, Greifswald, Stettin und Wolgast zugeteilt und die beiden Brüder könnten von einer Zinngießer-Familie aus Linz in Österreich stammen.

Johann heiratete im gleichen Jahr Dorothea Juliana Dinnies und war um 1800 Altermann. Er ist am 6. März 1818 in Barth gestorben und von seinen Arbeiten ist, soweit bekannt, nur ein Teller ohne Verzierung erhalten geblieben. Das klingt neben unserer Barther Zunftkanne nicht nach sehr viel, man muss aber bedenken, dass viele Zinngießer-Arbeiten die Zeit des Ersten Weltkrieges nicht überstanden haben. In den Kriegszeiten herrschte Metallmangel und eine Zwangsabgabe nötigte die Bevölkerung, alles aus Zinn und Nickel sowie Kupfer, Messing und Bronze aus ihren Haushalten zu entbehren. Der Sohn unseres Barther Kannegießers hat laut den Einwohnerverzeichnissen das Maler-Handwerk erlernt und erst ab 1848 gab es wieder einen Zinngießer namens Carl Hermann Röhder (* 1810), der Enkelsohn, der dann das Gewerbe seiner Vorfahren fortführte.

Die Zimmer- und Maurermeister in Barth, von denen es im Jahr 1680 vier gab, erhielten am 17. Januar desselben Jahres vom Rat der Stadt ihre offizielle Amtsrolle. Aus Dankbarkeit für diese Anerkennung stifteten sie dem Rathaus einen silbernen Becher und spendeten jedem der Kämmerer der Stadt die Summe von drei Mark. Neben der Zunft der Zimmerleute bestand in früheren Zeiten auch eine separate Zunft für die Maurer, die beide eigenständig ihre Tätigkeiten ausübten. Seit jeher ruhte die Verantwortung für das städtische Bauwesen auf den Schultern zweier Baudeputationen. Die erste widmete sich den Bauprojekten innerhalb der Stadtmauern, während die zweite sich um die Gebäude in den Außenbereichen und in den umliegenden Stadtdörfern kümmerte. An der Spitze dieses Systems stand der Bau-Kamerar unterstützt von ausgewählten Mitgliedern des Bürgerschaftlichen Kollegiums. Die praktische Durchführung der Bauprojekte lag in den erfahrenen Händen des Stadt-Zimmermeisters und des Stadt-Maurermeisters. Bereits im Jahr 1557 trat Kilian Hauemann das Amt des Stadt-Maurermeisters an, ausgestattet mit besonderen Privilegien: Er wohnte mietfrei, war von städtischen Pflichten befreit und durfte sogar Bier für den eigenen Bedarf brauen - allerdings ohne es ausschenken zu dürfen.

Um 1771 entschieden sich die hiesige Bürgerschaft und der Maurer-Profession zugetane Einwohner dazu, eine den aktuellen Gesetzgebungen und Zeiten entsprechende und angepasste Amtsrolle auszuarbeiten. Da es bereits zu vormaligen alten Zeiten, unter denen glorwürdigsten Hertzogen von Pommern, in unserer guten Stadt Barth eine ordentliche Gilden-Ordnung existierte und sich die Barther Maurer in den Gilden-Briefen der Städte Stralsund und Anklam schlau machten, war eine Reformierung der Innungsregeln höchste Zeit. Ein gedrucktes Exemplar dieser neuen Innungs- und Maurer-Ordnung sollte in der Amtslade verwahrt und jedem neu aufgenommen Meister verlesen und bekannt gemacht werden. Festgelegt wurde dort zuerst, dass es nie mehr als 8 Meister geben durfte, um zu garantieren, dass eine bestimmte Anzahl von Maurern auch von deren Arbeit leben und sich ernähren konnte. Vor der Aufnahme musste ein neuer Meister das Bürgerrecht erwerben, also auch den Bürgereid ablegen, Geburts- und Lehrbrief hinterlegen, das im Land gewöhnliche Meisterstück verfertigen und die Einschreibungs- und Amtsgebühren zahlen. Der letzte, aber sicherlich nicht unwichtigste Teil war dem Maurer-Amt eine Tonne Bier zu spendieren, ohne die man die Aufnahme des neuen Meisters unmöglich hätte besiegeln können. Schließlich musste jeder, der Meister werden wollte, zuvor drei Jahre lernen, drei weitere wandern und drei Meisterstücke verfertigen. Letztere konnten ein Hausgiebel, ein flämischer Schornstein und ein durchgesprengter Bogen sein. Da es aber natürlich nicht immer die Gelegenheit gab, genannte Bauwerke auszuführen, konnte auch stattdessen ein geschickter, untadelhafter Grund- und Standriss von einem massiven Gebäude, wie auch ein profil und die Specification über die dazu gehörigen Bau-Materialien und den Arbeits-Lohn gemacht werden. Die ersten beiden Altersmänner dieser neu geregelten Innung waren der Stadt-Maurermeister Christoffer Zebel und der Kirchen-Mauermeister Christian Ludwig Zobel. 1821 gab es in Barth 5 Maurermeister mit 14 ansässige Gesellen. Die beiden Zünfte der Maurer und Zimmerer wurden in der Folgezeit zu einer gemeinsamen Innung beziehungsweise zur Baugewerks-Innung zusammengelegt, was die zuvor eigenständigen Handwerke unter einer gemeinsamen Organisation vereinte. Die Amtsrolle aus dem Jahr 1835 traf die Anordnung, dass ältere Gebäude, soweit es die anfallenden Holzarbeiten betraf, ausschließlich den Zimmerleuten anvertraut werden sollten. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass Zimmerleute keine Tischlerarbeiten ausführen durften, was eine klare Abgrenzung der Handwerkskompetenzen und -rechte war. Auch besonders hervorzuheben ist aus der Rolle von 1835 die Bestimmung, dass Maurerarbeiten in Barth ausschließlich von Amtsmeistern übernommen werden durften, was den Status und die Qualifikation der Meister innerhalb des Handwerkswesens weiter unterstrich und die Aufgaben der Maurer klar regulierte. Von den Barther Maurer-Gewerk und Zinngießern gäbe es noch einiges zu berichten ...

Christian Schumacher
Vineta-Museum der Stadt Barth