Barther Marktplatz 1. Mai 1985
Einweihung Gedenkstätte Stalag Luft I 1985
Gedenkstätte Stalag Luft I 2025
Gedenktafel seit 1996 (Bearbeitet und Hochgeladen von: WSee, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
Über unsere internationale Gedenkveranstaltung vom 8. bis 10. Mai 2025 anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Barth und des Stalag Luft I haben wir bereits im Barther Boddenblick vom Juni 2025 berichtet [1]. Nun soll außerdem an zwei weitere Jahrestage erinnert werden: zum einen an die Errichtung des Kriegsgefangenenlagers in Barth-Vogelsang, dem späteren Stalag Luft I, vor 85 Jahren, zum anderen an die Einweihung einer Gedenkstätte an das Lager vor 40 Jahren.
Vor 85 Jahren entstand im Juli 1940 in Barth Vogelsang ein Kriegsgefangenenlager für alliierte Luftwaffensoldaten. Es lag unmittelbarer nördlich einer weitläufigen mit diversen Luftabwehrgeschützen und anderem militärischen Gerät ausgestatteten Flakartillerieschule der deutschen Luftwaffe. Die deutsche Seite hatte die Standorte bewusst so dicht nebeneinander gewählt: Zum einen schirmte das Kasernengelände die Halbinsel mit dem Lager nach Süden ab, zum anderen sollte die Nähe zur Kaserne mögliche Bombenangriffe auf die Stadt verhindern. Tatsächlich ging dieses völkerrechtswidrige [2] Kalkül auf. Ganz Barth blieb während des gesamten Krieges von größeren Luftangriffen verschont.
Am 1. Mai 1945, nachdem die deutschen Wachmannschaften das Lager fluchtartig verlassen hatten, waren die inzwischen fast 10.000 „Kriegis“ – so nannten sich die Kriegsgefangenen selbst – plötzlich frei. Bereits am folgenden Tag übergab der ranghöchste alliierte Soldat, Colonel Hubert Zemke, der einrückenden Sowjetarmee die Verantwortung für das Lager. In Barth begegneten sich damit – ähnlich wie in Torgau an der Elbe – sowjetische Soldaten und Angehörige der westlichen Alliierten. Die Rückführung der Kriegis erfolgte schließlich vom 12. bis 15. Mai 1945 durch die US Luftwaffe. Bei dieser Luftbrücke, besser bekannt als „Operation Revival“, dienten rasch umfunktionierte B-17-Bomber als Truppentransporter. Ein Flugzeug konnte nur etwa 30 Soldaten aufnehmen. Man kann sich gut vorstellen, welch enormer logistischer Aufwand und welche präzise Planung dafür erforderlich waren.
Im Spätsommer 1984 wandte sich der US-Veteran und ehemalige Kriegsgefangene Philip Gibbons, inzwischen Inhaber eines Reiseunternehmens in Florida, an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und bat um die Erlaubnis, mit einer Gruppe ehemaliger US-Kriegsgefangener Barth zu besuchen. Er wies darauf hin, dass der 1. Mai ein Nationalfeiertag in der DDR sei und zufällig auch der Tag, an dem 1945 die Kriegsgefangenen in Stalag Luft I frei gekommen waren. Er schlug ein feierliches Gedenkprogramm vor. Im Januar 1985 genehmigte das Sekretariat des Zentralkomitees der SED den Besuch. Selbstverständlich sollten auch sowjetische Honoratioren und Veteranen daran teilnehmen. Daraufhin begannen in der DDR die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Besuch einer derart großen Gruppe von Amerikanern stellte die zuständigen Stellen in der damaligen DDR vor eine große Herausforderung, denn es war mitten im kalten Krieg und Besuchsgruppen aus dem westlichen Ausland eigentlich nicht gerne gesehen.
Am 1. Mai 1985 fand auf dem Barther Marktplatz die gewohnte Kundgebung statt. Unter den Teilnehmenden befanden sich allerdings diesmal auch die ehemaligen amerikanischen Kriegsgefangenen, teils in Begleitung ihrer Familien. Insgesamt waren 133 Gäste aus den USA angereist. Zu diesem Anlass hatten sich sehr viele Barther Bürgerinnen und Bürger versammelt. Auch die Medien waren zahlreich vertreten: Neben dem Deutschen Fernsehfunk der DDR und dem ZDF berichteten sogar amerikanische Fernsehteams vor Ort. Die Flaggen der USA – eigens aus Berlin herbeigeschafft –, der Sowjetunion und der DDR wehten über dem Platz. Es wurden Reden gehalten und Grußworte ausgetauscht. Im Anschluss bat der damalige Barther Bürgermeister Bernd Zeller zu einem Sektempfang ins Rathaus. Nach dem Mittagessen ging es für die Gäste weiter zum Gelände des einstigen Stalag Luft I, um die Gedenkstätte einzuweihen. Es wurde ein Stein mit einer Gedenktafel enthüllt, auf der stand: „Hier befreite die Sowjetarmee am 1. Mai 1945 Kriegsgefangene aus den USA und Großbritannien.“ Die Anwesenden pflanzten zudem auf jeweils drei dreieckigen Grundflächen Bäume, Stechfichten aus Colorado für die USA, russische Birken und deutsche Linden. Es drängt sich natürlich die Frage auf, warum waren die Briten und ihre Mitstreiter aus dem Commonwealth und anderen Nationen nicht dabei? Die wahrscheinlichste Antwort liegt auf der Hand, niemand hat sie eingeladen, weder die Amerikaner noch die DDR.
Am 28. September 1996 errichteten ehemalige Kriegsgefangene im Beisein von Vertretern der US-amerikanischen, kanadischen, australischen und russischen Botschaften anstelle der bisherigen Tafel einen großen Findling mit deutschen und englischen Inschriften in dem kleinen Gedenkpark. Die Texte würdigen heute alle, die damals im Lager gefangen waren. Seit 2004 ergänzt eine von uns gestaltete Infostele die Gedenkstätte, die wir im Jahr 2024 erneuert und modernisiert haben.
Die Gedenkstätte ist jederzeit zugänglich, kleine Granitpfosten markieren die Grenzen der einzelnen Teillager. Auf ihnen befinden sich QR-Codes, über die man auf unsere informative Website, https://stalagluft1.de/, gelangt.
Möchten Sie sich den spannenden ZDF-Fernsehbericht von 1985 über die Ereignisse vor 40 Jahren in Barth ansehen? Dann kommen Sie gerne in unsere DOK-Ausstellung „Barth 1933 - 1945“ im Vineta-Bürgerhaus – aber bitte stimmen Sie vorab telefonisch einen Termin mit uns ab.
DOK Barth 1933 - 1945
Bürgerhaus Barth
Papenstraße 8, 18356 Barth, Germany
Telefon +49 (0) 38231 37450
[1] siehe S.5: https://epaper.wittich.de/frontend/mvc/catalog/by-name/3408/3408_6_2025
[2] Die Genfer Konvention von 1929 regelt mit Artikel 9 unmissverständlich: „[…] kein Kriegsgefangener darf zu irgendeinem Zeitpunkt in ein Gebiet gebracht werden, in dem er dem Feuer der Kampfzone ausgesetzt wäre, oder dazu verwendet werden, durch seine Anwesenheit bestimmte Punkte oder Gebiete vor Bombardierungen zu schützen.”