Jacob Andreas Struck, Zeichnung von Claudia Weidenbach
1800 wurden in Barth bei der sogenannten Feuerfahrt durch Stadt-Maurermeister und Schornsteinfegermeister die Feuerstellen aller Häuser innerhalb der Ringmauern besichtigt. Dafür stand Ratsherr Röse mit den beiden Meistern vor der Tür des seltsamen Eremiten Struck vom Papenhof. Dieser wies die unwillkommenen Besucher ab und erklärte, dass er diese Policey-Ausübung der Stadt Barth nicht zugestehen könne. Er besäße ein für sich allein gehöriges Territorium mit einer eigenen Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit und die begehrte Revision wäre eine Einschränkung dieser Rechte. Nachdem Ratsherr Röse ihm daraufhin androhte, gerichtliche Schritte einzuleiten, erwiderte Struck nur, dass er den großen Prozess mit der Stadt nun freilich zu erwarten wüsste.
So entbrannte ein Streit zwischen ihm und der Stadt. Struck beharrte darauf, er sei im Grunde gar kein Einwohner von Barth – vielmehr stünde er der Stadt gleichberechtigt gegenüber. Wollte die Stadt bei ihm eine Revision durchführen, so könne er genauso gut das Recht beanspruchen, selbst eine Revision in der gesamten Stadt abzuhalten. Struck war fest entschlossen, die Prüfung stets und standhaft zu verweigern.
1805 war wieder Feuerfahrt und dieses Mal sah Struck die Feuerkommission ihm gegenüber unverhältnismäßig auftreten: Während man in der Stadt nur zwei oder drei Leute schickte, waren bei ihm gleich zehn Beamte erschienen. Struck ereiferte sich, dass er bei seiner Beschwerde seinerseits, alle zehn Personen zu nennen vermöge. Der Rat entgegnete, eine Prüfung sei unumgänglich, da der Papenhof innerhalb der Stadtmauern liege. Im Brandfall müssten schließlich auch die Bürger von Barth zu seiner Rettung ausrücken. Struck konterte, dass er die Revision schlechthin verweigere und er auf alle seine Feuerstellen schon selber pflichtschuldig sehen würde. Er bezeichnete den ganzen Menschenauflauf als eine eigenmächtige und feindselige Ausübung gegen seine Rechte.
Um seine Position zu untermauern, schilderte Struck die Geschichte des Papenhofes: „So ist dieses Gehöft in den allerältesten Katholischen Zeiten, ein geistliches Eigenthum gewesen; solches dann an die Barthsche |Kirche gekommen; von dieser 1589 an Herzog Bogislaus XIII verkaufet;(…)“. Von da an galt er als fürstlicher Besitz und war damit der städtischen Rechtsprechung entzogen – so wie auch das Adlige Kloster, das Borries´sche Grundstück und das Haus von Gadow in der Klosterstraße. Er fuhr fort: „(...) und vom Herzog mit allen seinen Praerogativen Freyheiten und Immunitäten auf meine vorgängige Besitzer transferiret, wovon der erstere ein Hauptmann Steding solches schon 1591 als Eigenthum bewohnet hat- die zwey letzten Besitzer aber vor mir, der Herr Kammerherr von Usedom auf Udars und sein Herr Verkäufer der Hochverehrte in dieser Königl. Regierung vorsitzende Herr Kanzler von Thun, beide auch jetzo noch im Leben sind. (...) Indessen so kann ich doch auch hier noch ein Beyspiel eines mir gleichgeachteten Jurisdictions territorii in unseren Barth nennen, wohin es die Herrn Revisoren gar nicht unternommen haben hinzugehen, nemlich das hiesige Adelige Fräulein Kloster.“
Struck beschrieb sogar noch seine häuslichen Begebenheiten, um sich die Feuer-Kommission fern zu halten: Nur ich ganz allein mit meinen zwey Dienstmädchen wohnen darin, wo dann für mich, im Winter, der eine Ofen in meiner Wohnstube nur geheitzet wird der seinen eigenen von Grund auf massiven Nebenschornstein am Küchen-Schornstein hat, welchen ich noch selbst erst habe machen lassen; und dann eine zweite sehr kleine Stube für die Mädchen, dessen Ofen in den zweyten grossen massiven Schornstein meines Hauses gehet. Ich selbst esse, solange ich hier seit 1793 wohne wie allgemein bekannt genug ist, weder zu Mittag, noch Abend in meinem Hause. Also alles wozu meine Küche bisher gebrauchet worden ist, das ist die wenige Kocherey
in meinem Hause für meine zwei Mädchen, und wenn ich höchst selten einmahl Freude habe. Ich brenne auch nur Buchen-Holz; und nur allein in den Ofen für meine Stube (…)“ Struck konnte sich nicht vorstellen, inwiefern sein massiv gebautes Gebäude eine Gefahr für die ganze Stadt und Kommune sein konnte: „Die ganze Stadt Barth hat, so viel ich weiss nur ein einziges massives Haus, das des Kaufmanns Faecks in der Langenstrasse. Alle anderen Häuser sind nur in Fachwerk gebauet; und die allermeisten Schornsteine (…) sind nicht massiv -sondern nur aus Lehmsteinen ausgeführet. Auch einen Brunnen, der seine eigene Quelle auf meinem Hofe hat, und sehr reichlich Wasser zu allen Zeiten giebt, ist stets auf meinen Hof in guten Stande, wie auch noch eine zweite Pumpe aus meinem Keller, die aber nur zur Wegschaffung des im Keller zu gewissen Zeiten sich ansammelnden Wassers darin vorhanden ist.“ Strucks weitschweifig ausführlichen Erzählungen und originellen Bemerkungen fanden bei der Königlichen Regierung keinen Anklang, die eine sofortige Gestattung zur Überprüfung seiner Feuerstellen verfügte.
Auch in Sachen militärischer Einquartierungen gab es Konflikte zwischen Stadt und Struck. Als 1806 in Barth 600 Mann einquartiert wurden, protestierte Struck gegen die Belegung seines Papenhofes mit Militär, und er bekam von der schwedischen Regierung recht. Zumal schon die Vorbesitzer, u.a. 1760 Kammerherr von Thun, von der Bequartierung ausgenommen waren.
Struck erlebte den ersten französischen Einfall in Schwedisch-Pommern, der 1807 begann, hautnah. Im Februar marschierten 400 Mann (Kavallerie, Infanterie und reitende Artillerie mit drei Kanonen) in Barth ein. Sie bezogen keine Quartiere, sondern stellten sich mit militärischer Strenge auf dem Marktplatz auf. Dort ließ man die „zehn Vornehmsten“ als Geiseln zusammenrufen, unter ihnen Struck. Vor den versammelten Bürgervertretern wurde ein Schreiben des Marschalls Mortier verlesen: Die Stadt sollte 50.000 Franken zahlen – als Strafe für die Aufhebung der sogenannten Souvegarde, des französischen Schutzrechts. Bis das Geld aufgebracht war, wurden die Geiseln abgeführt und erst nach Erfüllung dieser Forderung wieder freigelassen.
Struck arbeitete als bestellter Testamentsvollstrecker (Executor Testamenti), anscheinend vorzugsweise für das Adelige Fräuleinstift: 1807 für die verstorbene Frau Landmarschallin von Maltzahn, deren Barther Haus verkauft werden sollte; 1811 die nach langer Krankheit verstorbene Fräulein Dorothea von Liljeström aus dem Kloster in Wohnung No. 4 und ihre Schwester Maria Elisabeth; 1812 für Frau Conventualin Christina Wilhelmina von Liljeström aus der Wohnung No. 8; 1817 für die im 91sten Lebensjahre verstorbene Wilhelmina Magdalena Elisabeth von Warnstädt.
Ungefähr um 1820 muss seine Nichte Helena bei ihm eingezogen sein und kurze Zeit danach ihr Verlobter, Friedrich Oom. Ob Struck darüber erfreut war, ausgerechnet einen jener Ratsherren, mit denen er zu streiten nie müde wurde, bei sich zu Hause zu sehen, ist fraglich. Doch wahrscheinlich fanden sie einen Konsens, hinsichtlich ihres gemeinsamen Interesses für Geschichte.