Barth. Als Eva Neizer im Jahr 2021 in Barth-Süd genauer hinsah, bemerkte sie zuerst die hungrigen Katzen. Viele streunten durch den Stadtteil, suchten nach Futter, oft mit unterernährten Jungtieren im Schlepptau. Für manche Anwohner waren sie vor allem ein Ärgernis. „Das Tierelend war überall sichtbar“, sagt Neizer heute. Auf die Frage, warum niemand das Ordnungsamt informiere, hörte sie immer wieder: „Die tun sowieso nichts.“ Diese Situation war der Ausgangspunkt für eine Arbeit, die bis heute anhält.
Der entscheidende Moment kam, als sie von einer zierlichen Katzenmutter mit drei Babys erfuhr, die in einem Erdloch hinter einem Bistro lebte – ein weiterer Wurf nach einem halben Jahr, völlig erschöpft. „Da wurde mir klar, dass etwas passieren muss.“
Gemeinsam mit Irmgard Schulz, 73, gründete sie die ehrenamtliche Initiative „Barther Streunerkatzen“. Schulz, die ihr Leben lang Katzen gepflegt hat und nach dem Tod ihrer eigenen Tiere regelmäßig als Pflegestelle einspringt, arbeitet bewusst eher im Hintergrund. „Ohne sie ginge es nicht“, sagt Neizer.
Barth kämpfte schon länger mit unkontrollierter Vermehrung von Katzen. In Barth-Süd und am Waldeingang, von manchen früher „Katzendorf“ genannt, wurden Tiere zwar gefüttert, aber selten kastriert. Hinzu kamen Haushalte, die viele Tiere aufnahmen und irgendwann überfordert waren.
Bis heute treten neue Brennpunkte auf: Gartenanlagen, die Bahnhofsumgebung, einzelne Bauernhöfe oder Wohnungen, in denen Tiere nach Umzügen, Krankheit oder Todesfällen zurückgelassen werden.
Aus einer spontanen Hilfsaktion wurde ein verlässliches Netzwerk.
Die Facebook-Gruppe „Barther Streunerkatzen“ zählt inzwischen 1500 Mitglieder. Dort und am Telefon beraten Neizer und Schulz Menschen in allen möglichen Situationen: entlaufene Haustiere, Notfälle nachts, Fundkatzen, ausgesetzte Jungtiere, Transport zum Tierarzt oder Fragen rund um Pflege und Haltung.
Rund 50 Streunerkatzen werden in Barth und verschiedenen Nachbarorten regelmäßig mit Futter und Medikamenten versorgt. Dazu kommen das Reinigen von Näpfen – mangels Wasseranschluss im Katzenhaus zu Hause –, das Einsammeln von Spendendosen, Bildbearbeitung für Social Media, Sortieren und Verteilen von Sachspenden und viele Fahrten mit dem privaten Auto.
„Zwei Stunden am Tag haben wir immer“, sagt Neizer. „An manchen Tagen auch deutlich mehr.“
In vier Jahren konnten durch Spenden und die Unterstützung engagierter Tierärztinnen und Tierärzte rund 200 Katzen kastriert werden. Das Naturtierheim Ostsee e. V. in Saal und Margret Kuhlmann vom Deutschen Tierschutzbund zählen zu den wichtigsten Partnern. Über 90 Katzen konnten vermittelt werden.
Die Kosten bleiben trotz aller Hilfe eine Herausforderung. Die Spendenbereitschaft schwankt, und Futter, Medikamente und Transport schlagen regelmäßig zu Buche.
Ein deutliches Zeichen für die Bedeutung der Arbeit war 2022 der Bau eines Katzenhauses durch die Stadt Barth. Etwa 13 Tiere leben dort zeitweise, alle kastriert, gechippt und registriert. Die Stadt übernimmt die Futterkosten, während die Initiative sich um Betreuung und Instandhaltung kümmert. Ein Carport wurde mit Unterstützung örtlicher Firmen ergänzt, eine Werbetafel kam als Spende hinzu.
Neizer lobt die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und dem Ordnungsamt als verlässlich und unkompliziert.
In Supermärkten und Geschäften in Barth stehen Spendenboxen, viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an Futterstellen. Die Facebook-Gruppe dient inzwischen nicht nur dem Austausch, sondern auch der gegenseitigen Hilfe – etwa wenn es darum geht, vermisste Tiere zu finden oder Fundkatzen schnell in Sicherheit zu bringen.
Die Anerkennung der Menschen sei spürbar, sagt Neizer. „Viele verstehen inzwischen, wie wichtig es ist, hinzusehen und Verantwortung zu übernehmen.“
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