(Entwurf „Empfangsgebäude der Station Barth“ von 1882 vom 10. April bis 10. Mai im Museum)
Der letzte Neuzugang im Museum ist eine sehr interessante architektonische Zeichnung aus dem Jahre 1882. Sie zeigt einen Entwurf für das Empfangsgebäude der Station Barth- so hätte unser Barther Bahnhof aussehen können. Entworfen wurde es damals von Dr. Henry Josephy und am 27. Juni 1882 in Berlin unterschrieben. Henry Josephy, geboren am 06. September 1857 in Pietrowo bei Samter in der damaligen preußischen Provinz Posen, ist in Barth aufgewachsen.
Sein Vater Julius Josephy hatte hier seit den 1860er Jahren ein Kaufmannsgeschäft. Am 01. Dezember 1859 inserierte er in der Stralsundischen Zeitung, dass er „am hiesigen Platz ein Getreide- und Productengeschäft etabliert habe“. Auch die Bülow'sche Chronik erwähnt Josephys „Produktenhandlung“ d.h. es wurden dort nur Erzeugnisse aus der Region namentlich aus der Landwirtschaft angeboten und verkauft. Die Wohnung der Josephys war bis 1888 neben dem Gebäude des ehemaligen Postamtes in der Langen Straße.
Julius Josephy brachte nach dem Deutsch-Französischen Krieg ein kleines Heft „Uns Krieg mit den Franzos´ - 1870-71“ über Siegmund Bremers Verlag in Stralsund heraus. Es enthielt „plattdütsche Riemels (Verse)“ und wurde von Josephy u.a. an Fürst Bismarck und General Graf von Moltke verschickt, wofür ihm jeweils postalisch ein „verbindlichster Dank“ ausgesprochen wurde. Die Zeilen „Wie´t lang bekannt is öwerall- Hochmauth - kümmt jo vöern ´n Fall“ waren an Napoleon III. gerichtet und dürften Anklang beim preußischen Generalfeldmarschall gefunden haben. Obwohl es nur bei einem Heftchen geblieben ist, erhielt er später einen kleinen Eintrag in Franz Brümmers Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
Zurück zum Urheber der architektonischen Zeichnung. Henry Josephy besuchte das Grossherzogliche Friedrich-Franz-Gymnasium in Parchim, der Geburtsstadt seines Vaters. Trotz seines offensichtlichen Talents für das Architektonische ist Henry Josephy in die Fußstapfen seines Vaters getreten und Kaufmann geworden. Er war ab 1884 der Besitzer der Glashütte in Damgarten und hat dieser in den folgenden Jahren zu einem Aufschwung verholfen. Ein Brand 1902 und eine daraus resultierende Zwangsversteigerung der Glashütte markierten jedoch das Ende seiner Leitung der Glashütte, die nur noch bis 1913 Bestand hatte. Dennoch führte er die Glashütte bis zur „größten wirtschaftlichen Blüte seit Bestehen des Unternehmens“. Henry Josephy war verheiratet mit Anna Louise Ida Wilhelmine Kelting und hatte mit ihr drei gemeinsame Kinder: Hans, Margarethe und Henry. Er verstarb am 17. November 1903 in Damgarten.
Unser Exponat zeigt eine ganz und gar andere Vision, wie ein Barther Bahnhofsgebäude aussehen kann. Eine recht imposante Turmuhr mit spitzem Helmdach und Wetterfahne. Etliche Bekrönungen verzieren die Dachspitzen und -firsten. Dieser Hang zur Ausschweifung ist typisch für den Historismus, der sich damals an den vergangenen Baustilen wie z.B. Gotik oder Romanik orientierte. Auch Architekten wie Karl Friedrich Schinkel strebten die Verwendung von Backstein, Naturstein, Holz und Eisen an. Verputzte Wände wurden verschmäht und sichtbares Mauerwerk bevorzugt. Auf den Grundrissen erkennt man vier Eingänge: ein separater Seiteneingang für die Post, ein Zugang zur Wendeltreppe den Turm hoch, ein weiterer führt die Treppen hinauf zu den Wohnungen und schließlich der Haupteingang in das „Vestibul“, die Vorhalle mit Korridor.
Letztlich wurde am 1. Juli 1888, im sogenannten Dreikaiserjahr, ein im Vergleich eher schlichtes Gebäude mit Güterschuppen und Abort von den Preußischen Staatseisenbahnen eröffnet. Alles ohne Feierlichkeiten, da am 15. Juni der Kaiser Friedrich III. verstorben war und die Staatstrauer einer Einweihungsfeier entgegenstand. Es folgten weitere Entwicklungen für Barth wie etwa die Anschlüsse zu Zuckerfabrik, Gaswerk, Kornmühle, Fischfabrik und Jutespinnerei. 1895 entstanden noch die Strecken Barth - Damgarten, Barth - Stralsund und Altenpleen - Clausdorf.
(Grundrisse der Etagen mit Wartesaal für die 1. Bis 4. Klasse, Damenzimmer, Buffet und vielen mehr)