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Barther Boddenblick
Ausgabe 4/2025
Nichtamtlicher Teil
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Exponat des Monats im Vineta-Museum der Stadt Barth

Auszug aus der 16. Volkszählung der USA, 22. April 1940

Insignien, von links nach rechts: 55th Fighter Group, 343rd Fighter Squadron, 8. Luftflotte; Quelle: www.americanairmuseum.com

P-38H5-LO, Abfangjägertyp Larsons, Maschinennummer: 42-67056 / Bildquelle: wikipedia

Absturzgebiet des Jägers von Larson

Charles F. Gillette (*29.01.1924; †16.02.1976

Eine verlorene Hundemarke aus dem Stalag Luft I

Im Vergleich zur bloßen Lektüre einer bestimmten Thematik, entsteht bei einer intensiven Recherche oft eine viel tiefere Verbindung zur Geschichte und zu den Menschen, die sie geprägt haben. Dabei kann im Laufe der Zeit selbst aus einem einfachen, alten Stück Metall eine bleibende Erinnerung und ein Symbol für den Mut und die Opfer der Geschichte werden. Hier wird aus einer Hundemarke, die von einem amerikanischen Soldaten auf dem Gelände des Stalag Luft 1 in Barth zurückgelassen wurde, eine Verbindung zur Vergangenheit und kann schon die ersten Informationen für eine Spurensuche abliefern.

Der Name des Soldaten war Frank A. Larson. Seine Dienstnummer (U.S. Army Serial) war O-750626, welche uns schon verrät, dass er den Rang eines Unteroffiziers innehatte. Das "T43" steht für eine Tetanus-Impfung, die 1943 und spätestens für die Einberufung durchgeführt wurde. In der dritten Zeile wurde der nächste Verwandte benannt, in diesem Fall sein Vater Frank A. Larson Senior. Die folgenden Daten geben seine Adresse in Burley, Idaho preis. Das "P" am Ende weist seine Religionszugehörigkeit zum Protestantismus aus. Ein C würde für katholisch, ein H für jüdisch stehen.

Ein Blick in die Volkszählung (engl. Census) der USA von 1940 bestätigt uns die Angaben des "Dog Tags" und gibt Auskunft über seine Familie. Der Vater Frank Sr. war Farmer und die Mutter, Lucille E. Larson, war Verkäuferin in einem Süßwarenhandel. Frank war zum Zeitpunkt der Volkszählung 17 Jahre alt und hatte zwei jüngere Geschwister, Alice M. und John M.

Nach 2 Jahren am College erfolgte Larsons Einberufung als Flugkadett in die US Army am 04. September 1942 auf dem Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Santa Ana in Kalifornien.

Larson war Teil der 55th Fighter Group (55. Jagdgruppe), die am 20. November 1940 unter dem Namen 55th Pursuit Group (Verfolgungsgruppe) gebildet wurde. Sie wurde am 15. Januar 1941 aktiviert und von 1943 bis 1945 der 343. Jäger-Staffel zugewiesen. Der Stützpunkt war zu Larsons Zeit in Wormingford, England in der Nähe vom Cambridge. Diese Staffel war mit P-38-Abfangjägern ausgestattet, ein einsitziges Kampfflugzeug mit zwei Kolbenmotoren. Unter dem Kommando der 8. US-Luftflotte, genannt die "Mighty Eight", flogen Piloten wie Larson u.a. Langstrecken-Eskortmissionen für Bomber.

Der 21-jährige Larson war als Second Lieutenant und Kampfpilot am 31. Dezember 1943 vom Stützpunkt in England aus gestartet und über dem Golf von Biskaya, einer Bucht des Atlantischen Ozeans an der Nordküste Spaniens und der Westküste Frankreichs, im Einsatz. Der Missing Air Crew Report (MACR) 01970 dokumentiert den Bereich der Insel Groix als seine Absturzstelle. Diese Insel, südlich der Küste Frankreichs gelegen, wurde von der deutschen Wehrmacht belagert (3.400 Soldaten bis 1944) und mit Geschützen sowie einem Gefangenenlager bebaut. Um 14 Uhr wurde sein Flugzeug abgeschossen, nachdem der Funkkontakt abgebrochen war. Larson geriet hier sehr wahrscheinlich in Gefangenschaft, bevor er ins Stalag Luft I überführt wurde.

Ein Bericht aus dem MACR 01970 von Colonel Frank B. James erläutert den Hergang:

Auf der Mission vom 31. Dezember 1943 führte ich die 55. Jagdgruppe an. Unsere Mission war die Zielgebietsunterstützung in der Nähe von Saint-Jean-d’Angély (Frankreich). Ich leitete einen Flug bestehend aus Leutnant Gene Fair, Lb. Harold M. Bauer und Lt. Frank A. Larson, alle vom 343. Jagdgeschwader. Auf unserer Route stießen wir auf zwei von sechs oder acht FW 190[1], welche unsere Bomber angegriffen hatten. Eine der FW 190 griff Lt. Larson direkt von achtern an und traf dabei möglicherweise seinen linkes Triebwerk, weil er dessen Propeller in Segelstellung gebracht hatte. Wir waren bei ca. 12.000 Fuß über einem bewölkten Himmel, der bis auf etwa 2500 Fuß reichte. Lt. Larson schien ständig an Höhe zu verlieren, also ging ich in eine „S-Kurve“ über ihm, um ihn dazu zu bringen, die Höhe zu halten. Ich folgte ihn den ganzen Weg durch den bewölkten Himmel bis auf etwa 2000 Fuß hinunter. Die ganze Zeit verlor er stark an Treibstoff. Wir flogen einen nördlichen Kurs und ungefähr über Groix Island. Als ich oben war die am Ender der „S-Kurve“ war, drehte ich mich, um nach Lt. Larson zu sehen, konnte ihn aber nicht finden, er war völlig verschwunden. Aufgrund von Treibstoffknappheit war es mir unmöglich meinen Flug noch länger fortzuführen, um mich nach ihm umzusehen.

Frank B. James

Colonel, Air Corps

[1] Deutsches Jagdflugzeug, Focke-Wulf Fw 190, genannt „Würger“ (wikipedia)

Frank Arnold Larson blieb Kriegsgefangener bis Mai 1945, als die deutschen Soldaten über Nacht das Stalag Luft I verließen. Am 01. September 1946 war Larsons Hochzeit mit Dorothy Emelia Schultz in Burley (Cassia, Idaho), mit der er 60 Jahre verheiratet war. Zusammen hatten sie vier Töchter. Zuletzt hatte Larson den Rang eines Captains, hatte einige militärische Auszeichnungen wie das Purple Heart, die Prisoner-of-War-Medaille oder die Airman´s Medal, die für eine heldenhafte Tat, in der Regel unter freiwilliger Lebensgefahr aber ohne tatsächlichen Kampf, verliehen wird. Er lebte zuletzt in Denver (Colorado), wo er Inhaber einer Firma, Partitions, Inc., war und ist am 02. März 2009 mit 89 Jahren verstorben. Er wurde auf dem dortigen Militärfriedhof „Fort Logan National Cemetery“ bestattet.

Im Zuge der Gedenkveranstaltung der DOK Barth e.V. „Konzentrationslager und Kriegsgefangenenlager Stalag Luft I in Barth vor 80 Jahren“ vom 8. bis 10. Mai zeigt unser Museum an einer exponierten Stelle einen kleinen Einblick in die Kriegstagebücher und Kriegskunst der alliierten Offiziere, die während ihrer Zeit in Stalag Luft I entstanden sind. Die DOK Barth e.V. hat dem Museum dafür freundlicherweise einige Exponate zur Verfügung gestellt.

Das Kriegstagebuch von Charles Frederick Gillette, das wir schon einmal als Exponat des Monats aus der Sammlung des Museums vorgestellt haben, wird auch wieder der Öffentlichkeit präsentiert. Wir freuen uns, dass wir im vergangenen Jahr mit der Familie Gillette Kontakt aufnehmen konnten, die noch keine Kenntnis von der kleinen Hinterlassenschaft ihres Vaters und Großvaters hatte und aus diesem Anlass erstmalig hier in Barth sein werden.

Christian Schumacher
Vineta-Museum der Stadt Barth