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Barther Boddenblick
Ausgabe 4/2025
Nichtamtlicher Teil
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Wohnlager Barth-Holz 1960: Freizug und Abriss

Bei der Projektierung des um 1940 errichteten Wohnlagers Barth-Holz meinte man wohl, der Bausubstanz eines solchen Objektes keine allzu große Bedeutung beimessen zu müssen. Schließlich seien die in den Holzbaracken Unterzubringenden ja „nur“ Zwangsarbeiter aus Osteuropa und sowjetische Kriegsgefangene. Ab 1943 kamen italienische Militärinternierte hinzu.

Die mit Vorsatz vernachlässigte Bausubstanz bereiteten nach 1945 dem KWU der Stadt Barth arges Kopfzerbrechen (KWU: Kommunalwirtschaftliches Unternehmen). Denn schon bald traten vermehrt Schäden an den Gebäuden auf, deren Behebung in die Verantwortung des KWU fiel. Daher plante man im Jahr 1950 für Reparaturarbeiten 6.000 DM ein. Und hier offenbarte sich nun ein Dilemma, das die DDR während ihres ganzen Bestehens begleitete: Die niedrigen Mieten, die mit Gesetzeskraft auf dem Stand von 1938 eingefroren worden waren. Mit der Folge, dass die Mieteinnahmen den Ausgaben für Instandhaltung und Reparaturen in keinem gesunden Verhältnis gegenüberstanden.

Êin Hilfeersuchen ging am 27. Oktober 1950 an die bislang zuständige Kreisverwaltung Stralsund. Von dort kam jedoch aus dem Dezernat Finanzen umgehend eine ernüchternde kalte Dusche. Man belehrte das KWU, dass mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auf das KWU auch die Unterhaltsverpflichtung auf das KWU übergegangen sei. Mit Wirkung vom 1. Oktober hatte Stralsund nämlich die Verantwortung sowohl für das Lager Barth-Stein als für das Lager Barth-Holz an das KWU Barth abgetreten. Finanzhilfe von außerhalb durfte also nicht erwartet werden. Hat sich die Stadt hierbei etwa von der Kreisverwaltung Stralsund übertölpeln lassen? Wie dem auch sei, selbst wenn das erforderliche Geld verfügbar gewesen wäre, hätte es noch ein weiteres typisches DDR-Problem gegeben: Die Frage der Versorgung mit Materialien jeglicher Art. Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Bemerkung aus dem Bauamt vom 5. November 1950 zitiert:

„Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff. Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert. Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.

Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden. Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.“ (Stadtarchiv Barth)

In dieser Art schlug sich das KWU über die Jahre hinweg ständig mit Materialengpässen und Geldsorgen herum. Die Stadtverwaltung und das KWU berieten, wie Abhilfe geschaffen werden könne. Optimistisch ging man inzwischen davon aus, dass dem Lager nur noch eine kurze Lebensdauer beschieden sei. Es sollte allmählich geräumt und schließlich abgerissen werden. Dieser Absicht stand jedoch wiederum ein Problem im Wege: Noch immer wurden der Stadt Flüchtlinge zugewiesen, für die ebenfalls Wohnraum bereitzustellen war.

In den schlimmsten Fällen begann nun aber nach und nach die Räumung des Lagers. Wobei die Stadtverwaltung meinte, dieses Thema innerhalb eines Jahres abschließen zu können. Für eine eventuelle Sofortlösung zur Räumung hatte das KWU für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein bei der Abteilung Wirtschaft der Landesregierung in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund bereits Mittel in Höhe von 40.000 DM beantragt. In der Realität dauerte es jedoch noch weitere zehn Jahre, bis der letzte Barth-Holzer das Lager verlassen hatte.

Den bisherigen Bewohnern wurden woanders Wohnungen angeboten, besonders auch im benachbarten Barth-Stein (seit 1957 Tannenheim). Einige der Bewohner sollen sich geweigert haben dorthin umgesiedelt zu werden. Erfolg hatten die Widerständler allerdings keinen. Etwa 1960 riss man das Lager dann ab.

Die auf den Fotos abgelichteten im Wald verstreuten alten Gerätschaften geben Zeugnis von der Existenz des einstigen Lagers Barth-Holz. An einige der ehemaligen Barth-Holzer Bewohner erinnere ich mich noch.

Text und Fotos: Rüdiger Pfäffle