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Barther Boddenblick
Ausgabe 5/2024
Nichtamtlicher Teil
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Die Cholera-Epidemie in Barth um 1850

Der Arzt Dr. med. Melchert aus Grabow schrieb im September 1885 an den Geheimrat Robert Koch einen Brief, in welchem er von einem Vortrag des Barther Arztes Dr. Theodor Zaeske auf der Zweiten Cholera-Konferenz im Mai 1885 berichtete. Zaeske erläuterte auf besagter Konferenz seine Erfahrungen aus der Epidemie 1850 in Barth. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Konferenzteilnehmer besonders auf das Wasser, mit dem die Haushalte in der Stadt versorgt wurden. Die meisten Barther bezogen ihr Trinkwasser aus der Alkun-Quelle beim Sundischen Berg. Noch bis 1851 floss das Wasser in einem offenen Graben zur Stadt.

Im 19. Jahrhundert grassierte in Europ, Afrika und Asien eine Choleraepidemie. Barth war bislang davon verschont geblieben. Für den Fall, dass sie auch Barth erreichen könnte, wäre man 1849 hier nicht vorbereitet gewesen. Doch vom 21. September bis 9. Oktober 1850 traten in Barth einige sporadische Cholerafälle auf, dann war bis zum 21. Oktober eine Pause. In der Nacht dieses 21. Oktober brach die schlimme Epidemie aus, welche mit dem 9. Novovember plötzlich wieder aufhörte. In dieser Zeit starben von den ca. 5000 Einwohnern 164. Eigentümlich war, dass die Cholera ausschließlich in der kleineren östlichen Stadthälfte hauste. Die Stadt hatte damals eine Wasserleitung, welche sich am Eingang der Stadt von einem Bassin aus in drei Arme teilte. Die Epidemie wütete nur in dem Gebiet des einen, östlichen, Leitungsarmes. Häuser, die eigene Brunnen hatten, blieben verschont. Vom inzwischen eingerichteten Krankenhaus aus, das im nicht infizierten Stadtteil lag und mit Cholerakranken überfüllt war, wurde die Epidemie nicht auf die Nachbarschaft übertragen.

Für seinen Redebeitrag hatte Dr. Zaeske, um die Entstehung und Ausbreitung der Epidemie in der Stadt zu veranschaulichen und seinen Vortrag grafisch zu ergänzen, eine Karte angefertigt. Auf der Karte ist auch der Quellort verzeichnet. Derzufolge soll die Quelle nicht wie heute rechts von der Sundischen Straße gewesen sein, sondern links von der Straße, und auch weiter oben, nahe dem nördlich verlaufenden heutigen Plattenweg. Nach den Chroniken von Friedrich Oom sowie Wilhelm Bülow kann es so aber nicht gewesen sein. Wessen Darstellung ist nun richtig?

Die Zaeske-Karte zeigt, von der Quelle aus floss das Wasser im Borngraben zunächst mittels natürlichen Gefälles bis zum Friedhof, um diesen herum, und dann in ein an der Sundischen Straße befindliches Becken, den sogenannten Sumpf. Der Sumpf war 1767 von Grund auf neu gemacht worden. Hier sammelte sich das Wasser zur Klärung an und lief dann in einem verdeckten Strang bis unter das Langentor, wo es in ein ebenfalls verdecktes Bassin floss. Aus diesem gingen drei Hauptarme ab: Einer in die Badstüberstraße, welche die Hunnenstraße, den größten Teil des Marktes sowie die Kloster- und Fischerstraße versorgte. Der zweite Arm versorgte nur die Lange Straße und endete blind. Der dritte Arm versorgte die Baustraße, einen Teil der Pohlstraße und die Dammstraße.

Dr. Zaeske gibt eine recht genaue Beschreibung, wie die Brunnen beschaffen waren. Es wurde einfach ein Loch in die Erde gegraben, unten auf dem Grund ein viereckiger hölzener Boden eingelegt, der an jeder Ecke ein Loch hatte, so dass vier Pfosten hineingesteckt werden konnten. Außen wurden auf die vier Pfosten Bretter lose angelegt, die dann durch die dagegengeschüttete Erde gehalten wurden. Das Ganze verschloss man mit einem hölzernen Deckel, bedeckte ihn mit Erde, und fertig war der Brunnen. Auch die Reinigung des Borngrabens beschreibt Zaeske in seinem Redebeitrag. Sie erfolgte alle Jahre einmal. Zu diesem Zweck unterbrach man die Wasserleitung dort, wo sie aus dem Sumpf kam, sodass die Stadt von der Zufuhr abgetrennt war. Dann gingen die Arbeiter mit Hacken und Spaten über den Graben und Sumpf her und holten alles heraus, was an Schmutz darin war. Anschließend ließ man einige Stunden lang das Wasser sich wieder beruhigen. Der Verschluss wurde fortgenommen und die Stadt, die bis dahin leergelaufen war, mit neuem Wasser versorgt, das jetzt zuerst sicher nicht den Anforderungen eines guten Trinkwassers entsprochen haben dürfte. Um 1900 begann ein Umbau der hölzernen Wasserleitung.

Text und Fotos: Rüdiger Pfäffle

(Beitrag und Zeichnung wurden erarbeitet auf der Grundlage eines Zeitungsartikels aus dem Archiv Holger Friedrich)