Wenn man heute durch Barth geht, am letzten Freitagabend, kurz vor dem Kinderfest, dann ist es... stiller geworden. Weniger bunt. Weniger flatternde Wimpel an den Balkonen, weniger Luftballons an Gartenzäunen und manchmal, wenn man in eine kleine Straße schaut, denkt man: Wissen sie überhaupt, was morgen für ein Tag ist?
Früher war das anders.
Früher, in den 1980er Jahren, war es so, als würde die ganze Stadt einmal tief durchatmen und dann miteinander den Atem anhalten, vor Aufregung. Die Vorfreude begann schon Tage vorher. Kinder überlegten fieberhaft, was sie anziehen würden. Die Mädchen banden sich Blumenkränze ins Haar, echte, aus Gänseblümchen, Kornblumen oder was der Garten eben hergab. Die Jungen bastelten bunte Stäbe, an deren Enden flatterten Bänder im Wind, wie kleine Fahnen ihrer eigenen Begeisterung.
Und dann, der Morgen. Das Wecken durch die Spielleute. Trommeln und Flöten, noch ehe die Sonne richtig über dem Hafen stand. Man sprang aus dem Bett, zog sich an, rannte zur Schule, zu seiner Klasse. Dort stand man dann, aufgereiht, wartend, voller Stolz, denn heute war der Tag der Kinder. Der wichtigste Tag überhaupt.
Der Marktplatz war brechend voll. Die Erwachsenen machten Fotos, die Kinder rutschten nervös von einem Bein aufs andere. Es dauerte ja immer eine halbe Ewigkeit, bis die wichtigen Leute oben auf der Bühne ihre Reden gehalten hatten. Aber irgendwann ging es dann los. Der Zug in die Anlagen. Und dort wartete das eigentliche Fest. Spiele, Lachen, Limo und meist die Sonne im Gesicht.
Und irgendwo dazwischen, der Traum König oder Königin zu werden. Wer einen Stern mit rotem Punkt abgeschossen hatte, mit der Armbrust oder der Taube, durfte sich auf der Freilichtbühne beweisen. Und wer gekrönt wurde, war für einen Tag – nein für das ganz Jahr wirklich jemand. Ein Kind, aber im Mittelpunkt. Sichtbar. Gewollt. Zuhause wurde dann weitergefeiert. Manchmal mit der ganzen Nachbarschaft.
Bis heute hat sich gar nicht so viel verändert. Die Kinder stehen noch immer aufgeregt mit ihrer Klasse. Die Kränze sind seltener geworden, die bunten Stäbe fast verschwunden. Die Reden dauern noch immer ein bisschen zu lang und die Augen der Kinder leuchten trotzdem. Abends wird gefeiert, mit großem Konzert und noch größerer Stimmung. Der Kern aber bleibt. Es ist ein Fest für die Kinder.
Was sich verändert hat, ist oft das, was still bleibt. Es wird weniger geschmückt. Manchmal, weil man glaubt, es käme eh niemand vorbei. Oder weil man die Tradition nicht kennt, weil man neu ist in Barth. Oder, weil man denkt, das sei nicht mehr so wichtig.
Aber genau das ist es.
Es ist wichtig. Mehr denn je.
Denn wenn ein Kind morgens aufsteht, noch im Schlafanzug ans Fenster tapst, sich die Äuglein reibt und dann den ersten Blick des Tages hinauswirft, dann kann dort eine andere Welt auf es warten.
Vielleicht hängt da eine bunte Girlande über der Straße. Vielleicht tanzen Luftballons im Wind. Vielleicht hat jemand ein kleines Fähnchen in den Garten gesteckt. Vielleicht nur ein „Viel Spaß heute“-Schild am Gartenzaun.
Für das Kind bedeutet das: Heute ist ein besonderer Tag. Heute feiern wir euch.
Es spielt keine Rolle, ob der Spielmannszug vorbeizieht oder nicht.
Denn was zählt, ist dieses Gefühl. Dieses Kribbeln. Dieses „Ich bin gesehen“.
Lasst uns wieder schmücken.
Nicht, weil es Pflicht ist. Sondern weil es Freude bringt.
Nicht, weil jemand vorbeikommt. Sondern weil jemand hinsieht.
Ganz gleich, ob ihr in einer großen Straße wohnt oder in einer kleinen, ob viele Kinder vorbeigehen oder nur wenige.
Jede Girlande, jeder Ballon, jedes Zeichen zählt.
Es geht um ein Gefühl.
Ein Gefühl, das unsere Kinder verdienen.
Ein Gefühl, das wir ihnen schenken können – mit einem einzigen Luftballon.
Also, liebe Bartherinnen und Barther:
Lasst uns zeigen, was es heißt, Kind zu sein in dieser Stadt.
Lasst uns erinnern und eine Tradition weitergeben.
Das 197. Barther Kinderfest findet am Samstag, den 28.06.2025 statt.