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Barther Boddenblick
Ausgabe 8/2023
Nichtamtlicher Teil
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Von der Papen-Kollatie zum Papenhof

Abb. 1: Louis Douzette, Wirtschaftsgebäude auf dem Papenhof um 1860/70

Abb. 2

Abb.3

Abb.4

Abb. 5

Der Tag des offenen Denkmals, seit 1993 unter der Koordination der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum.

Am 10. September ist es wieder soweit und auch in Barth öffnen die historischen und volkskundlichen Baudenkmäler ihre Pforten. Dann wird der Papenhof hoffentlich das letzte Mal als Baustelle zu besichtigen sein bevor er dann im kommenden Jahr offiziell wieder eröffnet werden kann.

Der Papenhof früher Papen-Kollatie (lateinisch collatio: zusammenbringen oder zusammenkommen) war das Versammlungshaus der damals in der Marienkirche und im Umland tätigen Priester.

Einst in fast allen größeren Städten in Norddeutschland vorhanden, sind solche Bruderschaftshäuser heute sehr selten. Der Papenhof ist deshalb von hoher landesgeschichtlicher und denkmalkundiger Bedeutung, dessen Baugeschichte sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Schriftliche Überlieferungen aus dem Kirchenarchiv am Ende des 14. Jahrhunderts lassen sogar ein noch höheres Alter vermuten.

Der Heimatforscher Erich Gülzow datiert die ersten Nachrichten vom „Papenhof“ auf das Jahr 1388 im Testament des Priesters Hinrich Bilow (Bülow). In diesem wurde festgelegt, dass das Haus nach zwei Generationen an die Priesterbruderschaft von Barth gehen sollte. Nach den Befunden des jetzigen Baus stammen die ältesten erhalten gebliebenen Teile des Gebäudes, die beiden Giebelseiten und die Umfassungswände des Kellers, aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.

Nachgewiesen sind zwei mittelalterliche Bauphasen des Hauses. Ferner die renaissancezeitliche Erweiterung des Hauses im Jahre 1585, welche in der für die Barther Geschichte so bedeutenden Herzogenzeit fällt.

Um 1600 wurde das Gebäude auf der Nordseite durch einen zweigeschossigen Fachwerkbau erweitert. Mit der Erweiterung des Hauses erfolgte die Errichtung eines neuen Dachstuhles, welcher in weiten Teilen noch vorhanden ist.

Um 1700 wurden die Giebeldreiecke dieses Dachstuhles abgebrochen und durch Walme ersetzt. Es erfolgten weitere Umbauten im Gebäudeinneren. Zu dieser Zeit wurden die Lehmwickeldecken im östlichen und westlichen Kernbau eingefügt.

„Nach der Einführung der Reformation in Barth im Jahre 1533 ist das Haus dann in den unmittelbaren Besitz der Kirche gekommen, von dieser aber 1589 an den Herzog Bogislaw XIII., den großen Förderer der Stadt Barth, verkauft worden.“ Nachdem der Herzog den Papenhof seinem Amtshauptmann Jochim von Steding als Wohnhaus überlassen hatte, ist das Gehöft in mancherlei Hände der umliegenden Adelsfamilien gelangt: von Pucher, von Klinckowstroem, von Dewitz, von Gadow und von Thun sind einige der Namen, die dort ihren Wohnsitz oder ihr städtisches Quartier nahmen.

Im Jahre 1792 kaufte es Jakob Andreas Struck (1743-1830, der Sohn des Greifswalder Buchdruckers, der 1759 nach Stralsund übersiedelte und dort die älteste Zeitung Pommerns die Stralsundische Zeitung begründet hatte. Seine Nichte Helene heiratete den Barther Bürgermeister Friedrich Oom (1793-1849), den Verfasser einer frühen Chronik von Barth. Oom machte aus dem Papenhof ein Familienfideikommiß. Seiner Tochter Maria war die Gattin von Ludwig Holtz (1824-1907), dem Gründer des Barther Vorschußvereins (Kenzer Kasse) und ein bedeutender Naturforscher. (…) Nach 1874 war der Papenhof vermietet u.a. an Stadtmusikus Campowsky, Amtsrichter Ortmann, Stadtarzt Dr. Zaeske, Amtsrichter Schmid (Segelschmid genannt), Liphardt, Dr. Frederichs und Kaufmann Ernst Friedrichs. Seit 1939 wohnte dort ein Urenkel Ooms, Prof. Johannes Brandt.“

Das Bauwerk steht im engen städtebaulichen Kontext mit der St. Marienkirche und dem Dammtor. Es wurden wertvolle Fragmente aus dem Mittelalter und weiteren Umbauphasen insbesondere der Renaissance erhalten, auch der einzige Fund einer Fensterzarge aus dem 16. Jahrhundert. Das sind einzigartige Zeugnisse für das Land Mecklenburg-Vorpommern und den gesamten Ostseeraum. Der vorliegende mittelalterliche Gebäudetypus des Hauses einer Priesterbruderschaft ist in Norddeutschland kaum erforscht und besitzt hohen Seltenheitswert. Er lässt sich am ehesten mit der im zweiten Weltkrieg zerstörten ehemaligen Alten Schule in Wismar und der Schule vor St. Nikolai in Stralsund vergleichen und erweist sich zunehmend als ein Forschungsbindeglied zwischen diesen in Welterbestätten gelegenen Bauten. Als Sonderbau geistlicher Bautätigkeit ist er ein wichtiges Denkmal im südlichen Ostseeraum. Das Gebäude vermittelt einen plastischen Eindruck von der Wohnkultur des 16. Jahrhunderts im Umfeld des pommerschen Herzogshofes.

Der heute gängige Name „Papenhof“ erscheint erstmals 1863 in einem Schreiben des Barther Magistrats über die steuerfreien Grundstücke in Barth. Auch die Gebäudesteuerrolle der Stadt Barth von 1868 erwähnt den Papenhof im Besitz der Bürgermeisterwitwe Helene Oom, geb. Struck.

Der Barther „Papenhof“ kann daher als identisch mit dem „Kollatienhaus“ des späten Mittelalters und mit der „Papenkollatie“ der frühen Neuzeit angesehen werden. Der „Hofcharakter“ des großzügigen Papenhof-Grundstücks im 19. Jahrhundert (mit der Hoffläche und dem weitläufigen Gartenareal, Abb.2) lässt sich auf den überlieferten Darstellungen seit 1850 ablesen. So standen nachweislich rechts und links vom Papenhof in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts jeweils ein zweigeschossiges Wirtschaftsgebäude mit Satteldach.

Die älteste Abbildung dieser Gebäude hinter dem Turm der Marienkirche und dem Papenhof stammt von Louis Douzette und ist dem Museum der Stadt 2021 mit dem Nachlass übergeben worden (Abb.1).

Einige historische Fotos zeigen diese Gebäude, so das Wirtschaftsgebäude rechts vom Papenhof mit dem Turm der Marienkirche im Hintergrund und Hühner fütternden Kindern im Vordergrund (Abb. 3, um 1950).

Oder das zweigeschossige Wirtschaftsgebäude mit Satteldach links vom Papenhof (auf Abb. 4 dunkelschwarz im Hintergrund, wo heute der Papenhofanbau steht). Am rechten hinteren Bildrand erkennt man das alte Schulgebäude (heute Vineta-Bürgerhaus).

Dieses Wirtschaftsgebäude des Papenhofs ist auch auf einem Foto aus der Perspektive der Papenstraße gesehen gut im Hintergrund erkennbar (Abb. 5: hinter und neben dem Gitter des Marienkirchhofs). Der aus der der zukünftigen Nutzung des Papenhofs notwendig gewordene Anbau antwortet damit auf die Lage und Kubatur des vorherigen alten Gebäudes an diesem Ort.

Zukünftig soll der Papenhof einen wesentlichen Baustein für den Barther Kulturverbund bilden. Das vorgesehene museale Nutzungskonzept zwischen den in unmittelbarer Nähe gelegenen Denkmalen St. Marien und Dammtor verleiht dem Objekt künftig im städtebaulichen Kontext auch eine besondere touristische und kulturhistorische Wertigkeit, die überregional wahrgenommen werden wird.

Gerd Albrecht, Christian Schumacher