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Barther Boddenblick
Ausgabe 8/2023
Nichtamtlicher Teil
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Noch einmal zum Thema Vinetarium

(c) VS - Auf dem Vinetariumsgelände lässt Investor Michael Budzinski alte Betonfundamente der früheren Fischfabrik entfernen.

(c) VS

Barth. Nachdem im Zusammenhang mit der Vinetariums-Thematik bisher fast ausschließlich die Standpunkte der Rathauskritiker an die Öffentlichkeit gelangt sind, soll an dieser Stelle auch die Rathausspitze Gelegenheit erhalten, ihre Handlungsweise zu erklären.

Eine Reihe im Hintergrund laufender Aktivitäten gegen Bürgermeister Friedrich-Carl Hellwig und seinen ersten Stellvertreter, den Bauamtsleiter Manfred Kubitz, endeten mit einer gescheiterten Unterschriftenliste, mit der die Unzufriedenheit mit dem Stadtoberhaupt zum Ausdruck gebracht werden sollte, sowie einem plötzlich aufgetauchten und ebenso schnell zurückgezogenen Abwahlantrag gegen Manfred Kubitz als seinem Ersten Stellvertreter. Die Liste hatten nur zehn der 20 Abgeordneten unterschrieben.

Die Initiatoren hatten ihre Liste offenbar nur jenen Stadtvertretern vorgelegt, von denen sie Unterstützung erwarteten. Anders lässt sich eine Äußerung von Peter Papenhagen (SPD) nicht deuten, der während der letzten Stadtvertretersitzung zum ersten Mal von der „ominösen Liste“ gehört haben will.

Kern der Vorwürfe war eine Unterschrift beider Rathausmitarbeiter unter eine Erklärung des umstrittenen Investors Michael Budzinski (siehe unten), der auf dem einstigen Fischfabriksgelände einen Freizeitkomplex, das sogenannte „Vinetarium“, errichten möchte. Umstritten deshalb, weil der Investor bis heute keine ausreichende Finanzierungsbestätigung eines anerkannten Kreditinstitutes vorlegen konnte, was aber 2017 Voraussetzung für die Einwilligung der Stadtvertretung zum zweckgebundenen Verkauf der Immobilie gewesen war. Eine Änderung des spezifischen Bebauungsplanes nach Maßgabe des Investors endete am 5. März 2021 mit der Erteilung der abschließenden Baugenehmigung. Ab diesem Zeitpunkt hätte Michael Budzinski ein Jahr lang Zeit gehabt, um tatsächlich mit dem Bau zu beginnen.

Ohnehin wurde das Gelingen des Projektes aufgrund der stark anziehenden Bau- und Energiepreise von Stadtvertretung und Rathaus immer mehr in Zweifel gezogen. Aus diesem Grund wurde nach Verstreichen der Jahresfrist der Beschluss gefasst, vom einst vereinbarten Rückkaufsrecht Gebrauch zu machen. Gleichzeitig wurde ein Baustopp verhängt, um den Rückkaufwert nicht durch fortschreitende Erschließungsarbeiten in die Höhe zu treiben. In der Folge ergab sich eine Auseinandersetzung zwischen einigen Stadtvertretern und dem Bürgermeister um die Art und Weise, wie das Rückkaufsrecht auszuüben sei. „Dabei ging es nie darum, ob vom Rückkaufsrecht Gebrauch gemacht werden soll, sondern ausschließlich um das Wie“, stellte Hellwig nun klar.

Parallel dazu wurden Bürgermeister und Bauamtsleiter mit dem Vorwurf einiger Barther Stadtvertreter konfrontiert, sie hätten mit ihrer Unterschrift unter eine notarielle Erklärung das Filetstück am Hafen ohne vorherigen Beschluss der Stadtvertretung dem Investor „in den Rachen geworfen“.

Diese Erklärung bezog sich eigentlich nur auf eine einvernehmliche Vorhabensänderung, nämlich die Umwandlung von Kinosälen in Konferenzräume. Mit diesem Dokument unterschrieben Hellwig und Kubitz unbedachter Weise auch einen mit vorgelegten Inhaber-Pfandbrief über 33 Millionen Euro. Der Bürgermeister bezweifelt jedoch, dass dadurch ein materieller Schaden entstanden ist.

Die oben genannte Summe bezieht sich übrigens nicht auf den Grundstückswert, sondern auf den des komplett fertiggestellten Vinetariums nach heutiger Kostenrechnung. „Die große Frage ist nun, ob wirklich ein Nachteil für die Stadt Barth entstanden ist“, so Hellwig.

Weil der Bürgermeister den Vorwurf der Begünstigung des Investors nicht auf sich sitzen lassen möchte, hat er die Kommunalaufsicht des Landkreises als Kontrollinstanz gebeten, den Sachverhalt auf seine kommunalrechtliche Zulässigkeit zu prüfen. Ein Stellungnahme der Behörde steht noch aus.

Der eigentliche Schaden, der im Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Rathausspitze und Teilen der Stadtvertretung entstanden ist, liegt nach Auffassung einiger Stadtvertreter in der beschädigten Außenwirkung der Stadt Barth. Nach dem eingetretenen Kommunikationsdesaster müsse es Vorrang haben, wieder Geschlossenheit zu zeigen.

Ein Anfang könnte die Aussprache im Anschluss an die letzte Stadtvertretersitzung am 29. Juni gewesen sein. Diese betrachteten die Initiatoren des Misstrauensvotums - u. a. die Stadtvertreter Michael Schossow (Bürger für Barth), Christian Kirsch (Freie Wähler) und Holger Friedrich (SPD) - trotz der fehlenden Mehrheit als Erfolg ihrer Bemühungen.

Schon während des öffentlichen Sitzungsteils hatte sich Stadtvertreter Dirk Leistner (Freie Wähler) über die medialen Alleingänge einiger Stadtvertreter erregt, durch die in der Vergangenheit immer wieder Interna nach außen gelangt wären.

Ebenfalls im öffentlichen Teil hatte Friedrich-Carl Hellwig eingeräumt, dass die Unterschriftensammlung durch ihn nicht unbemerkt geblieben sei. Er zeigte sich verwundert, dass zu Gesprächsrunden eingeladen werde, die es laut Hauptsatzung als Geschäftsordnung der Stadt gar nicht gebe. Man habe es nicht einmal für nötig befunden, ihn als Bürgermeister dazu einzuladen. Ebenso wenig habe er jemals sinnvolle, an ihn gerichtete Kritik vernommen oder einen Anruf erhalten, reagierte er auf das Taktieren hinter seinem Rücken. „Genau das ist der Grund, aus dem wir am Ende zu solchen Listen kommen.“

Während der späteren Aussprache, anlässlich derer selbst die Mitarbeiter der Verwaltung aus dem Raum verwiesen wurden, brachte der Bürgermeister dieses Argument erneut an, wie er später berichtete. „Ich habe dort verdeutlicht, dass ich ein klärendes Gespräch zum richtigen Zeitpunkt sinnvoller gefunden hätte. In diesem Falle wäre kein Porzellan durch die negative Außenwirkung zerschlagen worden.“

Auch Stadtvertreter Andi Wallis (SPD) berichtete über seinen Standpunkt, den er während der Aussprache vertreten habe. Für das Misstrauensvotum hätte man sich einer vorgedruckten Liste bedient, auf der die Stadtvertreter die Frage, ob sie der Arbeit des Bürgermeisters noch vertrauten, mit ihrer Unterschrift in der Spalte „ja“ oder „nein“ beantworten sollten. Allerdings wäre sie nur Stadtvertretern vorgelegt worden, die bei „nein“ unterschreiben wollten. Unter anderem habe das gesamte Stadtpräsidium mit „nein“ gestimmt. Eigentlich sollte das Thema auf Antrag von Frank Schröter (CDU) im nicht öffentlichen Sitzungsteil behandelt werden, doch Christian Kirsch hätte es dann mit der Übergabe der Liste an den Bürgermeister in den öffentlichen Teil gezerrt. Er selbst (Andi Wallis) habe dann in der Aussprache darum gebeten, solche Themen zukünftig mit Bedacht zu behandeln und eine vermittelnde Position einzunehmen. So vorzugehen, wäre eigentlich die Pflicht der ins Präsidium gewählten Stadtvertreter, der sie nicht nachgekommen sind. „Ich bin schwer enttäuscht, dass es bei uns so läuft.“

Für viel Verwunderung sorgen seit Mitte Juli die massiven Erdarbeiten auf dem Fischfabriksgelände, in deren Folge sich dort mitten in der Hauptsaison ein Aushubgebirge auftürmt. Für Michael Budzinski ist die Fortsetzung seiner Bautätigkeit möglich geworden, weil das OLG Rostock den zuvor vom LG Stralsund bestätigten Baustopp der Stadt Barth aufgehoben hat. Das OLG sei dabei gar nicht auf den inhaltlichen Sachverhalt eingegangen, sondern habe seine Entscheidung mit einen formalen Fehler begründet, berichtete Hellwig. „Als die einjährige Frist für den Baubeginn verstrichen war, haben wir gegenüber Budzinski unser Wiederkaufsrecht erklärt, was durch das Landgericht auch bestätigt wurde. Allerdings hätte das gegenüber beiden Firmen Budzinkis geschehen müssen, die einst unsere Vertragspartner gewesen sind. Zwar existiert eine davon nicht mehr, weil sie in eine dritte übergegangen ist, doch auch diese hätte eine Erklärung erhalten müssen.“ Ein materieller Schaden konnte bisher nicht festgestellt werden“, versicherte Hellwig nochmals.

Für die weitere Rechtsvertretung der Stadt haben sich Bürgermeister und Stadtvertretung darauf verständigt, außerhalb des Einzugsbereiches von Barth ansässige Anwälte zu beauftragen, die weder berufliche noch private Verbindungen zur Stadt haben. Sie werden ihre Sicht der Dinge nach der Sommerpause darlegen, um auf dieser Basis ein Konzept für die weitere Vorgehensweise zu erstellen.

Volker Stephan