Die herbstliche Kranichrast ist ein beeindruckendes Naturphänomen, das jedes Jahr tausende von Naturbegeisterten in die Barther Region lockt. Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit Friedemann Bartz über dieses Theama zu sprechen, einem ehemaligen Nationalparkranger und erfahrenen Naturführer, der nicht nur Einblicke in das Leben der majestätischen Kraniche bietet, sondern auch geführte Wanderungen durch die malerische Umgebung um Barth und zu den Kranichen anbietet.
BB: Guten Tag, Herr Bartz! Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Könnten Sie uns bitte erzählen, wie es dazu kam, dass Sie mit Ihren Naturführungen begonnen haben und seit wann Sie das machen?
Friedemann Bartz: Ja, wie kam es dazu? Erst mal war ich ja jahrelang Nationalparkranger im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Durch diese Arbeit bin ich dann auch bekannt geworden und dann kamen die Touristikunternehmen auf mich zu, nachdem ich in den Ruhestand gegangen bin, und haben mich gefragt, ob ich Führungen und Vorträge machen könnte. Und da habe ich natürlich nicht Nein gesagt. Ich habe gesagt, ich mache das, weil es einfach so eine Lebensaufgabe für mich ist. Es gehört einfach zu mir, dass ich mit den Leuten unterwegs bin und ihnen die Natur so ein bisschen näher bringe. Das ist einfach ein schönes Gefühl. Und du hast die sozialen Kontakte und sitzt nicht zu Hause auf dem Sofa.
BB: Wie lange machen Sie eigentlich schon diese Naturführungen?
Friedemann Bartz: Die mache ich seit meiner Pensionierung. Da habe ich diese Tätigkeiten aufgenommen mit den Führungen und mit den Vorträgen und das war ungefähr 2014.
BB: Bei uns hier in der Region um Barth steht als Nächstes die Kranichrast an. Könnten Sie uns darüber etwas mehr erzählen?
Friedemann Bartz: Also der Kranichzug im Herbst, das ist wirklich ein besonderes Erlebnis. Das ist einfach faszinierend, wunderschön und einzigartig bei uns in der Rügen-Bock-Kirr-Region. Das ist der größte Kranichrastplatz Mitteleuropas. Und wir hatten ja 2019 den höchsten Populationszug mit 100.000 rastenden Kranichen bei uns in der Gegend. Ansonsten sind es immer so zwischen 40.000, 45.000 und 70.000 gewesen. Also es ist schon was Besonderes. Und der Kranich ist einfach ein Vogel, der die Leute fasziniert. Schon seit Jahrhunderten und nicht nur hier bei uns, sondern im Prinzip weltweit. Und der graue Kranich ist hier bei uns mittlerweile auch zu Hause. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es mittlerweile Tausende von Brutpaaren. Sie fliegen schon gar nicht mehr in die Überwinterungsgebiete nach Spanien oder Marokko, weil die Lebensbedingungen auch im Winter für sie hier optimal sind. Es gibt kaum noch Schnee und es ist nicht mehr so kalt. Sie finden genug zu fressen, bleiben hier und nehmen nicht mehr die Strapazen auf sich.
Der Kranichzug ist einfach eine Faszination, so etwas hier bei uns beobachten zu können. Man kann das an verschiedenen Stellen sehr gut tun. Auf dem Kirr, das ist die größte Vogelschutzinsel, die wir haben im Nationalpark mit einer Größe von 370 Hektar, da stehen zwischen 10.000 und manchmal 20.000 rastende Kraniche drauf. Sie fliegen dort am Abend ein. Die Leute stehen denn auf dem Deich oder auf der Halbinsel Bresewitz und beobachten diesen Einflug. Und sie vergessen solche Momente einfach nicht mehr. Wer einmal hier war, zum Einflug, der im Herbst Abend für Abend passiert, der kommt eigentlich immer wieder. Und der zieht dann andere Leute nach sich und erzählt dann, was er hier erlebt hat und wie schön das war. Und so kommen immer mehr Leute hier bei uns in die Region. Also der Kranich, der Vogel des Glücks. Das sind einfach auch Glücksmomente für uns Menschen.
BB: Vom Prinzip her wäre die nächste Frage gewesen, was die Kranichrast in der Region um die Stadt Barth so besonders macht, aber das haben Sie letztlich schon gesagt. Gibt es noch irgendwas, was dieses Naturschauspiel speziell hier bei uns so besonders macht, was Sie noch ergänzen würden?
Friedemann Bartz: Naja, ich sag mal, man kann den abendlichen Kranich-Einflug auf die Schlafplätze beobachten. Und da gibt sind verschiedene tolle Orte dabei, ich habe ja schon einige genannt. Das ist einmal der große Kirr, das sind die Polderflächen auf der Halbinsel Bresewitz, die besonders interessant sind. Und das ist natürlich oben am Pramort und an einigen Boddenbereichen, da wo sie sich abends zur Ruhe begeben. Und man kann sie natürlich nicht nur auf den Schlafplätzen bei uns beobachten, man kann sie auch auf den Nahrungsflächen am Tag beobachten. Das heißt, da wo sie Nahrung aufnehmen, auf den Äckern, dort kann man sie auch wunderbar beobachten. Da gibt es verschiedene Aussichtspunkte, die man dafür nutzen kann. Man sollte aber auf jeden Fall daran denken, dass der Kranich ein sehr scheuer Vogel ist, dass er eine hohe Fluchtdistanz hat, ungefähr 300 Meter. Deshalb sollte man niemals versuchen, wenn man mit dem Auto unterwegs ist und die Kraniche stehen auf den Feldern dicht an der Straße, anhalten, aussteigen und zu fotografieren. Damit beunruhigen wir den Kranich. Er hebt sowieso ab und man kann ihn nicht mehr fotografieren und sieht ihn nur noch von hinten. Er wird gestört, er kann nicht so viel Nahrung aufnehmen und kann sich nicht so viele Fettreserven anfressen, die braucht er, um vernünftig und gesund auch in die Überwinterungsgebiete zu kommen. Das ist in Spanien, das ist Marokko im Norden Afrikas und das ist in Teilen von Portugal. Und dafür braucht er eben viel Kraft, das heißt, er muss viel Nahrung aufnehmen und wenn er gestört wird, kann er das nicht tun. Deswegen immer Rücksicht nehmen auf diesen wunderschönen Vogel.
BB: Sie machen das schon viele Jahre mit, haben eine gewisse Routine, aber spüren Sie da noch so eine gewisse Aufregung, wenn es wieder langsam soweit ist? Jetzt haben wir Ende August und Mitte September geht es wieder los. Freuen Sie sich jetzt schon besonders auf diese Zeit des Jahres? Ist das noch ein Highlight für Sie?
Friedemann Bartz: Also für mich ist die Kranichrast hier nie Routine, obwohl ich das ja schon viele Jahre mache, das ist ja auch mein Beruf und das ist immer wieder was Aufregendes, immer wieder was Faszinierendes, immer wieder was Neues, jeden Tag und das ist einfach, einfach wunderschön, auch für mich. Wenn du auf der Halbinsel Bresewitz stehst, dass man sie dann direkt einziehen sieht, wenn sie über die Stadt Barth und den Bodden fliegen, direkt dorthin zu ihren Schlafplätzen fliegen.
BB: Auf Ihren geführten Wanderungen durch die Natur, um Barth und zu den Kranichen, was erwartet die Teilnehmer da speziell bei Ihren Führungen und was sollten sie eventuell mitbringen?
Friedemann Bartz: Also erst erwartet sie einfach die Faszination Kranich. Und wer das noch nicht gesehen hat, der kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Auch die Leute, die schon jahrelang mit mir zu den Führungen kommen, sind immer wieder neu beeindruckt, sonst würden sie ja nicht wieder hierherkommen, um sich dieses Naturschauspiel hier mit dem Kranichzug anzusehen.
BB: Und was sie eventuell mitbringen sollten, gibt es da irgendwas, was sie mitbringen sollten?
Friedemann Bartz: Naja, wir kommen ja nicht zu nah an die Vögel ran, ich sag mal so um die 300 Meter, maximal 250 Meter vielleicht. Da ist es schon gut, wenn man sie vernünftig beobachten möchte, dass man ein Fernglas mitbringt. Aber ich selbst, ich habe ja immer ein großes Fernglas dabei, da können die Leute dann auch durchsehen. Also wenn man selbst eines mitbringt, das ist natürlich optimal. Und klar, wir sind draußen unterwegs, da wäre angemessene Kleidung schon ganz gut und feste Schuhe.
BB: Gibt es noch eine bestimmte Botschaft, die Sie als Ranger oder ehemaliger Ranger den Menschen auf Ihren geführten Wanderungen vermitteln möchten?
Friedemann Bartz: Also wenn wir in der Natur unterwegs sind, dann müssen wir uns dieser Natur einfach unterordnen. Und das heißt, wir halten das Wegegebot ein, wenn wir Hunde mitbringen, führen wir die Hunde an der Leine. Und wir genießen, dass einfach die Ruhe der Natur.
Es gibt übrigens nahezu zur gleichen Zeit ein zweites Highlight bei den Naturbeobachtungen hier bei uns in der Region, im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Die Hirschbrunft am Darßer Ort. Und das ist was ganz Besonderes dort, wenn man die Hirsche dort an dieser Stelle beobachten kann. Man kann sagen, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Die Hirsche, die auf den Dünen stehen, die dort röhren, die dort kämpfen. Und im Hintergrund hast du das Mare Baltikum, unsere wunderschöne Ostsee. Also faszinierend, einzigartig, wenn man dort den König des Darßwaldes an dieser Stelle beobachten kann. Kann ich nur jedem empfehlen, sich an den Führungen zu beteiligen, die ja auch von der Stadt Barth angeboten werden. Man vergisst es einfach nicht, dieses Erlebnis, dieses Einzigartige, dieses Faszinierende. Dort im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft am Darßer Ort. Und man kann die Hirsche dort an dieser Stelle am Darßer Ort, ich möchte das fast so nennen, aus nächster Nähe betrachten. Weil die Hirsche mit ihren Geweihen, ich nenne das immer die Insignien der Macht, die stecken ja während der Brunftzeit voller Testosteron. Und sie vergessen einfach die Gefahren, die auch durch Menschen oft entstehen für sie. Und deswegen kommt man relativ nah an diese Tiere ran und kann sie wunderbar fotografieren. Also für Fotografen ist das einfach ein Hotspot. Da sind mehrere Brunftrudel am Darßer Ort und ich weiß genau, wo stehen die starken Hirsche und kann den Leuten dann diese Giganten des Darßwaldes dort einfach vorführen.
BB: Vielen Dank, Herr Bartz, für diese interessanten Einblicke in die faszinierende Welt der Kranichrast und Naturbeobachtung in unserer Region. Es war sehr aufschlussreich, mit Ihnen zu sprechen.
Friedemann Bartz: Gern geschehen. Es war mir eine Freude, über meine Leidenschaft für die Natur und die Schönheit unserer Region zu sprechen.