(Buntblättrige Caladien/ Caladium Bicolor), 1865, aus: Curtis´s Botanical Magazine, London)
(Anzeige im Barther Adreßbuch von 1906)
Diesen Monat zeigen wir für kurze Zeit ein Exponat aus der Geschichte der Barther Gärtnerei C. L. Klissing Sohn. Die Kunst- und Handelsgärtnerei hat damals auf der Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung 1895 dieses Diplom als „ehrenvolle Anerkennung für vorzügliche Leistungen auf dem Gebiete der Pflanzenzucht“ erhalten. Dies bezieht sich auf eine Sammlung buntblättriger und einfarbiger Aspidistra, die zu den robusteren Zimmerpflanzen zählt. Das kunstvolle Diplom wurde damals in der Buch- und Steindruckerei von Julius Abel in Greifswald gefertigt. Abels Druckerei gab es dort schon um 1880 in der Bismarckstraße 32 (heute Johann-Sebastian-Bach-Straße) und verlegte die „Greifswalder Zeitung“. 1907 wurde der Buchdruckereibesitzer und Verlagsbuchhändler zum Universitätsbuchdrucker ernannt. Bei Abels erfolgte u.a. auch der Druck der Barther Stadtchronik von Bülow 1922, damals schon unter den Erben Dr. Franz Eschenhagen.
Die Gärtnerei Klissing wurde 1818 von Hermann Klissing gegründet und war eine Gemüsezucht mit Samenbau und -handel, vorzugsweise für heimische Arten. Die Klissings hatten ihr Wohn- und Geschäftsgebäude in der Chausseestraße 614 (ab 1911 Nr. 12). Hermann war mit Christiane Maria geb. Lorenz verheiratet, die nach seinem Ableben von 1826 bis 1832 die Gärtnerei leitete. Um 1830 verdiente sich die Firma auch die Bezeichnung als Kunst- und Handelsgärtnerei durch die Kultivierung von Zierpflanzen nebst Obst und Gemüse.
Ab 1832 übernahm die zweite Generation das Familienunternehmen: Carl Ludwig Klissing, der allerdings nicht nur Gärtner sondern auch Musiker war. Um 1835 hatte er noch Einnahmen als „Musikus“ aus Tanzveranstaltungen und ähnlichem. In diesem Jahr heiratete er auch Elisabeth Laß aus Löbnitz, welche wohl die eigentliche Seele der Gärtnerei gewesen ist. Es brauchte also schon immer eine weibliche Hand damit der Laden florierte. Im Lauf der nächsten Jahrzehnte erfolgten wesentliche Vergrößerungen des Betriebes wie z.B. ein eigenhändig erbautes Gewächshaus 1958. Die Blumen- und Pflanzenzucht mit Samenbau wurde ab 1861 zum Hauptgeschäftszweig.
Mit Hermann Klissing jun. begann die dritte Generation und die Umbenennung zu „C. L. Klissing Sohn“. Hermann jun. wurde am 31. Oktober 1841 in Barth geboren und absolvierte seine Lehrzeit 1856 bis 1858 bei der Handelsgärtnerei Ziegler & Bremer in Stralsund. Danach arbeitete er für zwei Jahre in der akademischen Gärtnerei Eldena bei Greifswald unter Ferdinand Jühlke. Es folgten drei Jahre in Hamburg und Reisen zu Deutschlands bekanntesten Gärtnereibetrieben. Auf einer Geschäftsreise nach Berlin 1864 entdeckte er in der Gärtnerei Benda das erste Caladium Belleymei, das erworben wurde und sich noch 1920 im Sortiment der Firma befand. Ab diesem Zeitpunkt entstand seine Liebe zur buntblättrigen Caladie, eine aus der Tropengegend Südamerikas stammende Zierpflanze, kultivierte diese mit Hingabe und machte seine Gärtnerei in Barth überregional und international bekannt. Die größten und bedeutendsten Caladien-Spezial-Kulturen Europas entstanden, die aus England und Südamerika von bekannten Züchtern gekauft und zu hunderten Neuzüchtungen vermehrt wurden. Kurioserweise wurden diese nach bekannten Personen benannt. Neue Gewächshäuser wurden erbaut sowie eine Warmwasseranlage. 1893 betrug die Fläche der Gewächshäuser 1350 qm und es wurden mittlerweile 600 Caladiensorten kultiviert: Vermehrung, Überwinterung und Versand von Knollen für einen weltweit ausgedehnten Kundenkreis.
Die Gärtnerei erntete nicht nur Obst und Gemüse sondern auch Preise: bei Internationalen Gartenbau-Ausstellungen verdiente sich Klissing die hohen und höchsten Auszeichnungen wie bspw. bei Ausstellungen der 1870er Jahre in Greifswald, Stettin und Bremen für die Georginen, Gladiolen, Canna, Begonien, Fuchsien (200 Sorten) oder Pelargonien (300 Sorten). Aus einem Katalog von 1877 ist ersichtlich, dass dort einst ganze 25 Sorten Kartoffeln und zusätzlich 15 von geringer Menge im Angebot waren. Diese wurden mit einer silbernen Extra-Medaille ausgezeichnet. Die Klissing'schen Gärten, unweit des Barther Bahnhofs, wurden 1910 durch den Bau der Darßbahn in zwei Hälften geteilt. Das für die Schienen benötigte Land wurde enteignet und ein finanzieller Ausgleich wurde zwar ausgezahlt, aber erst nach langwierigen Prozessen.
Mit dem Sohn Paul Klissing wurde ab 1913 das Unternehmen in vierter Generation weitergeführt. Nur in den Jahren des Ersten Weltkrieges übernahm nochmal Hermann die Geschäftsführung. Paul führte Anfang der 20er Jahre die ersten Kakteen als Neuzugang im Sortiment ein. Der Krieg war zwar überstanden, ein Wiederaufbau und Ausbau wurde gemacht aber nach der Inflation musste das Geschäft mit Caladien aufgegeben werden. Die hohen Ansprüche bezüglich der Wärme konnten nicht mehr erfüllt werden und die verbleibenden Caladien wurden nur noch von Hermann bis ins hohe Alter liebevoll gepflegt. Trotzdem befanden sich zu diesen Zeitpunkt in den Gewächshäusern noch einige Dekorationspflanzen, die damals schon aus den Kulturen verschwanden. Unter dem Motto „Wie die Saat, so die Ernte“ wurde die Gärtnerei Deutschlands größter Kakteen-Spezialbetrieb. Sammler in Mexiko und Brasilien sorgten für den Nachschub an Exoten darunter auch die großen runden, fast ballonartigen Kakteen, die man „Schwiegermutter-Kissen“ nennt. Die Kakteen wurden über Hamburg oder Bremen verschifft und die Zollabfertigung war jedes Mal mehrere Tage damit beschäftigt weil alles gewogen werden musste. Wie viele Stacheln sich die Zollbeamten danach aus den Fingern ziehen mussten, kann hier nur vermutet werden. Der Verkauf ins Ausland war durch Devisenverordnungen und Einfuhrverbote sehr beschränkt und Länder wie Frankreich, Italien und Polen haben die Einfuhr von Kakteen komplett untersagt. 200 Sorten Kakteen und Sukkulenten waren im Sortiment und ab 1931 auch gärtnerische Bedarfsartikel- und Werkzeuge.
Eine fünfte Generation konnte Carl Klissing dem Unternehmen nicht bescheren, da die Firma im August 1945 enteignet wurde. Aus ihr entstand später die VEG Saatzucht Zierpflanzen Barth und war als größter „Unterglasbetrieb“ der DDR mit ihren modernsten Produktionstechnologien an einer Spitzenposition in Europa. Die Anzucht von u.a. Edelnelken, Rosen und Freesien sowie der Gemüseanbau mit Gurken und Tomaten verliehen der Stadt Barth ein Markenzeichen im Bereich des Gartenbaus. In den besten Zeiten hatte der Betrieb bis zu 850 Arbeitnehmer beschäftigt und behielt große wirtschaftliche Bedeutung bis 1990.