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Barther Boddenblick
Ausgabe 9/2024
Nichtamtlicher Teil
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Exponat des Monats im Vineta-Museum

Friedrich Adolph Nobert und seine Kreisteilungsmaschine

Noberts Mentor Johann Franz Encke, Lithographie von Rudolf Hoffmann, 1857

links: Noberts selbstgebautes Mikroskop; Foto: Science Museum London / rechts: die Kreisteilmaschine

Eine bemerkenswerte Persönlichkeit aus der Geschichte der Stadt Barth ist zweifelsohne der Mechaniker, Optiker, Uhrmacher, Astronom und Erfinder Friedrich Adolph Nobert, der posthum im Jahr 2012 die Ehrenbürgerwürde verliehen bekam. Mit seinen Erfindungen mechanischer Geräte respektive den berühmt gewordenen Mikroskop-Prüfplatten verdiente er sich die Bezeichnung als Wegbereiter der modernen Mikroskopie. Bedenkt man, dass sich Nobert viele seiner Kenntnisse nicht nur schulisch sondern auch autodidaktisch angeeignet hatte, sind seine Leistungen diesbezüglich noch umso erstaunlicher.

Am 17. Januar 1806 ist er in Barth als Sohn des Uhrmachers Johann Friedrich Nobert und seiner Ehefrau Maria Elisabeth geb. Teez geboren. Sein jüngerer Bruder Ferdinand Joachim studierte Theologie und wurde später Pastor der St. Marienkirche. Friedrich jedoch wählte für sich das Handwerk des Vaters und bald schon weit darüber hinaus, obwohl er bis zu seinem 27. Lebensjahr nur dürftigen Elementarunterricht und die Ausbildung zum Uhrmacher erhalten konnte. Seine Bestrebungen um die nötigen mathematischen und physikalischen Kenntnisse zu erlangen, konnten hier nicht erfüllt werden. Sehr früh wandte er sich vom einfachen Reparieren von Uhren ab, um sich mit den höchsten Uhrmacherkünsten zu beschäftigen, wobei ihm die Werkstatt des Vaters alle nötigen Instrumente sowie seine Unterstützung lieferte. Ziel dabei war es zunächst, möglichst genaue und perfektionierte Uhren zu konstruieren, wobei er seine ersten eigenen Modelle baute. Nebenbei eignete er sich im Selbststudium elementare Mathematik an, besonders Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie. Namentlich das letztgenannte spielt eine Rolle bei der Berechnung der Zeigerbewegung, die durch die Drehung und Größe der Zahnräder beeinflusst wird. Ferner folgten Mechanik und Algebra um weiterhin selbsterlerntes theoretisches Wissen mit der technischen Praxis zu verbinden und eigene, wissenschaftliche Instrumente anzufertigen, die schon bald jenseits der Uhrmacherei lagen.

Das Jahr 1827 sollte für ihn ein entscheidend wichtiges werden, in der er durch eine Anzeige von der Gewerbeausstellung in Berlin Kenntnis erlangte und seine neueste Arbeit dorthin einschickte. Es war eine selbstgebaute Taschenuhr, deren Werk sich nicht durch Temperaturschwankung oder Lage beeinflussen ließ und eines seiner ersten Arbeiten der höheren Mechanik. Sie wurde von der Prüfungs-Kommission der Gewerbeausstellung ausgezeichnet und durch Veröffentlichungen bekannt gemacht. Dadurch erlangte Nobert die Aufmerksamkeit des berühmten Astronomen Johann Franz Encke, Leiter der Sternenwarte in Berlin. Er war seitdem für Nobert ein Mentor, der ihn durch Förderung und regelmäßigen Briefwechsel den Weg in die Welt der Wissenschaft ebnete. Dadurch erhielt er auch Zugang zu Instrumentensammlungen und Bibliotheken, besonders in Greifswald, die ihm das weitere Aneignen technischer und physikalischer Gelehrtheit ermöglichten. Schon bald erkannte er, dass für die Anfertigung einer vervollkommneten Uhr ebenso das Fach der Astronomie und deren genauen Beobachtung der Gestirne von elementarer Bedeutung sind. Eine Anschaffung astronomischer Instrumente war für Nobert einerseits nicht erschwinglich und andererseits in einem kleinen Ort wie Barth auch nirgendwo vorrätig, sodass er sich alle notwenigen Geräte selbst bauen musste.

Nach den Uhren und Chronometern folgten also auch Fernrohre nebst astronomischen Präzisionspendeluhren und Mikroskope als Instrumente made by Nobert. Damit gelang es ihm 1829 die genaue geographische Länge der Stadt Barth von seinem kleinen Zimmer in der Langen Straße aus zu bestimmen. Sein Ruf des „ungewöhnlichen Uhrmachers“ verbreitete sich schnell und ein Besuch des damaligen Oberpräsidenten der preussischen Provinz Pommern, Moritz Haubold von Schönberg, ließ nicht lange auf sich warten. Dem Auftrag einen Bericht über den Stand seiner theoretischen Kenntnisse sowie über seine bisherigen praktischen Leistungen bei ihm einzureichen, ist Nobert sofort nachgegangen. Die Belohnung dafür war ein einjähriger Kursus am Generalinstitut in Berlin auf Staatskosten, bei dem der mittlerweile 27-jährige Nobert (1833) alle Fortbildungsangebote für seine Zwecke und Wissensbedürfnisse nutzen konnte.

Seinen wissenschaftlichen Karriereschub erhielt er 1835, als er „Universitäts-Mechanikus“ in Greifswald wurde, eine Anstellung, für die er sich bereits 4 Jahre zuvor erfolglos beworben hatte. Den Titel des Mechanikus, den ihm der Kanzler der Universität Fürst Wilhelm Malte von Putbus verlieh, behielt er bis zu seiner Rückkehr nach Barth 1850. In der Greifswalder Werkstatt, besser ausgerüstet als je zuvor, konnte Nobert sein Portfolio hergestellter Geräte erweitern und stellte nun auch Spiegelsextanten sowie Waagen oder Lupen für den medizinischen Gebrauch her, welche aber nicht die weltweite öffentliche Wahrnehmung erreichten wie seine Interferenzspektrum- und Testplatten.

Genannte Interferenz-Spektrumplatten hatten sieben mikroskopisch kleine Linien, die das gesamte Spektrum des Lichts von Violett bis Rot offenbarten. Ein Grundstein für das astronomische Gebiet der Spektroskopie, in welchem die Farbe von Sternen bestimmt werden kann.

Noch weitaus bekannter und dadurch auch weltweit verbreitet wurden seine Testplatten zur Prüfung der Güte von Mikroskopen. Die Erste hat er 1845 gefertigt. Mithilfe eines Diamantschneiders, der Bestandteil seiner Kreisteilungsmaschine war, konnte er feinste Teilungen bzw. Linien ziehen, die sich im Zehntausendstel eines Millimeters befanden. Das entspricht der Größenordnung der kleinsten Bakterien bzw. größten Viren. Mittels dieser Platten wurde das sogenannte Auflösungsvermögen eines Mikroskops geprüft um damit die Leistungsfähigkeit einschätzen zu können. Vorher wurden dafür die feinen Strukturen von Schmetterlings- und Mottenflügeln bemüht. Jahrzehnte beschäftigte Nobert sich mit der Vervollkommnung des Mikroskops und der Verfeinerung der Prüfungsplatte, derer sich bewährte Beobachter in fast allen wissenschaftlichen Ländern bedient haben. Ab 1850 verweilte er wieder in Barth in seiner alten Werkstatt in der Langen Straße und arbeitete dort stets allein ohne Gehilfen. Meist „im langen Rock mit breitrandigem Hut“ ging er durch die Straßen des Städtchens und „zur Nachtzeit, wenn der Verkehr auf der Straße ruhte“, experimentierte er mit seinen optischen Geräten und feinmechanischen Instrumenten. 1852 erledigte er einen Auftrag von Ferdinand Jühlke, damals Sekretär des Gartenbau-Vereins für Vorpommern und Rügen, zur Herstellung eines Ombrometer, einem Regenmesser, der die genaue Dosierung der Wasserzufuhr der Pflanzen möglich machte. Von Noberts Hinterlassenschaft ist nicht mehr viel in Barth geblieben. Kurz nach seinem Tod 1881 ging schon seine Kreisteilmaschine nach London, wo Wissenschaftler vergeblich versuchten, die Funktions- und Bedienungsweise zu entschlüsseln. Sie befindet sich im Smithsonian Institution Washington. Eines seiner Mikroskope und einige Testplatten befinden sich im Optischen Museum in Jena. Der Verbleib seiner Medaillen und Ehrenpreise sowie eines Fotoalbums ist momentan noch unbekannt.

Christian Schumacher
Vineta-Museum der Stadt Barth