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Stargarder Zeitung
Ausgabe 1/2024
Kultur und Veranstaltungen im Stargarder Land
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Eine wiedergefundene Sage aus dem alten Stargard - Die Knechtslade bei Stargard

Der große Stein mit meinem Schlüsselbund darauf

Von Wanderern und Reisenden aus Richtung Burg Stargard fast unbemerkt, sieht man auf dem Acker gegenüber dem Busreiseunternehmen, nach Kreuzbruchhof hinüber, ein kleines Gebüsch. Vor vielen Jahren, als die heutige Asphaltstraße noch ein schmaler Landweg war, führte auch immer ein Pfad zu diesem schattigen Platz, denn einstmals standen auch größere Bäume dort. Die Bäume sind längst fort, aber der große Findling, den sie einst umstanden, liegt noch dort. In alten Zeiten ließ es sich kein Stargarder nehmen, einmal im Jahr diesen großen Stein zu berühren oder gar zu streicheln. Jeder wusste, dass es Glück bringt und dass das Geld sich länger im Beutel hält. Woher dieser alte Granit seine magischen Kräfte hat, erzählt eine Sage. Erzählt hat sie mir ein alter Stargarder, welcher kurz nach 1900 geboren war.

Es ist wohl 200 Jahre her, da stöhnte unser Vaterland unter der Knute des Kaisers Napoleon. Die Franzosen quartierten sich bei den Stargardern ein und ließen es sich gut gehen bis Kammer und Keller leer waren und den Leuten selbst kaum was blieb. Sie raubten und plünderten was das Zeug hielt. So fielen sie eines Tages, als schon das Signal zum Abmarsch geblasen wurde, auch über einen Stargarder Bauernhof her. Sie zerrten die Kisten und Kasten auf den Hof hinaus und zerschlugen sie in der Gier nach Beute. Sogar die kleinen Truhen, die Knechtsladen, in denen die Knechte und Mägde ihre wenigen Habseligkeiten verwahrten, erbrachen sie der wenigen sauer gesparten Schillinge wegen. So kamen sie auch an die Kammer der alten Magd und ein Stiefeltritt ließ die Tür aufspringen. Die weißhaarige Alte bat die Soldaten auf Knieen ihr doch das Wenige, welches sie für den Rest des Lebens zurückgelegt habe, zu lassen, doch sie konnte die kalten Herzen der Franzosen nicht erweichen. Grob wurde sie in die Ecke gestoßen. Die Diebe nahmen sich nicht die Zeit, die Lade aufzubrechen, sondern warfen sie einfach auf den Wagen und machten sich mit ihrer Beute eiligst in Richtung Friedland davon. Bis vor das Küssower Tor und den Scheunsberg hinauf folgte sie bettelnd und jammernd dem Gespann. Immer größer wurde der Abstand und als sie das Diebsgesindel in der Ferne davonziehen sah, entrang sich ihr ein gar gellender Schrei. Sie raufte sich ihr schlohweißes Haar, stampfte wütend mit dem Fuß auf und schickte der Bande einen so fürchterlichen Fluch nach, dass man ihn, um Gottes willen, nicht nachsprechen könne. Kaum hatte sich die alte Magd wieder zur Stadt gewendet, erscholl in der Ferne ein gewaltiger Donnerschlag. Die in ein Segeltuch gehüllte Beute der Franzosen verwandelte sich bei diesem Schlag in einen großen Stein, der Wagen zerbrach in tausend Stücke, die Pferde gingen durch und die Soldaten flohen mit fliegenden Haaren in alle Richtungen. Weder die Pferde noch die diebischen Franzosen wurde jemals wieder gesehen. Die alte Magd fand man wenig später vor dem Stadttor an einem Baum sitzend. Der Fluch hatte ihr die letzte Lebenskraft gekostet. Trotz der furchtbaren Zeiten begruben die Stargarder sie unter großer Anteilnahme auf dem nahen Friedhof und setzten einen Feldstein als Denkmal auf ihr Grab. Geblieben ist nur der große Stein auf dem Feld und sein fast vergessener Name, die Knechtslade.

- Ich habe den Stein übrigens auch gestreichelt und es hat mir nicht geschadet.

Nach der Erinnerung aufgeschrieben von Frank Saß