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Stargarder Zeitung
Ausgabe 10/2023
Kultur und Veranstaltungen im Stargarder Land
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Eine alte Stargarder Sage: Die Weberglocke

Bevor die Maschine die Welt eroberte, war unser Ort reich an Handwerk der Weber und Tuchmacher. Und von altersher läutete in der dunklen Jahreshälfte vom 1. Oktober bis zum 1. April des Jahres um 9 Uhr abends immer die „Weberglocke“. Ein Weber aus Stargard zog um Weihnachten herum mit seinem Linnenbolzen (ein handgewebter Ballen Leinwand) in der Kiepe auf die Dörfer, um seine mühselige Arbeit dort abzusetzen. Mochte er nun seinen Zirkel zu weit bemessen, sich bei der Kundschaft oder bei einem wärmenden Schnäpschen im Dorfkruge zulange aufgehalten haben, als er zum Heimweg rüstete, dunkelte es schon. Das letzte Hundebellen hinter ihm verscholl und die alten Weiden der Landstraße sahen ihm spukhaft entgegen. Der schneedurchweichte Schlamm des schlimmen Weges zog ihm fast die Stiefel von den Füßen. Er bog einen Richtsteig (eine Abkürzung) ab. Aber o weh, nun fing es an, in dichten und dicken Flocken zu schneien. Und dann nach einer Weile hatte er den Steig nicht mehr, und nun stolperte der Ärmste stundenlang in der Irre herum, wußte nicht mehr aus noch ein, geriet in einen tiefen Sumpf und rettete sich mit letzter Kraft auf einen Erlenstumpf. Hier erwartete er, von Schneeflocken zugedeckt und todesmatt, sein Ende. Da ertönten Glockentöne! Er raffte sich noch einmal auf, ging den Klängen nach – und fand den Heimweg. In Dankbarkeit stiftete er einen Betrag, aus dessen Erträgen in der dunklen Zeit das Läuten der Glocke bezahlt werden sollte. Und so nannte man sie noch vor wenigen Jahrzehnten „Weberglocke“.