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Stargarder Zeitung
Ausgabe 11/2023
Kultur und Veranstaltungen im Stargarder Land
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100 Jahre Jugendherberge Burg Stargard, Teil 1

Die einstigen Räumlichkeiten im Damenflügel um 1930

Seit mehr als 100 Jahren gibt es in Burg Stargard eine Jugendherberge. Die Idee zur Einrichtung von Herbergen für die Jugend hatte der deutsche Volksschullehrer Richard Schirrmann (1874-1961). Er gilt als der Gründer des Deutschen Jugendherbergswerkes.

Der Gedanke entsprang auch den Konzepten der damals aufkommenden Reformpädagogik und Jugendbewegung. Schirrmann wollte wandernden Jungen und Mädchen preisgünstige Unterkünfte zur Verfügung stellen. Auf der Burg Altena im Sauerland, welche aus dem 12. Jh. stammt, gründete Schirrmann 1912 die erste Jugendherberge der Welt.

Auch wenn es immer heißt: in Mecklenburg passiert alles 100 Jahre später; in diesem Falle vergingen nur 11 Jahre bis die Jugendherbergsbewegung auch unsere Burg erreichte.

Die Burg Stargard aus dem 13. Jh., deren Bergfried weithin sichtbar ist, überragt damals wie heute den Ort, der gern von „Sommerfrischlern“ aufgesucht wurde. Dort oben auf der Burg entstand 1923 eine der ersten Jugendherbergen im Norden Deutschlands.

Als das Jugendherbergswerk im Mecklenburgischen um 1920 noch in den Kinderschuhen steckte, fanden sich einige Aktive und Unterstützer welche sich die Lübecker Jugendherberge anschauten.

Und sie fassten den Entschluss auch in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz Jugendherbergen aufzubauen.

So entstand 1921 in Neubrandenburg der erste Ortsvorstand des Deutschen Jugendherbergswerks in Mecklenburg-Strelitz unter Vorsitz von Dr. Holländer mit Unterstützung der „Fahrenden Gesellen“.

Die ehrenamtlichen Gründer konnten in Neubrandenburg keinen geeigneten Raum für die Jugendherberge finden und sahen sich nun in der näheren Umgebung um. Sie dachten sofort an die Burg Stargard, deren Hauptgebäude, das Krumme Haus zwar 1919 durch Brand vernichtet wurde, die Burg aber noch einige für diese Zwecke geeignete Baulichkeiten aufwies.

Hier boten sich die Räumlichkeiten der ehemaligen „Herberge zur Heimat“, heutiger Damenflügel, an. Die Herberge hatte ihren Ursprung dem Ausbau des Burgturmes, um 1820, durch Landbaumeister Buttel zum Aussichtsturm, zu verdanken. Durch die herrliche einmalige Aussicht war die Burg Stargard zum Wanderziel geworden.

Das Ministerium in Neustrelitz überließ 1923 den Einrichtern der Herberge den Raum oberhalb des zweiten, inneren Tores der Burg. Der Raum hat eine Grundfläche von 7 mal 18 Metern und schien eher für ein Wandervogelnest alter Art, als für eine Jugendherberge geeignet zu sein, aber man war froh und dankbar für diesen ersten Anfang. Der nur über eine schlauchartige Steintreppe zugängliche Raum wurde hergerichtet und mit einfachsten Bettgestellen, Tischen und Bänken ausgestattet. Es war die Zeit der höchsten Inflation und alle Mittel waren knapp.

Das Gut Quastenberg schenkte den jungen Leuten einige Ballen Stroh für die Strohsäcke, Frau Sievert, die Frau des „Landreiters“, so nannte man damals den Vollstreckungsbeamten des Landratsamts – spendete den Rest. So war die erste Jugendherberge fast fertig, ohne Wasserleitung aber mit der guten alten Wasserpumpe auf dem Hof und mit einfachsten sanitären Anlagen. Durch Zufall entdeckten die Einrichter der Jugendherberge, dass die Wand neben dem Herbergsraum hohl klang. Nach dem Aufstemmen fand sich ein kleiner Raum, der sich gut als Küche einrichten ließ. Es konnten sogar Fenstervorhänge und Tischdecken aus Baumwolle beschafft werden, die lange der Stolz der Jugendherberge blieben. Ein Primaner des Neubrandenburger Gymnasiums malte uns einen Fries von lustigen „Zupfgeigenhanseln“ (siehe Foto, Zupfgeige nannte man damals die Wander-Gitarre) auf die weiß gekalkte Wand und den Spruch aus einer Mecklenburgischen Tierfabel: „Wen dit Quartier nich geföllt, de treck ut!“.

Am 10. Juni 1923 kam Prof. Burkhard Schomburg, der Initiator des Lübecker Jugendherbergswerkes, nach Neubrandenburg, um als „Taufpate“ den Einweihungsfeierlichkeiten für die Jugendherberge Stargard teilzunehmen. Er hielt seinen berühmten Vortrag über seine Lapplandwanderung. Das gab zusammen mit den Liedern der Rostocker Kronacher, die sie vom „Schwalbennest“ herab sangen, einen frohen Abend in der Aula des Lyzeums in Neubrandenburg.

Am Tag darauf standen die Aktivisten auf dem Bergfried der Burg, sahen weit ins Land und freuten sich über diesen Anfangserfolg. Die Betreuung der Jugendherberge übernahm Frau Ella Sievert, die über 90 Jahre alt geworden ist. Sie hat sich bis ins hohe Alter mit großer Freude an „ihre Mädels und Jungen“ erinnert, die so gern auf der Burg einkehrten.

Zwischen 1923 und 1926 konnte zusätzlich der Pferdestall der Burg als Jugendherberge ausgebaut und dadurch der bisherige Teil der Herberge als Mädchenunterkunft benutzt werden. Das war eine erfreuliche Erweiterung der viel besuchten Herberge, denn die schöne Lage der Burg, die Stille und die Freiheit zogen immer mehr Wanderer an, von denen einige Gruppen immer wieder kamen. Der ganze Burgberg schien den Gästen zu gehören. Unvergessen blieb die Stille auf dem abendlichen Burghof, das Rufen der vielen Käuzchen und Eulen während der Nacht und das Wild, das am Morgen ganz nahe unterhalb der Burg stand. - Fortsetzung folgt..

Arbeitsgruppe Chronik
Claudia Beuthin