Das Heilig-Geist-Hospital nach der Neugründung
Die Geschichte des ältesten Hauses der Stadt von der Grundsteinlegung im Hochmittelalter bis zur Gegenwart - Folge 5
Bei der Überwindung des Einflusses der katholischen Kirche spielten die Kirchenvisitationen eine große Rolle. Sie wurden von Kommissionen durchgeführt, die vom protestantischen Bürgertum gegründet worden waren, um in der Stadt, aber besonders auf dem Lande, die materielle Lage der Geistlichen und den Zustand der Kirchengebäude und ihre Einrichtung zu kontrollieren. Erste Aufgabe war die Umgestaltung des Gottesdienstes nach den Regeln der protestantischen Konfession. Bis 1541 (Lit. 28) konnte die Kirchenvisitation das ganze Land Stargard unter ihre Kontrolle nehmen. Damit hatte sich die protestantische Kirche im Lande durchgesetzt.
Eine verhältnismäßig große Zahl von Kirchengebäuden war für den Protestantismus überflüssig geworden. Die Beseitigung der Heiligenverehrung, der Mangel an geeigneten Predigern und die oft handgreiflichen Auseinandersetzungen führten zur Beschädigung oder zum Verfall zahlreicher abseits gelegener Kirchen und Kapellen.
So war auch die Heiligen-Geist-Kapelle in Stargard ein Opfer der Reformation geworden. Der Dachstuhl war zusammengebrochen und das hölzerne Tonnengewölbe eingestürzt. Die Wohngebäude, die aus weniger widerstandsfähigem Baumaterial bestanden, waren kaum noch bewohnbar.
Aus dem mecklenburgischen Sagenschatz stammt die Sage über die Neugründung des Heilig-Geist-Hospitals im 16. Jahrhundert: Eine Prinzessin ritt einmal nach der Burg hinauf und traf zwei junge Leute, die ein Grab aushoben. Sie fragte, für wen es sein solle und die beiden wiesen auf einen dabeistehenden alten Mann hin, ihren Vater. Als die Prinzessin sich verwundert weiter erkundigte, warum sie denn jetzt schon ein Grab machten, da der Vater ja noch lebe, erwiderten sie ganz kaltblütig, dass der Alte sein Brot nicht mehr verdienen könne und nach altem Herkommen und dem alten Sprichwort: „Krup unna, krup unna, de Welt iß di gram” hier eingebuddelt werden solle. Da entsetzte sich die Prinzessin und befahl augenblicklich davon abzustehen, auch werde sie Sorge tragen, dass diese barbarische Sitte aufhöre. Und sie hielt Wort. Sie stiftete das noch heute stehende Hospital oder Armenhaus der Stadt Stargard (mit geringen Änderungen des Verfassers, nach Lit. 30).
Soweit die Sage. Aber was ist daran Dichtung und was historische Wahrheit? Das Mitleid, die christliche Verantwortung des herrschenden Adels? Ganz sicher zuerst die Not des Volkes, dessen Ausbeutung nach der Niederlage der Bauern im großen deutschen Bauernkrieg und dem Triumph der Feudalherrn so zugenommen hatte, dass man alte Menschen, die nicht mehr arbeiten konnten auch nicht mehr ernähren konnte. Im Einzelfall mag sicher auch das Mitleid und die christliche Nächstenliebe, die auch von der lutherischen Kirche gepredigt wurde, bei der Neugründung von Hospitälern eine Rolle gespielt haben.
Wie an vielen Orten waren in der Mitte des 16. Jahrhunderts auch in Stargard die Hospitäler verfallen. Die im Landeshauptarchiv Schwerin befindliche „Verordnung sampt der Matricul und Inventario des Heiligen Geist Hospitals in Alten Stargardt, ordentlich aufgerichtet und beschreiben Anno 1576 mense Decembri.“ gewährt einen wertvollen Einblick in die Struktur dieses karitativen Instituts des 16. Jahrhunderts. (Lit. 23).
Fortsetzung folgt