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Stargarder Zeitung
Ausgabe 5/2024
Kultur und Veranstaltungen im Stargarder Land
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Betriebsbesichtigung in der Flachsröste im Winter 1949/50 Teil 3

Lein oder Flachspflanze

Die Mitglieder des FDJ Chores setzen ihren Betriebsrundgang in der Volkseigenen (VE) Flachsröste fort: „Nun wollten wir sehen was inzwischen aus den Flachstängeln geworden war. Deshalb fassten wir uns ein Herz, und öffneten kurz entschlossen die Tür des Gebäudes, aus dem der durchdringende Geruch, der die ganze Flachsröste umgab, drang, und sahen zunächst gar nichts. Wir standen in einem Raum der ganz voller Dampf war. Bald erkannten wir riesige Zementbassins. Auf den Trennmauern liefen Arbeiter umher. Sie beantworteten unsere Fragen bereitwillig. In einem der Bassins befand sich weislich graues mit Blasen und Schaum bedecktes Wasser. In diesem Wasser lagen bei ca. 32 Grad C die Flachsstängel aufgeschichtet. Hier mussten sie 4-5 Tage gären. Im Nebenbassin hatte man das Wasser bereits ablaufen lassen. Wir sahen den feuchten Flachs darin, der den Gärungsprozess bereits hinter sich hatte. Ein Arbeiter erzählte, dass schon öfters jemand in die Buttersäure gefallen sei. Man konnte nicht tief einsinken, da der fest gepresste Flachs bald halt gab. Wir nahmen diese Erklärungen mit leichtem Grausen auf. Ein erfrischendes Bad war es sicherlich nicht. Man muss sich wundern wie die Menschen unter diesen Arbeitsbedingungen und bei einem solchen Geruch arbeiten konnten. Das Wasser das von oben durch die Kleidung drang und von unten durch das Wasser und die Buttersäure, war für die Gesundheit sicherlich nicht ganz unschädlich. Diese Arbeit konnte man wohl, meiner Meinung nach, als die schwerste im ganzen Betrieb bezeichnen. (1)“ Über viele Jahrhunderte hat man in fast jedem Haus Flachs nur mit einfachen Geräten verarbeitet. Im Frühjahr war die Zeit der Aussaat. Den Bauern war daran gelegen eine reiche Flachs Ernte einzubringen.

In den 1950-er Jahren hatten die Bauern in und um Burg Stargard die Pflicht, einige Hektar Flachs zusammen mit anderen wichtigen Nutzpflanzen anzubauen,denn die VE Flachsröste benötigte ausreichend Rohflachs in guter Qualität. Aus der Zeit als die jungen Frauen für die spätere Hochzeit ihre Aussteuer Leinen-Wäsche noch selbst anfertigten, stammt der Spruch: „Geblüht im Sommerwinde, gebleicht auf grüner Au, liegt still es nun im Spinde als Stolz der deutschen Frau!“ Die Wäscheausstattung der Hausfrau war der Inbegriff des Brautschatzes. Truhen und Schränke waren voll mit schweren Linnen. Die Aussteuer war in den Familien zum Teil so groß, dass sie manchmal für ein ganzes Leben reichte oder noch an nächste Generationen weitergegeben werden konnte. „Die Schüler erkannten im Laufe des Rundgangs immer mehr, dass der Flachs in der Nachkriegszeit von großer Bedeutung war, um eine funktionierende Textilindustrie aufbauen zu können, die sich größtenteils auf einheimischen Flachs-Fasern stützte. Die Schüler verfolgten nun den Weg des Flachses weiter mit dem Verarbeitungsprozess des Röstens und Trocknens der Stängel.(1)“

Quellen:

(1) D. Margit: Bericht über eine Betriebsbesichtigung in der VE Flachsröste Burg Stargard im Winter 1949/50.

Fortsetzung folgt ...

Claudia Beuthin
Ortschronistin AG Chronik