Noch 1974 waren der Windfang am Giebel und der Lokus auf der Rückseite vorhanden.
Die Geschichte des ältesten Hauses der Stadt von der Grundsteinlegung im Hochmittelalter bis zur Gegenwart - Folge 11
Von 1840 an machte sich in Stargard der Einfluss der Industrialisierung bemerkbar. Die Anzahl der Berufsgruppen in der Stadt stieg von 37 im Jahr 1840 auf etwa 50 im Jahr 1855. Auch die Einwohnerzahl wuchs von 1400 auf 1800. Wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt waren die fünf Kaufleute, die seit 1855 hier ansässig wurden. 1857 gibt es eine Walkmühle, eine Lohmühle, eine Getreidemühle, eine Oelmühle und eine Schneidemühle. Bis 1880 hatte sich die Fabrikproduktion durchgesetzt, es gab eine Dampfmühle, drei Wollspinnereien, eine Walkmühle, eine Furnierschneideanstalt, eine Branntweinbrennerei und eine Presshefefabrik. Bis 1905 kamen vier Sägewerke, eine Seidenspinnerei und eine Ziegelei hinzu. Am Beispiel der Tuchmacher zeigte sich, wie mit der Entwicklung der Manufaktur und der Fabrikproduktion der Niedergang des Handwerks verbunden war. 1840 waren es noch 27, 1857 nur noch 15 und ihre Zahl ging weiter kontinuierlich zurück - bis der Tuchmacher völlig aus der Handwerkerliste verschwand. Heute erinnert nur noch ein Straßenname an dieses einst blühende Handwerk.
Ein Zeichen für den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Reichsgründung 1871 war der Bau der Berliner Nord- Eisenbahn, welche Berlin mit Mecklenburg und den Küstenstädten verband. Dieser Bau schuf nicht nur hunderte Arbeitsplätze, sondern lockte auch viele Menschen nach Stargard, die sich bei der Bahn eine Anstellung erhofften. 1875 war die Zahl der Einwohner über 2 000 angestiegen und auch die Anzahl der Häuser (1860 waren es rund 200) war bis 1875 um 26 vermehrt worden. Die Eröffnung des Teilabschnittes der Bahn von Berlin nach Neubrandenburg fand am 10. Juli 1877 statt. Drei Jahre später pendelte sich die Zahl der Einwohner Stargards für viele Jahre auf etwa 2 300 und die Anzahl der Häuser auf etwa 230 ein. Der Einzug der Industrie, der Bahnbau und das ständige Anwachsen der Einwohnerzahl hatte aber nicht nur positive Seiten. Seit 1840 vergrößerte sich auch die Zahl derjenigen, die in die Stadtarmut abgesunken waren. Das war eine allgemeine Erscheinung in dieser Zeit, gab es doch weder Lohnregelungen, die ein Existenzminimum sicherten, noch Unterstützung bei Krankheit und im Alter. So sah sich die Stadt um 1840 genötigt, (siehe Folge 10) ein Armenhaus am Stadtrand zu bauen. Dem Stadtplan von 1723 zufolge, stand links vor dem Riepker Tor schon seit alter Zeit ein städtisches Gebäude. Es wurde umgebaut und durch ein zweites Haus ergänzt. Sie waren von der Art der Einliegerhäuser. Beide existieren heute nicht mehr. Das Hospital blieb über diese Zeit hinaus als Altenheim in Betreib. Um die Bahnlinie an Stargard heranzuführen, waren große Geländeschwierigkeiten zu überwinden, die beträchtliche Kosten verursachten. So musste beispielsweise ein Einschnitt durch den Ostabhang des Burgberges gegraben werden. Da sich die Stargarder Industriellen aber von einem Bahnanschluss ökonomische Vorteile versprachen, wurde auch das Geld für die Mehrkosten aufgebracht. Nicht so reichlich flossen die Mittel, als sich durch die Streckenführung die Notwendigkeit ergab, die Nebengelände des Hospitals abzureißen und durch einige Umbauten das Hauptgebäude, die ehemalige Kapelle, funktionstüchtig zu erhalten.
Für die abgerissenen Nebengebäude wurde kein Ersatz geschaffen. Deshalb konnten nur noch fünf Personen untergebracht werden.
Eine andere Notwendigkeit war, die durch den Einschnitt unterbrochene Verbindung zur Burg wieder herzustellen. Dazu war ein Brückenbau erforderlich, der wiederum Auswirkungen auf das Hospitalgebäude hatte. Im Bereich der Fundamente wurde das Gelände um über 50 cm erhöht. Da aber nun damit gerechnet werden musste, dass die Wände über dem Fundament Feuchtigkeit aufnehmen, wurde der Fußboden im großen Raum vorsorglich um 53 cm erhöht und nun mit einer kleinen Treppe vom Flur her zugänglich gemacht. Zur Verbesserung des Zugangs zum Abort, der sich auf der Rückseite des Gebäudes befand, wurde am Westgiebel eine Türöffnung durchgebrochen und außen mit einem Windfang versehen. Das schmale Fenster zur Straßenfront im großen Raum, verbreiterte man um mehr als das Doppelte und überwölbte es mit einem zweilagigen Ziegelsturz, der mit untergesetzten Eichenbalken begradigt wurde.
Fortsetzung folgt ...