Anzeige aus der Stargarder Zeitung 1925
Das Geschäft Thams & Garfs in der Mühlenstraße
Stargard hatte um 1900 sowie in den 1920er und 1930er Jahren viele kleine Geschäfte und Läden, die meist private Einzelhändler betrieben. Bei der Durchsicht alter Fotografien im Chronikraum stieß ich auf dem Namen Thams & Garfs. Der Laden von Thams & Garfs befand sich in der Mühlenstraße 1. Bei einem Besuch in der Neubrandenburger Regionalbibliothek 2023 entdeckte ich den Namen Friedrich Garfs aus Brühl an einer Tafel der Sonderausstellung „Gemeinsinn und Nachhaltigkeit“ der Stiftung Mecklenburg in Schwerin die in Kooperation mit dem Landesnetz der Stiftungen in Mecklenburg-Vorpommern e. V. entstanden war. Ihm Rahmen dieser Wanderausstellung ging es um das kulturelle Erbe des Stiftens in MV.
Der Kaufmann Friedrich Garfs war 1872 als Sohn eines Chausseewärter in Weitmannsdorf bei Brühl geboren. Ab 1898 besaß er einen Großhandel für Lebensmittel in Rostock. Dazu kam ab 1900 noch ein Kaffee- und Konfitürengeschäft in Stralsund. Da Deutschland ab 1884 durch sein Weltmachtstreben Kolonialmacht wurde, waren Lebensmittel und Kolonialwaren aus Afrika und Asien begehrt. Zu den Kolonialwaren zählte man Kaffee, Gewürze, Tee, Kakao, Tabak und Reis aber auch Rum, Whisky und Rohrzucker. 1896 machte Garfs die Bekanntschaft mit dem Hamburger Kaufmann und Importeur Heinrich Thams (1866-1936). Beide Unternehmer schlossen ihre Firmen 1908 zusammen und bauten im Norden Deutschlands einen Lebensmittel-Großhandel auf. Der lieferte Waren an Kaufleute und Geschäfte zum Weiterverkauf. Die Filialleiter und Kaufleute seines eigenen Unternehmens unterstützte er durch besser Konditionen beim An- und Verkauf seiner Markenprodukte. Es ist also anzunehmen das unser Geschäft in der Mühlenstraße schon nach 1908 entstanden war. Garfs eröffnete Läden u. a. in Schwerin, Plau am See, in Grabow an der Elde, in Bützow, in Saßnitz, in Bergen auf Rügen, in Neubrandenburg und in Stargard. Sowohl die Niederlassungen als auch die Filialen bezogen ihren Kaffee aus dem Kaffeelager von Thams in Hamburg. Im Volksmund war er als Thaga-Kaffee bekannt. In den Läden war es notwendig mindestens zwei Arbeitskräfte zu beschäftigen. Der Leiter kümmerte sich um die Warenbestellungen und deren Annahme und Lagerung. Eine Verkaufskraft bediente die Kundschaft im Laden. Auch Tee und Margarine sowie weitere Lebensmittel gehörten zum sogenannten Thaga-Sortiment. 1914 gab es 1200 Geschäfte im Norden. Nach dem das Deutsche Kolonialreich nach 1919 nicht mehr existierte sank die Anzahl der Läden auf 600 im Jahr 1925. Auch danach gingen die Geschäfte noch relativ gut. In einer Stargarder Zeitung von 1925 war eine Anzeige des Ladens zu finden in der man warb mit was man handelte. Neben der Filiale von Thams & Garfs befand sich das Textilwarengeschäft von Erich Sattelberg. Kaufmann Thams gründete seine Niederlassungen als eigenständige Geschäfte nach dem Franchisingprinzip und Garfs etablierte in der Region unselbstständige Filialen seines Groß-Unternehmens. Die Bürger kannten Garfs in Stargard mehr als Geschäftsinhaber und Kaufmann, weniger als Stifter. Als solchen schätzte man ihn in Brühl. Garfs stammte aus armen Verhältnissen und war als Kind das ganze Jahr über barfuß unterwegs. Er machte es sich zusammen mit seiner Ehefrau zur Aufgabe arme Kinder mit maßgeschneidertem Schuhwerk zu versorgen, das er auf eigene Kosten bei den Kindern in seinem Haus vermessen, von einem Schuster anfertigen und später den Kindern anpassen ließ.
Sein unternehmerisches Geschick befähigte ihn darauf eine Stiftung zu gründen. Durch seine erfolgreiche Geschäftstätigkeit hatte er die finanziellen Mittel dafür. Friedrich Garfs ließ 1928 in Brühl durch seine Stiftung ein dreigeschossiges Anwesen für Kriegswitwen bauen. Ein Jahr später konnten dort die ersten Bewohnerinnen einziehen. Solange gab es die Thams und Garfs Niederlassung in Stargard leider nicht mehr. 1927/28 ist sie im Adressbuch der Vorderstadt Neubrandenburg in der auch die Einwohner und Geschäftsleute von Stargard aufgeschrieben waren, nicht mehr aufgeführt. Dafür verzeichnet dieses Buch 10 Kolonialwarengeschäfte in Stargard. Friedrich Garfs starb am 16. April 1945 in Hamburg. Nach 1945 befand sich in der Mühlenstraße 2 eine Konsum-Lebensmittel-Verkaufsstelle und ein HO Haushaltswarengeschäft. Dann stand der Verkaufsraum einige Zeit leer. Nach 1990 zog eine Spar-Filiale ein und danach das Bestattungshaus Abendsonne.