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Demminer Nachrichten
Ausgabe 17/2025
Aus der Stadtverwaltung
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Ansprache von Altbürgermeister Ernst Wellmer, stellvertretender Regionalverbandsvorsitzender des Volksbundes

anlässlich des Volkstrauertages am 16.11.2025 in der Hansestadt Demmin

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Präsident der Stadtvertretung, sehr geehrte Vertreter des Landtages, des Landkreises, der Kirchen, der Bundeswehr, des Reservistenverbandes sowie des Volksbundes und des Heimatverbandes, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Demminerinnen und Demminer,

das Gedenken an die beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts und ihre zahllosen Opfer ist in Europa zur Tradition geworden; mehr noch, zu einer humanitären Verpflichtung, die auch wir hier in Demmin sehr ernst nehmen. Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges handelt es sich nicht um leere Rituale, sondern um einen integralen Bestandteil unseres Lebens. Denn erst das gelebte Bekenntnis zur Vergangenheit macht uns zu dem, was wir sind. Das gilt auch und vor allem für die dunklen Seiten der Geschichte. Wir können sie nicht abstreifen und vergessen oder gar verdrängen. Das würde bedeuten, unsere eigenen Wurzeln abzuschneiden.

Es gibt in Europa zahllose Stätten, die an die Grausamkeit und Zerstörungen der Kriege erinnern: an blutige Schlachten, aber auch an den Holocaust und die Verbrechen an Kriegsgefangenen und Angehörigen von Minderheiten. Viele dieser Erinnerungsorte waren bereits aus unserem Blickfeld verschwunden. Sie waren überwuchert von Gras, Büschen und Bäumen. Oftmals sollten diese Örtlichkeiten ganz bewusst zum Verschwinden gebracht werden, indem – wie u.a. auch hier bei uns in der Woldeforst – Wälder über ihnen gepflanzt oder Straßen und Siedlungen errichtet wurden. Nicht gedacht werden sollte der Ermordeten, der Juden, Sinti und Roma, der Widerstandskämpfer, der zahlreichen Kriegsgefangenen und anderen Opfer. Sie sollten anonym und gesichtslos aus der Erinnerung getilgt werden.

Umso wichtiger ist es, dass wir in Gedenkstunden wie heutesowohl an alle Toten der ehemaligen Kriegsgegner erinnern, als auch an die vielen Menschen, die jahrelang an den Rand gedrängt und verschwiegen wurden. Neben den offiziellen Kriegsgräber-und Gedenkstätten gibt es in Demmin daher auch einen „Garten der Erinnerung“, der ihnen gewidmet ist. Die sehr intensive Diskussion im Vorfeld seiner Errichtung und auch danach sowie die vielen Besucherinnen und Besucher nach seiner Eröffnung, aber auch die vielfältigen Veranstaltungen und Veröffentlichungen zu den schlimmen Ereignissen in unserer Heimatstadt zum Kriegsende 1945 unterstreicht noch einmal sehr deutlich, wie wichtig die Aufarbeitung dieses Geschehens, das Informieren, das Erinnern und das Gedenken waren und sind.

Unser Gedenken gilt aber immer auch den Soldaten der unterschiedlichen Kriegsparteien, ohne Ansehen ihrer Herkunft, denn sie haben ebenfalls unsäglich gelitten, wurden gequält und in den Tod getrieben. Wenn wir vor den Gräbern stehen, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen den Nationalitäten und Uniformen. Siealle wurden zu Opfern des Krieges, egal ob Russen, Deutsche, Österreicher, Polen oder Franzosen. Wobei wir insbesondere in diesem Jahr, das im Zeichen des Gedenkens an den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges steht, selbstverständlich nicht die besondere Schuld vergessen dürfen, die Deutschland mit seinem verbrecherischen Hitlerregime auf sich geladen hat.

Der Zweite Weltkrieg war „das in der Gewaltgeschichte dieser Welt wohl größte Unglück für die Menschheit“, so der Präsident des Volksbundes, Wolfgang Schneiderhan. „Rund 3,5 Prozent aller damals lebenden Menschen auf diesem Globus kamen um.“

Alles das machte und macht das schmutzige Gesicht des Krieges aus. Dieses hat nichts Edles oder Heroisches an sich. Es gibt keinen Grund, Krieg zu verherrlichen. Das gilt für die beiden großen Kriege ebenso wie für die zahlreichen bewaffneten Auseinandersetzungen, die Europa bis heute erschüttern.

Die Wurzeln dieser Katastrophen und Krisen sind in den meisten Fällen in der Vergangenheit zu suchen; in Konflikten, die nach außen hin vielleicht beigelegt erscheinen, bis sie plötzlich wieder aufbrechen in Hass und Gewalt. Das bedeutet, dass wir uns immer wieder aufs Neue mit der Geschichte und ihren düstersten Kapiteln beschäftigen und das Gespräch mit unseren Nachbarn suchen müssen, die vielleicht gestern noch in der Sprache der Regime als Gegner, ja Feinde bezeichnet wurden.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt auch uns vor nie da gewesene Herausforderungen und wir erleben wiederum eine Zeit vermehrter Unsicherheit. Die Nachrichten aus dem Nahen Osten sind weiterhin bedrückend und auch im Verhältnis zu den USA - unserem Verbündeten, der Deutschland nach 1945 so sehr unterstützt hat - erleben wir Spannungen, die wir uns vor einiger Zeit noch nicht hätten vorstellen können. Diese Unsicherheit pflanzt sich fort in unserer Gesellschaft. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme erzeugen Frustration und verleiten dazu, nicht nach Lösungen und Kompromissen zu suchen, sondern anderen die Schuld dafür zu geben. Doch wenn sich jeder nur auf sich und seine Interessengruppe beschränkt, dann gewinnen die Feinde der Demokratie. Wir alle brauchen einander und wir brauchen ein Miteinander. Freiheit gelingt nur, wenn sie nicht rücksichtslos ist, sondern im Bewusstsein unserer Verantwortung füreinander gelebt wird.

Etwas Gutes tun, ohne gleich dafür einen Lohn zu erwarten - das hält unsere Gesellschaft zusammen. Viele Menschen - auch bei uns hier in Demmin - haben diesen Gemeinsinn glücklicherweise noch nicht vergessen. Sie engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen und Bürgerinitiativen, in Kommunalvertretungen, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder in Uniform für das Gemeinwohl; sie helfen karitativ und sind Förderer sozialer, humanitärer oder kultureller Aufgaben. Kriegsgräberfürsorge ist so ein Projekt, wo Menschen Gutes tun und Gutes bewirken können. Tausende von deutschen Kriegsgräberstätten im In- und Ausland zeigen uns nämlich, was Krieg in seiner letzten Konsequenz bedeutet.

Was können wir also heute tun, um den Frieden zu bewahren - im Kleinen wir im Großen? Pessimismus und Resignation sind keine guten Ratgeber. Wir dürfen nicht verzagen und müssen alle Kräfte aufbieten, um uns dem Vergessen und Verdrängen unserer Vergangenheit entgegenzustemmen und auf diese Weise die liberale Demokratie vor Schaden zu bewahren. Wenn wir an den Krieg und seine Ursachen denken, dann haben wir immer auch die Demokratie vor Augen. Denn sie ist der wichtigste Schutz gegen negative Entwicklungen. Und sie gehört folgerichtig auch zu den ersten Opfern autoritärer Machtansprüche. In einer funktionierenden Demokratie können sich diese aber nie durchsetzen. Darum: nutzen wir jede Gelegenheit, sie zu schützen!

Unser Gedenken an den Krieg und seine Opfer ist also stets verbunden mit dem Kampf um den Erhalt der Demokratie. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, wie schnell es geht, sie für obsolet zu erklären und am Ende ganz abzuschaffen.

Das dürfen und wollen wir nicht zulassen. Dagegen müssen wir uns mit allen Mitteln wehren, wenn wir uns die Freiheit bewahren wollen. Gedenken spielt dabei eine wichtige Rolle, denn es schärft unseren Blick und unsere Sinne. Es ist ein Warnruf, ein immer neuer Anstoß, uns der Vergangenheit zu stellen und sie lebendig zu halten. Das sind wir den Opfern schuldig, aber auch uns selber und unseren Nachkommen, die im wachen Wissen um die Geschichte und im Frieden aufwachsen mögen.

Ich danke Ihnen!