Zur historischen Einordnung sei gesagt: Die Volkssolidarität (VS) ist eine im Oktober 1945 in Dresden gegründete Hilfsorganisation. Sie breitete sich in den darauffolgenden Monaten in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands aus. Die Volkssolidarität war eine Massenorganisation in der DDR und hatte eine wichtige Bedeutung bei der Betreuung älterer Menschen, auf die sie sich in den letzten Jahrzehnten der DDR auch beschränken musste. Seit der deutschen Wiedervereinigung umfasst der Arbeitsbereich auch die Betreuung chronisch Kranker, Pflegebedürftiger, sozial Benachteiligter sowie von Kindern und Jugendlichen.
Ausgangspunkt in unserer Betrachtung ist also die politische Wende im Jahr 1989/1990. Schicksalsjahre einer ganzen Generation. Die vollkommene Veränderung eines Gesellschaftssystems, der Verlust von Arbeitsplätzen, Unsicherheit und Ängsten bei vielen Menschen, die auf einmal ohne Arbeit dastanden. Das Selbstwertgefühl war angekratzt. Allerdings hatten die Menschen einen großen Willen zur Gestaltung und Anpassung, eine gewisse Flexibilität, mit wenig viel zu machen und mit dem Ehrgeiz, aus der Situation das Beste zu gestalten und mit der Zeit zu gehen.
Wir ehren vier Frauen, die diesen Prozess in der Feldberger Seenlandschaft aktiv mitgestaltet haben.
Diese Gruppe von Frauen wurden vom Vorstand des Kulturvereins Feldberger Land e.V. vorgeschlagen und der Namens-Vorschlag wurde durch den Hauptausschuss in seiner Sitzung am 11. Dezember 2023 bestätigt.
Diese vier sehr bescheidenen Frauen waren über Jahrzehnte ehrenamtlich aktiv. Mehr als 20 Jahre haben sie vielen Menschen, deren Leben Teil eines historischen Umwälzungsprozess war, Freude bereitet und auch Halt, Kraft sowie Orientierung gegeben.
Aus einer ABM-Stelle (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) entstand der Senioren-Club in der DRK-Kita am Mühlenweg, betreut von Frau Stoll.
Als die Förderung auslief, übernahm ab 2003 die Volkssolidarität ehrenamtlich die Betreuung von Seniorinnen und Senioren. Der Senioren-Club war somit weiterhin Anlaufstelle für soziale Belange, wenn man nicht alleine und einsam sein wollte. Reden, klönen, zuhören, Ansprechpartner sein, Karten und Brettspiele anbieten, Angebote schaffen, diverse Fahrten wurden organisiert. Ansprechpartner in schwierigen Lebenssituationen sein.
Sommerfeste, tolle Weihnachtsfeiern u.v.m. wurden im Stieglitzenkrug organisiert, Erlebnis- und Bildungsreisen standen ebenfalls auf der Tagesordnung.
Hinzu kam dann die sehr zeitintensive Aufgabe, die Jubilare zu besuchen und sie zu beglückwünschen, daraus wurden auch oft Besuche, die Trost spendeten. Diese Frauen haben im Ehrenamt über viele Jahre, teilweise Jahrzehnte, andere Menschen aufgefangen, emotional stabilisiert, sich für andere Menschen engagiert.
Die Damen haben sich auch dann noch dem Anliegen der VS verschrieben und ihre Listensammlungen weiter durchgeführt, als der Ruf der Volkssolidarität schon durch Skandalgeschichten im Hauptamt der VS (s. Veruntreuung von Finanzen) mit negativer Presse in den letzten Jahren immer stärker belastet worden war. Es fiel den Frauen zunehmend schwerer, mit der öffentlichen Stimmung klar zu kommen, schließlich mussten sie auch den einen oder anderen bissigen Kommentar dazu ertragen.
Hier müssen wir Frau Rechlin besonders würdigen. Seit Jahrzehnten nahm sie die Geburtstagsbesuche war, es wurde jeder Haushalt aufgesucht, der das wünschte. Frau Rechlin hatte einen guten und sehr persönlichen Draht zu vielen Alteingesessenen. Sie wurde oftmals auffallend herzlich von den Jubilaren begrüßt! Bei den gemeinsamen Fahrten mit Herrn Lange durch den Bereich des Feldberger Ortsrats äußerte sie sich mehrfach wertschätzend für die erbrachten Leistungen in unserer Gemeinde. Aufgrund ihres hohen Alters war sie schon länger nicht mehr an dem ein oder anderen Ort gewesen und staunte nun über die baulichen Veränderungen der letzten Jahre, teilweise Jahrzehnte. Jemand, der die ganze Kriegs- und Nachkriegszeit bewusst miterlebte, misst den uns alltäglichen Dingen, eine ganz andere Bedeutung zu. Frau Rechlin und Herr Lange waren lange Zeit ein eingespieltes Team, bekannt wie bunte Hunde bei den Senioren bis Frau Rechlin das körperlich nicht mehr bewerkstelligen konnte. Dann übernahm Frau Weigt diesen aktiven Part.
Alles was die Finanzen der Ortsgruppe betraf, musste ebenfalls organisiert und abgerechnet werden. Diese Tätigkeit übernahm mit Akribie und Sachkenntnis Frau Stegmann.
Jährlich sammelten die Mitglieder und Unterstützer der Volkssolidarität Gelder in der Listensammlung und nutzten zusätzlich die Beiträge der ca. 50 Mitglieder, um alle diese von mir beschriebenen Aufgaben wahrzunehmen.
Dann erodierte das System, es begann damit, dass der Club nicht mehr im DRK-Kindergarten weitergeführt werden durfte. Man hatte keinen Anlaufpunkt mehr. Es folgten viele altersbedingter Austritte oder die Menschen und Mitglieder sind verstorben. Bei fehlenden Neueintritten entscheid sich der Verein dann schweren Herzen, die Ortsgruppe Feldberg aufzulösen.
Aufgrund dieser schwierigen Umstände sollen diese Frauen noch einmal für die Arbeit in den vergangenen Jahren geehrt und ihnen gedankt werden.
Die Gemeinde Feldberger Seenlandschaft gratuliert!
(Ausschnitt aus der Laudatio)
Constance von Buchwaldt
Bürgermeisterin