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Greifswalder Stadtblatt
Ausgabe 5/2023
Amtlicher Teil
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Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Bürgerentscheid

Welche Entscheidung können Sie mit dem Bürgerentscheid treffen?

Sie entscheiden darüber, ob die Universitäts- und Hansestadt Greifswald in den nächsten Jahren ihre eigenen Flächen (Grundstücke) für Containerdörfer zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachten darf oder nicht.

Sie können nicht darüber entscheiden, ob private Flächen und Grundstücke, die nicht im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehen, zum Zwecke der Errichtung von Containeranlagen verpachtet werden dürfen. Sie können mit ihrer Entscheidung nicht beeinflussen, ob und wo und in welchem Umfang der Landkreis Vorpommern-Greifswald geflüchtete Menschen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald unterbringt.

Welche rechtlichen Grundlagen gibt es in diesem Zusammenhang?

Die Verteilung von Geflüchteten in Deutschland auf die Bundesländer richtet sich nach einem Verteilungsschlüssel, dem sog. Königsteiner Schlüssel. Dieser wird jährlich entsprechend den Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder errechnet.

Mecklenburg-Vorpommern muss demnach nur rund 1,98 % der in die Bundesrepublik Deutschland geflüchteten Menschen aufnehmen. Die Bundesländer selbst verteilen die Geflüchteten wiederum weiter auf die Landkreise und kreisfreien Städte. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald muss nach einem Verteilungsschlüssel innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern 14,9 % der zugewiesenen Geflüchteten des Landes aufnehmen (= 0,29 % aller Geflüchteten in Deutschland). Dieser Schlüssel errechnet sich gemäß der Zuwanderungszuständigkeitsverordnung Mecklenburg-Vorpommern.

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald ist für die Aufnahme und Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen im übertragenen Wirkungskreis (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FIAG, §2, Satz 1) zuständig. Die Landkreise sind verpflichtet, für die regelmäßige Aufnahme der Asylbewerber*innen ausreichende Gemeinschaftsunterkünfte vorzuhalten (FIAG, §4, Satz 1). Kann der Landkreis die zugewiesenen ausländischen Geflüchteten nicht mehr selbst unterbringen, kann er gemäß FIAG §2, Satz 3 diese Aufgabe auf kreisangehörige Gemeinden, wie beispielsweise die Universitäts- und Hansestadt Greifswald, übertragen. Das bedeutet, dass in diesem Fall die Stadt selbst für die Unterbringung der Geflüchteten sorgen muss.

Mit dem Beschluss „Geflüchtete in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald“ vom 27.03.2023 stellt die Greifswalder Bürgerschaft Regelungen auf, wie und in welcher Reihenfolge Unterbringungsmöglichkeiten zu nutzen und umzusetzen sind.

Die Aufstellung von Containern soll danach die letztmögliche Variante zur Unterbringung von geflüchteten Menschen sein. An keinem Standort sollen mehr als 100 Personen untergebracht werden. Die Unterbringungsform und Begleitung der Geflüchteten durch Integrationshelfer*innen muss so gestaltet werden, dass sie die bestmögliche Integration garantiert. Insbesondere in den Bildungseinrichtungen ist dafür zusätzliches Personal vorzuhalten.

Welche weiteren Rahmenbedingungen gibt es im Zusammenhang mit der Aufnahme Geflüchteter?

In der Sitzung der Bürgerschaft vom 27.03.2023 stellte der Landrat des Landkreises Vorpommern-Greifswald dar, dass er bis zum Ende des Jahres einen weiterhin hohen Zuzug an Geflüchteten erwarte. Der Universitäts- und Hansestadt Greifswald als größte Stadt im Landkreis mit einer entsprechenden Infrastruktur und mit einem umfassenden Hilfsnetzwerk mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten, wie z. B. im Bereich der (psycho-)sozialen Betreuung und beruflicher Integration, wird bei der Zuweisung Geflüchteter eine wesentliche Rolle zukommen. Dennoch sollte die Frage einer gleichmäßigeren Verteilung im gesamtem Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht ganz außer Acht gelassen werden. Auch die Universitäts- und Hansestadt Greifswald könnte trotz der guten Infrastruktur irgendwann an ihre Belastungsgrenzen stoßen.

Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald hat einen sehr geringen Wohnungsleerstand. Zusätzliche Bedarfe an Wohnungen für geflüchtete Menschen können kurzfristig kaum bis gar nicht gedeckt werden, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Lösungen gefunden werden müssen, sollte es zu einer weiteren Zuweisung von Geflüchteten kommen. Diese Lösungen bestehen dann aus größeren gemeinschaftsunterkunftstauglichen Räumlichkeiten, auf die zurückgegriffen werden muss. Die Mindestanforderungen an Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften sind in der Gemeinschaftsunterkunftsverordnung (GUVO M-V) geregelt. Diese gilt gleichermaßen für die Containeranlagen, die als Gemeinschaftsunterkünfte genutzt werden sollen.

Bei fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten kann es in letzter Konsequenz zur Belegung von Sporthallen und anderen Sportstätten als Notunterkünfte kommen.

Bei der Auswahl der Standorte für Gemeinschaftsunterkünfte ist die städtebaulich integrierte Lage, infrastrukturelle Anbindung an ÖPNV, Erreichbarkeit relevanter Behörden, Nähe zu sozialer Infrastruktur (Beratungsangebote, Kindereinrichtungen, Schulen u.a.) von Vorteil.

Die Trägerschaft für Gemeinschaftsunterkünfte sowie Notunterkünfte für Geflüchtete liegt beim Landkreis Vorpommern-Greifswald im übertragenen Wirkungskreis. Dazu gehören die Aufgaben wie Aufnahme, Unterbringung, Findung und Herrichtung der geeigneten Räume, Ausstattung und Organisation aller weiteren Fragen einschließlich des Wachdienstes, Versorgung und sozialer Betreuung. Die Vorlaufzeiten bei Zuweisungen betragen derzeit ca. zwei Wochen.

Wenn der Landkreis die zugewiesenen Geflüchteten nicht mehr selbst unterbringen kann, kann er die o. g. Aufgaben gemäß FIAG §2, Satz 3 auf die Universitäts- und Hansestadt Greifswald direkt übertragen. Auch wenn die notwendigen Kosten der Unterbringung vom Landkreis erstattet werden, stellte dies die Stadtverwaltung vor enorme Herausforderungen und hielte die Stadtverwaltung von der Erledigung anderer Aufgaben ab.

Der Bürgerentscheid bindet die Universitäts- und Hansestadt Greifswald für zwei Jahre an die getroffene Entscheidung. Für diesen Zeitraum kann auch im Bedarfsfall oder aufgrund eines Wandels der tatsächlichen Gegebenheiten kein anderslautender Beschluss durch die Gemeindevertretung gefasst werden.

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald und die Stadtverwaltung der Universitäts- und Hansestadt empfehlen, dass eine Verpachtung städtischer Flächen an den Landkreis zur Aufstellung von Containeranlagen als Notlösung bestehen bleiben sollte. Mit einem „Nein“ beim Bürgerentscheid würde diese Möglichkeit verbaut. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sporthallen belegt werden müssen, erhöht sich also mit einem „Nein“ beim Bürgerentscheid.

Welche Auswirkungen hat Ihre Entscheidung?