Der 4. Januar 1969 war - wie die Ostsee-Zeitung treffend festhielt - „ein großer Tag in der Geschichte der Stadt Greifswald“. Mit der feierlichen Grundsteinlegung am Nikolajewweg begann vor 55 Jahren ein neues Kapitel in der Geschichte der Hansestadt. Schon am 1. August 1969 wurden die ersten Wohnungen von achtzig Kraftwerkserbauern bezogen. Innerhalb des Gründungsjahres wurden bereits 240 Wohnungen fertiggestellt. Es war ein Grundstein für eine Zeit des Wachstums - ein Stadtteil mit 6.500 Wohnungen für etwa 22.000 Einwohner sollte entstehen.
Bislang gab es im Gebiet zwischen Karl-Liebknecht-Ring, Hans-Beimler-Straße und Anklamer Straße nur Wiesen, Kleingärten, eine Hühnerfarm und Kasernenbauten. Die Entwicklung des Wohngebiets begann im Frühjahr 1968 mit dem Bau von drei Blöcken in Plattenbauweise im Karl-Liebknecht-Ring. Ab 1969 wurde dann südlich der Anklamer Straße gebaut, zunächst im Bereich Dubnaring/Max-Planck-Straße. Zug um Zug entstanden weitere Plattenbauten entlang des Dubnarings in Richtung Rossendorfer Ring, des heutigen Ernst-Thälmann-Rings, dann bis zur Lise-Meitner-Straße. Ab 1972/73 bildete die Heinrich-Hertz-Straße die Verbindung zum Bahnhof Süd. Hier begannen und beendeten die Kraftwerkspendler ihre Fahrten nach Lubmin. 1969 rief die Ostsee-Zeitung dazu auf, Namen für Straßen, Gaststätten, Schulen, Kindergärten zu finden. Ein Ergebnis davon sind die nach Dörfern zwischen Greifswald und Lubmin benannten „Wenden“, die neben den Atomphysikern bis heute die Identität des Wohngebiets prägen.
Was wäre Schönwalde I ohne seine Hochhäuser? 1978 wurde das erste Hochhaus an der Lomonossowallee übergeben, weitere folgten. Damit entstand der noch heute „städtischste“ Straßenzug Greifswalds. Allerdings wurden in den 1980er Jahren entlang der neuen Magistrale statt weiterer Hochhäuser einige Wohnblöcke mit fünf bis sechs Geschossen errichtet. In dieser Zeit entstanden auch weitere Blöcke in der Gaußstraße und in der Newtonstraße. Mit den Würfelhäusern in der Lomonossowallee und am Bahnhof Süd kam ein weiterer Bautyp hinzu. Der Unterbringung ausländischer Arbeitskräfte diente der Arbeiterwohnkomplex Spiegelsdorfer Wende, der 1984/85 fertig wurde.
Die Menschen, die in den letztlich gebauten 5.088 Wohnungen lebten, brauchten aber mehr als nur Wohnraum: Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten, Schulen, Busanbindung. All dies kam schrittweise, immer ein wenig später als die Wohnungen. Am Karl-Liebknecht-Ring wurden mit Baubeginn provisorisch zwei Campinghallen errichtet. Eine davon fungierte als Verkaufsstelle, während die andere sowohl zur Versorgung der Bauarbeiter als auch als temporäre Gaststätte, umgangssprachlich „Kameltränke“, diente. Im Jahr 1971 fuhr erstmals eine Buslinie nach Schönwalde I, in den Dubnaring. Fast alle Bäume wurden 1974 in einer Pflanzaktion von den neuen Bewohnern gepflanzt. Die erste Kaufhalle mit dem Namen „8. Mai“ eröffnete 1972 im Rossendorfer Ring. Ein Jahr später folgte in der Heinrich-Hertz-Straße die Kaufhalle „Südring“, deren Name ebenfalls aus einer Leserumfrage in der Ostsee-Zeitung stammte. Schließlich wurde im Jahr 1980 die Kaufhalle „Mitte“ in der Lomonossowallee eröffnet.
Prägend für Schönwalde I waren drei Schulen entlang der Max-Planck-Straße. Zwischen 1971 und 1973 wurden die Oberschulen „Ernst Thälmann“, „Wladimir Iljitsch Lenin“ und „Georgi Dimitroff“ erbaut. 1980 kam noch die Iwanow-Schule in der Einsteinstraße hinzu. Drei Kinderkombinationen aus Kinderkrippe und Kindergarten wurden 1972/73 eröffnet: „Alexander Puschkin“ in der Röntgenstraße, „Arkadi Gaidar“ an der Lomonossowallee und „Friedrich Wolf“ in der Lise-Meitner-Straße. Kunstwerke wie das Wandbild „Blumenmädchen und Gärtnerjunge“ von Helmut Maletzke im Dubnaring, die Sportlersäule vor der Sporthalle 1 von Heinrich Zenichowski oder der Brunnen „Gläserner Baum“ von Leonie Wirth verliehen dem Stadtteil eine besondere Atmosphäre.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat Schönwalde I einige Veränderungen durchlaufen. Ab 2004 begann der Rückbau mit Abrissen. Viele Gebäude wurden teilweise umfassend saniert. In den letzten Jahren sind Neubauten in der Gaußstraße und der Stilower Wende entstanden, aber auch größeres neues Wohnquartier auf der ehemaligen Fläche des „Kraftverkehrs“ zwischen Einstein- und Hans-Beimler-Straße.
Das 55-jährige Jubiläum von Schönwalde I feiern wir nicht nur als Rückblick auf die Vergangenheit, sondern auch als Blick in die Zukunft, in der sich das Wohngebiet weiterentwickeln wird, während es gleichzeitig seine Geschichte bewahrt.
Dem Thema widmet sich auch eine Ausstellung „Aufbau von Schönwalde I“. Gezeigt werden fotografische Arbeiten aus der Anfangsphase eines Stadtteils von Helmut Martens. Zu sehen ist die Ausstellung vom 13. Juli bis 22. August 2024 in der SoPHi in der Heinrich-Hertz-Str. 20b und vom 2. September bis 17. Oktober 2024 in der WGG-Geschäftsstelle in der Geschwister-Scholl-Straße 1.
In einem thematischen Stadtteilspaziergang „Die Entstehung des Wohngebietes - Neubau, Kaufhalle, Kinderkombi“ lädt die Quartierskoordination ein, die Geschichte des Stadtteils vor Ort zu erleben. Starten wird der Rundgang am Mittwoch, den 17. Juli 2024 um 17:00 Uhr an der Sportlersäule, gegenüber dem Ärztehaus (Ernst-Thälmann-Ring 66) und dauert 90 Minuten.
Mehr Informationen unter www.greifswald.de/schoenwalde1.