Ehemaliger Kornspeicher am Neuen Markt
Das Diakonissenhaus
Der Städtische Kindergarten in der Demminer Straße 55
Von meinen ehemaligen älteren Kolleginnen, die von den Anfängen dabei waren, habe ich erfahren, dass der erste Kindergarten unserer Stadt am Neuen Markt in dem ehemaligen Kornspeicher war. Im oberen Teil des Gebäudes wurde das Korn gespeichert und der untere Teil wurde als Wohnraum genutzt. Nach 1945 war hier der Kindergarten ansässig. Unter der Leitung von Annchen Mahnke, arbeiteten die Kolleginnen unter sehr schwierigen Bedingungen. Von der Hygiene ganz zu schweigen, denn da wo Korn gelagert wird, gibt es für gewöhnlich auch Ratten und diese gingen dort ein und aus.
Als sich dann 1949/ 1950 die Möglichkeit ergab in das Diakonissenhaus zu ziehen, wurde diese genutzt. Das Diakonissenhaus befand sich auf dem kleinen Parkplatz gegenüber der jetzigen Apotheke. Kinder vom Babyalter bis zum Vorschulalter wurden hier betreut. Das Diakonissenhaus wurde jedoch auch schnell zu klein und konnte der Vielzahl angemeldeter Kinder nicht mehr gerecht werden. Auch waren dort noch einige Arbeiten zu erledigen, bei denen auch die Erzieherinnen mit anpacken mussten. So erzählte mir meine ehemalige Arbeitskollegin, Frau Christel Wegner, dass sie den Dachdeckern bei deren Arbeit half, indem sie ihnen die Dachsteine angegeben hat. Auch erzählte sie mir, dass sie morgens in aller Frühe Kinder von zuhause abholen musste, wie z.B. den kleinen Bruno K., er wurde von ihr geweckt, angezogen und mit in die Einrichtung genommen. Die Mütter dieser Kinder waren alleinerziehend und mussten die Wohnung schon sehr früh verlassen, um rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
Platzmangel und die hygienischen Bedingungen im Diakonissenhaus waren nicht mehr vertretbar. Die Toiletten befanden sich auf dem Hof, Hände gewaschen wurde sich in Schüsseln. Ein Umzug musste erfolgen.
Da bot es sich an, in der Demminer Straße 55 ein Einfamilienhaus zu nutzen, welches leer gezogen war. Der vorige Besitzer wurde enteignet. 1953 konnte der städtische Kindergarten nun sein neues Domizil beziehen. Hier gab es Platz für 4 Gruppen in kleinen Räumen. Gekocht wurde im Keller, dort befanden sich die Küche und 2 Waschräume. Später gab es einen Anbau, dieser brachte mehr Platz und es entstanden 2 Gruppenräume, 2 Garderoben und 1 Waschraum, die Küche konnte nun auch nach oben ziehen. Die ältesten der Kinder, die dann später eingeschult wurden, hatten hier genügend Platz. Die einzelnen Gruppen waren stark belegt. In der ältesten Gruppe waren 26 Kinder, die von einer Erzieherin betreut wurden, in der mittleren Gruppe ebenfalls 26 Kinder und eine Erzieherin und bei den Jüngsten waren es dann noch 20 Kinder. Mit dem Anbau konnte sich unsere Köchin freuen, denn die Küche zog aus dem Keller nach oben. Die neuen Räumlichkeiten waren groß und geräumig, ausreichend für die große Kinderzahl und Erzieherinnen, die alle bekocht werden mussten. Wir bekamen eine große Kippbratpfanne, die eine große Erleichterung war. Es wurde für 220 Kinder, die Erzieherinnen, die Reinigungskräfte und den Hausmeister gekocht. Für 26,40 Mark monatlich, bekamen die Kinder Frühstück, Mittag und Vesper.
Die Anzahl der Kinder stieg stetig weiter und so wurden weitere Baumaßnahmen notwendig. Ein Zwischenbau wurde genehmigt und unsere mittleren Gruppen, die 4 - 5jährigen Kinder, erhielten einen Gruppenraum, der vergrößert wurde. Auch entstand eine zweite Essenausgabe. Es mussten alle Kinder in der Einrichtung aufgenommen werden, da die Eltern berufstätig waren. Nun kam es bald wieder zu Überbelegungen und es wurde notwendig, erneut zu vergrößern. Man entschloss sich, auf dem hinteren freien Grundstück ein barackenförmiges Gebäude zu errichten, das rundum ummauert wurde. Es entstanden 3 Gruppenräume, 1 großer Waschraum und 2 Garderoben mit einem großzügigen Eingangsbereich für unsere jüngsten Kinder. Die Kinder waren 2 Jahre und 10 Monate alt und kamen größtenteils aus der Kinderkrippe. Sie wurden ihrem Alter entsprechend sehr gut auf den Kindergarten vorbereitet. Dank der fleißigen und umsichtigen Krippenerzieherinnen unter Leitung von Frau Gisela Breitsprecher, waren alle Kinder in der Lage, die Körperpflege selbstständig auszuführen. Die Kleinen hatten viel bei ihren lieben Erzieherinnen gelernt, sie sangen Lieder vor, sprachen kleine Gedichte und wir freuten uns über den Entwicklungsstand und die Selbständigkeit, die die Grundlage für unsere weitere Arbeit darstellte. Alle Kinder waren sauber, keines trug mehr Windeln. Im Neubau war alles hell und geräumig. Die Kinder schliefen auf Liegen, die mit einem Laken versehen waren, unter richtigen Federbetten und Kopfkissen, die mit heller Bettwäsche bezogen waren. Das Essen wurde im Haupthaus gekocht und vom Personal in den Neubau gebracht. Ich erinnere mich, dass wir trotz unserer eigentlichen pädagogischen Arbeit auch für andere Arbeiten eingesetzt wurden. So stand unser Erzieherkollegium mit Spaten ausgestattet bereit, um den Graben für die Versorgungsleitungen (zum Neubau) auszuheben. Am Lehrertag, auch unser Ehrentag, hatten wir die Aufgabe, die Rabatten vor dem Kindergarten vom Unkraut und Sträuchern zu befreien. Hier war eine Neubepflanzung mit den Rosen „Die rote Revolution“ angedacht. Einige Bürger, die bei uns vorbeikamen, staunten, dass wir an unserem Ehrentag bei ziemlich heißen Temperaturen auch diese Arbeiten verrichteten. Ja, so waren die Zeiten, für uns war es selbstverständlich und für unsere damalige Leiterin hatte die Außenwirkung einen hohen Stellenwert. Aber ich muss auch sagen, dass wir schöne Feste und Feiern im Kreise aller dort Beschäftigten erlebt haben. Auch haben wir gemeinsam mit unseren Kindern Konzerte und kleine Programme vorbereitet und für die Eltern und Großeltern aufgeführt. Die Kinder waren richtige kleine Schauspieler und Tänzer. Sie trugen Tänze vor, sangen einzeln und im Chor. Die dazu passenden Kostüme wurden von geschickten Kolleginnen genäht. Oft sind wir auch zum Geburtstag der Großeltern in deren Häuslichkeit gegangen und haben dort ein „Geburtstagsständchen“ vorgetragen. Großes Interesse fanden auch unsere vorweihnachtlichen Elternabende bei den Eltern und Großeltern. Diese Veranstaltungen feierten wir gemeinsam in den Sälen von Gieses Hotel, dem Schützenhaus und der Schülergaststätte. Die Säle wurden von uns festlich geschmückt. Die Tische dekorierten wir mit viel Tannengrün und Kerzen und für die Gäste lag ein von uns angefertigtes Programmheft bereit. Auf dem Deckblatt fand sich ein selbstangefertigter Scherenschnitt. Wir Erzieherinnen trugen kleine Sketche vor, die immer sehr gut ankamen. Wir sangen Weihnachtslieder, auch gemeinsam mit den Eltern, z.B. den Kanon „Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knuspert an mein Häuschen“. Wir trugen Gedichte vor und füllten den Abend mit Tanzeinlagen aus, so ging es bis in die frühen Morgenstunden.
Wieder reichten die Räumlichkeiten nicht für die steigende Kinderanzahl aus, wieder musste überlegt werden, wie man dem gerecht werden kann, aber dazu in meinem Bericht in dem kommenden Informationsblatt. Zu diesem Thema gibt es noch einiges zu berichten.