Wir, die in der Mitte des 2. Weltkrieges geboren wurden, kennen die Zeiten voller Entbehrungen und Leid. Nach dem Krieg lag die Wirtschaft am Boden und es galt, das Vaterland wieder aufzubauen. Die Väter und jungen Männer waren im Krieg, oft kehrten sie mit körperlichen und seelischen Wunden heim. Einige kamen nicht mehr zurück, sie sind gestorben oder galten als vermisst, so auch mein Vater. Unsere Mütter hatten es daher schwer uns durchzubringen. Viel Fleiß und handarbeitliches Geschick machten es möglich, den Lebensunterhalt einigermaßen zu bestreiten. 1948 wurde ich eingeschult. Wir waren 39 Mädchen in einer Klasse.
In unserer Jahrgangsstufe gab es eine Mädchen- und eine Jungenklasse, aber auch eine gemischte Klasse. Die Klassen hatten die gleiche Anzahl von Schülern. Wir absolvierten 8 Schuljahre. In der achten Klassenstufe wurden wir auf die Konfirmation vorbereitet. Die Schüler von der 1. bis zur 4. Klasse besuchten sonntags den Kindergottesdienst. Wöchentlich fand die Christenlehre im Gemeindehaus statt, die wir besuchen mussten. In der 8. Klasse hieß es dann lernen, um konfirmiert werden zu können. Wir lernten die 10 Gebote auswendig und noch einige Texte und Wissenswertes aus der Bibel. Am Tag der Prüfung, ca. eine Woche vor der eigentlichen Konfirmation, gingen wir schick gekleidet zur Kirche. Die Prüfung bestanden alle Vorkonfirmanden und so konnte eine Woche darauf die feierliche Konfirmation am 25.03.56, dem Palmsonntag, stattfinden. Eigens für diesen Tag bekamen wir neue Anziehsachen. Meine Mutter, die auch Schneiderin war, nähte mir ein wunderschönes Kleid. Es war aus schwarzem Ripstaft und an den Schultern war es mit Samt verziert.
Da es damals wenig zu kaufen gab, habe ich ganz einfache Stoffschuhe und Kunstseidenstrümpfe getragen. Bis wir die Schule verließen mussten wir Zöpfe tragen, was uns gar nicht gefiel. In den Händen hielten wir ein Gesangsbuch, auf dem ein weißes Taschentuch und ein kleines Myrtenkreuz lag. Am Tag unserer Konfirmation trafen wir Konfirmanden uns vor dem Gemeindehaus. Von dort ging der lange Zug, geführt vom Pastor Zitzke zur Kirche. Hier erwarteten uns Eltern und Angehörige. Diese erhoben sich von den Plätzen als wir die festlich geschmückte Kirche betraten. Nach dem Gottesdienst erhielten wir unsere Konfirmationsurkunden, danach schritten wir zum Altar und empfingen den Segen. Nach der 1,5-stündigen Zeremonie verließen wir wieder, wie zuvor in Zweierreihen, die Kirche. Wir positionierten uns davor und es wurden einige Fotos von uns und dem Pastor gemacht. Im Anschluss wurde im Kreise der Familie gefeiert. Zu Hause wartete gutes Essen, selbstgemachte Torten und eine schöne Feier auf mich. Zum Abendbrot gab es Würstchen, zu der damaligen Zeit etwas ganz Besonderes, es war ein Genuss. Von meiner Tante bekamen wir das Kalbfleisch, meine Mutter brachte es zu Fleischer Stübe und dieser machte für meine Feier die Würstchen. Meine Mutter hatte auch selbst gemachtes Eis von Bäcker Czech organisiert, dazu hat sie die flüssige Masse selbst gekocht. Diese wurde dann zu Bäcker Czech gebracht und er machte mittels seines großen Holzlöffels in seiner Eismaschine mein Eis. Für mich ist dieser Tag noch sehr lange in dankbarer Erinnerung geblieben. Vieles was heute so selbstverständlich erscheint, war zu der damaligen Zeit mit viel Mühe und Kreativität verbunden. Auch kleine Geschenke gehörten an diesem Tag mit dazu. Ich erinnere mich ein Fotoalbum bekommen zu haben, das habe ich noch immer. Ein Taschentuchbehälter, Handtücher, Blumen und viele Glückwunschkarten zählten zu den Geschenken. Von meiner Mutter bekam ich meinen 1. Fotoapparat, mit dem ich anschließend durch die Stadt ging und viele Aufnahmen machte. Einige konnte ich für meine Artikel nutzen. Meine Oma, die in Lüneburg wohnte, schenkte mir meine erste Armbanduhr. Ach was war ich stolz und glücklich. Die Uhr war klein, das Gehäuse Goldfarben. Ich behütete sie wie einen Schatz, anfangs trug ich sie nur sonntags oder zu besonderen Anlässen. Auch dieses Geschenk begleitete mich viele Jahre. Ich kann mich erinnern, wenn andere Jahrgänge konfirmiert wurden, mussten wir die Glückwunschkarten persönlich austragen. Zum Dank bekamen wir meist ein Stückchen Kuchen.
Auch hier, beim Thema Konfirmation wird der Wandel der Zeit sehr deutlich. In unserer Region empfangen nun viel mehr Jugendliche ihre Jugendweihe. Konfirmanden eines Jahrganges sind meist nur noch ein Dutzend. Die feierliche Konfirmation findet nun immer Pfingsten statt, zu unserer Zeit war es der Palmsonntag. Die Feierlichkeiten werden oft größer ausgestattet und die Geschenke fallen deutlich üppiger aus. Zumeist wird an diesem Tag gerne Geld verschenkt, so dass sich der Jugendliche seine eigenen Wünsche erfüllen kann. Für das Austragen der Glückwunschkarten wird die Post genutzt und sollten sie doch persönlich ausgetragen werden, gibt es ein Schnäpschen, oder zwei.
Ob nun zu der damaligen oder heutigen Zeit ist dieser besondere Tag im Leben eines Jugendlichen etwas ganz Besonderes geblieben und von vielen schönen Erinnerungen geprägt.