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Malchower Tageblatt
Ausgabe 2/2023
Rathausnotizen
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Rede des Präsidenten der Stadtvertretung anlässlich des Neujahrgespräches

Liebe Malchowerinnen und Malchower, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen der Stadtvertretung, liebe Freunde,

ich freue mich sehr, dass ich heute hier erneut Gelegenheit habe, Sie zum Neujahrsgespräch der Inselstadt Malchow begrüßen zu dürfen und einige Worte an Sie richten zu können.

Besonders begrüßen möchte ich den Bundestagsabgeordneten und Förderer Malchows, Herrn Johannes Arlt, der trotz sicher übervollen Terminkalenders heute unter uns ist.

Ebenso möchte ich ausdrücklich meine Amtsvorgängerin Frau Elke-Annette Schmidt begrüßen. Mittlerweile ist Frau Schmidt - wie Sie sicher wissen - nicht nur Abgeordnete des Landtags sondern auch dessen Vizepräsidentin. Und um jeglichem Gerücht gleich vorzubeugen, lassen Sie mich klarstellen, dass ich ihr in DIESES Amt keinesfalls zu folgen beabsichtige.

Ein herzliches willkommen auch an die Landtagsabgeordnete Frau Nadine Julitz, die es ebenfalls einrichten konnte, heute bei uns zu sein.

Auch begrüße ich herzlich die Amtsvorsteherin des Amtes Malchow und Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte Frau Birgit Kurth, den Bürgermeister von Waren (Müritz) Herrn Norbert Möller, den Bürgermeister von Röbel/Müritz Herrn Andreas Sprick, den Bürgermeister Walows Herrn Heinz Gerull, der heute im Übrigen auch Geburtstag hat, den Bürgermeister aus Penkow Herrn Jörg Hoffmann, den Bürgermeister von Alt Schwerin Herrn Franc Heinrihar und den Bürgermeister von Göhren-Lebbin Herrn Bernd Zillmer.

Drei Jahre ist es nun her, seit wir uns hier zum letzten Neujahrsempfang zusammengefunden haben und ich zu Ihnen sprechen durfte. Viel ist seitdem geschehen - sowohl in unserer kleinen Stadt als auch in der großen Welt. Ich denke, der Bürgermeister wird Ihnen über die Geschehnisse in Malchow berichten, so dass für mich der etwas weiter gerichtete Blick bleibt. Dabei hatte ich mir eigentlich vorgenommen, nicht auf die großen Themen einzugehen, die uns in den vergangenen Jahren so lange und intensiv bewegt haben und dennoch werde ich wohl nicht ganz umhinkommen, sie anzusprechen, wenn ich mit Ihnen den Blick zurück richte.

Da war zum einen natürlich die Pandemie, die uns alle völlig unerwartet getroffen hat. Auch den staatlichen Organen kann man hier sicherlich nicht vorhalten, wenn sie von der Entwicklung überrascht worden sind oder zunächst auch kein Patentrezept hatten. Selbst Entscheidungen, die sich im Nachhinein als wenig sinnvoll oder gar falsch darstellen, gehören in so einem Ausnahmefall wohl dazu.

Nachdenklich stimmte mich hingegen - und stimmt mich teilweise noch bis heute, dass viele der notwendig scheinenden Entscheidungen nicht immer nachvollziehbar und ausreichend kommuniziert worden sind. Im Ergebnis trug dies wohl auch zu der ohnehin schon bestehenden Politikverdrossenheit und zum Vertrauensverlust in politische Entscheidungen bei.

Die Pandemie und ihre Folgen hat viele von uns auch persönlich getroffen und neben den teils erheblichen Einschränkungen hatte der ein oder andere auch im engeren Freundes- oder Familienkreis mitunter einen schwereren Krankheitsverlauf oder gar Schlimmeres zu beklagen. Hinzu kamen die beruflichen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Politik. Auch hierbei lassen Sie mich aber klarstellen, dass es sicher einfacher ist, aus der rückblickenden Betrachtung ungünstige Entscheidungen zu erkennen, als das für die verantwortlich Handelnden in der konkreten Gefahrensituation möglich war.

Was mich allerdings wirklich besorgt, sind die sozialen Aspekte im Umgang mit der Pandemie: Betriebsschließungen, Kurzarbeit, Kündigungen, Schulausfälle, der teilweise komplette Wegfall des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. All das hat vielen Menschen und Familien schwere Prüfungen auferlegt, ja ihnen existenzielle Sorgen bereitet. Und auch wenn mit manchen staatlichen Maßnahmen versucht wurde, zumindest die wirtschaftlichen Probleme abzufedern, hat sich im Ergebnis die berüchtigte Schere zwischen Arm und Reich dennoch weiter aufgetan. Eine traurige Tatsache, die leider auch im Ergebnis der weiteren krisenhaften Entwicklungen der vergangenen Jahre festzustellen ist.

Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich dann Anfang letzten Jahres eine absichtlich herbeigeführte weitere Katastrohe ereignet. Zurzeit gibt es abgesehen von Australien und der Antarktis auf jedem Kontinent der Erde Kriege, mit hunderttausenden von Toten allein in den zurückliegenden drei Jahren. Selbst der letzte Krieg auf europäischen Boden im Kosovo liegt erst 25 Jahre zurück. Man möchte verzweifeln, wenn man sieht, dass die Menschheit einfach nicht dazu lernt oder zu schnell vergisst. Die meisten der aktuellen Kriege finden in der Entfernung statt und haben kaum wirtschaftliche Folgen - wohlgemerkt für uns. Vermutlich ist das der Grund, warum diese vielen Kriege trotz humanitärer Katastrophe nur geringes Medienecho finden. Wahrscheinlich liegt es aber auch nicht nur an der räumlichen Nähe, dass der Ukraine-Krieg so besonders erscheint. Schließlich sind hier Kriegsparteien beteiligt - ob nun direkt oder nur mittelbar - die über große Armeen, gewaltiges Zerstörungspotenzial und sogar über Kernwaffen verfügen. Hinzu kommt noch die bedrohliche Situation, dass dieser Krieg nur allzu leicht die noch begrenzte regionale Ebene verlassen könnte.

Bereits jetzt steht aber fest, dass auch dieser Krieg wieder dazu führt, dass vor allem die Schwächsten am härtesten getroffen werden. Sei es unmittelbar, weil Sie das Kriegsgebiet nicht verlassen können und Leben, Gesundheit, Heimat und Habe verlieren oder weil sie durch die wirtschaftlichen und politischen Folgen des Krieges selbst in einiger Entfernung besonders schwer getroffen werden. Auf der anderen Seite stehen auch hier diejenigen Wenigen, die aus dem Krieg Profit schlagen und sich z. B. durch Spekulationsgeschäfte oder gar Waffenhandel in geradezu obszöner Weise bereichern. Und wieder einmal führt so eine Krise dazu, dass die gerade schon angesprochene Schere zwischen Arm und Reich größer und größer wird.

Durchaus im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg hat uns dann auch das nächste Problem erreicht. Die Energie und Gaskrise, mit deren Folgen sich auch die Stadtvertretung unserer kleinen Stadt schon befassen musste. Und erneut stellt sich auch hier die Frage, ob die politischen Entscheidungen gerade im Hinblick auf die langfristigen Folgen mit Bedacht getroffen wurden. Ist es wirklich zielführend, die Abhängigkeit von einem Energieträger oder Lieferanten durch die Abhängigkeit von einem anderen zu ersetzen? Ist es richtig, erneut hinzunehmen, dass die nicht so wohlhabende Bevölkerung und weite Teile der Mittelschicht wiederum am stärksten belastet werden und gerade diese sich angesichts der ohnehin anhaltenden Preissteigerung berechtigten existenziellen Sorgen stellen müssen, während in- und vor allem ausländische Konzerne über die Maßen an der Entwicklung verdienen? Sie erkennen sicher den großen Bogen: eine weitere Krise und damit einhergehend weitere wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zwischen dem weit überwiegenden Teil der Menschen auf der einen Seite und wenigen, mitunter Einzelnen auf der anderen Seite.

So zieht sich dieser rote Faden auch durch die letzte große Krise der vergangenen Jahre, die Klimakrise. Genauer gesagt eigentlich eine Krise, die schon seit viel länger Zeit erkennbar ist und bekämpfbar wäre. Anders als die übrigen von mir angesprochenen Probleme ist die Klimakrise nicht spontan oder überraschend aufgetreten. Ihre Auswirkungen sind nicht nur seit langem bekannt, sondern werden auch mit naturgesetzlicher Gewissheit eintreten. Umso erstaunlicher ist es, dass entsprechendes Gegensteuern nur zögerlich geschieht und - Sie ahnen es sicher - sich vorwiegend wieder zu Lasten derjenigen auswirkt, die ohnehin schon schwer belastet sind.

Dieses Grundproblem, das sich seit Jahren durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zieht, stellt aus meiner Sicht eine der größten Gefahren für unser gemeinsames Miteinander dar. Der zumindest scheinbar fehlende politische Wille, die auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich wieder zusammenzuführen, droht jegliches verbleibende Vertrauen in verantwortungsvolle Politik zu untergraben und schlimmstenfalls den sozialen Frieden in Frage zu stellen.

Wenn es bei der allein erziehenden Mutter gegen Ende des Monats nur noch Nudelgerichte gibt, weil Obst und Gemüse einfach nicht mehr leistbar sind, wenn sich Kollegen und Kolleginnen selbst in meinem Berufsstand ernsthafte Gedanken darüber machen, wie sie die nächste Rate für ihr kleines Eigenheim sicherstellen, wenn meine Studenten an der Fachhochschule sich trotz Nebenjob teilweise die Fachliteratur schlicht nicht leisten können, wenn die kleine Familie mit zwei in Vollzeit erwerbstätigen Erwachsenen keine Chance hat, sich ein Grundstück zu kaufen, weil der Kaufpreis innerhalb normaler menschlicher Lebenserwartung niemals aufgebracht oder finanziert werden könnte oder wenn schon jetzt mit mathematischer Sicherheit feststeht, dass die gesetzlichen Rentenansprüche für einen Großteil der Bevölkerung geradewegs in die Grundsicherung führen, dann läuft etwas in die völlig falsche Richtung.

Ich möchte daher hier die Gelegenheit nutzen und an alle Handelnden appellieren, sich schnellstmöglich dieses Grundproblems anzunehmen. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass wir gerade auf kommunalpolitischer Ebene dazu kaum brauchbare Möglichkeiten an der Hand haben. Ich denke aber auch, dass unsere Stadt zumindest kleine Zeichen setzen könnte. So liegt es zum Beispiel im Verantwortungsbereich der Stadt, ob bei wem und in welcher Höhe in der aktuellen Situation so manche Gebühr oder Steuer erhoben wird. Ebenfalls haben wir es selbst in der Hand, klimagerecht zu handeln und beispielsweise auch private Initiativen für erneuerbare Energien zu unterstützen statt sich dem behindernd in den Weg zu stellen. Auch auf die Grundstückspreise und die Anzahl der zur Verfügung stehenden Baugrundstücke kann die Stadt unmittelbar Einfluss nehmen. Sie könnte gar über die kommunale Wohnungsbaugesellschaft selbst für ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum sorgen. Unsere Möglichkeiten sind also nicht so begrenzt, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Wir müssen sie nur angehen und ggf. in noch höherem Maße als bisher umsetzen.

Bevor ich nun aber langsam zum Schluss komme, möchte ich Ihre durch die ganzen Krisen vielleicht etwas betrübliche Stimmung wieder aufhellen. In den vergangenen Jahren hat es nämlich auch andere Ereignisse gegeben.

So wurde zum Beispiel die letzte Folge der Lindenstraße ausgestrahlt. Wir hatten eine Bundestagswahl, in deren Folge eine bisher - in vielerlei Hinsicht - einzigartige neue Regierung zustande kam. Zugegeben, für den ein oder anderen mag allerdings sowohl die neue Bundesregierung als auch die letzte Folge der Lindenstraße ebenfalls eine kleine persönliche Krise ausgelöst haben.

Die Weltbevölkerung hat die 8-Milliarden-Marke überschritten. Zum ersten Mal konnte medizinisch erfolgreich ein Schweineherz in einen Menschen transplantiert werden. Und erst ganz kürzlich ist die von der Wissenschaft seit langem schon angekündigte Zündung einer kontrollierten Funktionsreaktion gelungen, in deren Ergebnis eine positive Energiebilanz stand. Möglicherweise ein erster Schritt zur dauerhaften Lösung des weltweiten Hungers nach Energie.

Auch sportlich gesehen ist einiges geschehen. So fanden im vergangenen Jahr die XXV. Olympischen Winterspiele in Peking statt und im Jahr zuvor die XXXII. Olympischen Sommerspiele in Tokio. Es gab eine hochspannende WM-Qualifikation und einen mindestens ebenso spannenden Weltmeisterschaftskampf in Dubai, wobei sich am Ende der bisherige Weltmeister erneut durchsetzen konnte. Und bevor Sie mich jetzt weiter fragend anschauen - ich spreche natürlich von Magnus Carlsen, dem alten und neuen Weltmeister im Schach. Ich weiß, in irgendeinem kleinen Wüstenstaat hat auch noch eine andere WM unter großer medialer Begleitung stattgefunden. Aber diejenige von Ihnen, die mich etwas näher kennen, wissen, dass DAS keinesfalls mein Thema ist. Und da Sie jetzt alle doch etwas schmunzeln, so möchte ich dann an dieser Stelle auch enden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche uns allen noch eine schöne und feierliche Veranstaltung, anregende Gespräche und interessanten Gedankenaustausch im weiteren Verlauf. Ihnen allen ein erfolgreiches, gesundes und glückliches neues Jahr!

Rickert Reeps