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Neustädter Anzeiger
Ausgabe 4/2023
Vereine und Verbände
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Kultur- und Heimatverein e. V., Turner in Neustadt-Glewe

Zwei Brüder, Karl und Friedrich Turner, kamen Ende des 19. Jahrhunderts von Ostpreußen nach Mecklenburg. Wann genau, ist nicht mehr zu ermitteln.

Karl war von Beruf Schmied. Er hatte in Neustadt-Glewe seinen Wohnsitz in der heutigen Bahnhofstrasse Nr. 27 (seinerzeit Haus-Nr. 203 - im Jahr 1888 als dort wohnend vermerkt). In einem weiteren Verzeichnis ist sein Bruder Friedrich im Nachbarhaus am Eldearm (das etwas von der Straße zurückliegende Haus nahe der Ampelkreuzung Parchimer, Bahnhof- und Wabeler Straße stehend) mit der Hausnummer 29, vor dem Haus-Nr. 203 a, dort 1882 wohnend, erwähnt. Das Haus Bahnhofstrasse 27, das Karl in der Inflationszeit verkaufte, brachte ihm 2 Herdringe ein (Aussage von seiner Enkeltochter Käthi).

Sein Bruder Friedrich, gelernter Gerber (ob er einen Meistertitel erworben hatte, konnte nicht festgestellt werden), war zunächst wahrscheinlich in seinem Haus als Lohgerber tätig und hat sich am 19.03.1906 in Grabow als Zugezogener mit eigenem Haushalt und der Tätigkeit als Gerber gemeldet. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er im dortigen Lederwerk als Gerber gearbeitet. Nach 5 Jahren, am 28.09.1911, hat er sich in Grabow wieder abgemeldet, weil er in Neustadt, wohin er sich abgemeldet hat, wahrscheinlich durch das 1910 gegründete Lederwerk, eine Anstellung bekam. In einem Einwohnerverzeichnis von 1914 wird Friedrich Turner in der Bahnhofstraße 29 und in einem von 1928 als Vorarbeiter in der Brauereistraße erwähnt. In der Brauereistraße waren werkseigene Baracken errichtet worden.

Von Karl Turner ist bekannt, dass er fünf Söhne hatte: Karl (im Ersten Weltkrieg gefallen), Hans, Arthur, Reinhard (nach Hamburg gegangen) und Bruno (lebte in Ludwigslust). Nur Arthur und Hans sind in Neustadt geblieben. Während Arthur im Lederwerk beschäftigt war, hat Hans das Malerhandwerk erlernt und war auch in der DDR als Malermeister selbständig tätig. Arthur wohnte später am Schäferkamp. Hans hatte in der Schulstraße 2 (heute Thälmannstraße) Haus und Werkstatt. Hans´ Sohn Karl-Ludwig ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Seine Tochter Käthi lebt in Parchim, wo sie als Berufsschullehrerin tätig war. Sie hatte zuvor wie ihr Vater den Meistertitel im Malerhandwerk erworben. Käthi ist Mutter eines Sohnes und einer Tochter, die beide nicht in Neustadt wohnen.

Arthurs Sohn Egon war als Lehrer in der Neustädter „grünen“ Schule tätig. Sein Sohn Lothar wohnt gegenwärtig in der Brauereistraße. Die aus dieser Ehe stammenden 2 Kinder wohnen nicht mehr in Neustadt-Glewe.

In Grabow wurde Friedrichs drittes Kind Fritz 1907 geboren. Er war einziger Sohn und hatte drei Schwestern: Magdalene 1896, Charlotte 1904 und Margot 1909 wurden in Neustadt geboren. Wie sein Vater hat Fritz das Gerberhandwerk erlernt und sich im Laufe seines jungen Lebens in Freiberg zum Gerbermeister qualifiziert. Fritz hat nach seiner Ausbildung die Schwester von Walter Closs, Eugenie, kennen gelernt und im Jahr 1934 geheiratet. Aus dieser Ehe sind 4 Kinder hervorgegangen: Anna-Margarete, genannt Anngret, geb. 1935; Jörn, geb. 1936; Eugen, geb. 1940 und Hans Reinhard, geb. 1944.

Gewissermaßen als kleine Besonderheit ist zu vermerken, dass bei der Geburt die Mutter den Sohn Reinhard nannte. So wurde der Vorname auch als Rufname in der Geburtsurkunde vermerkt. Als der Vater 1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, war er sehr überrascht von dem Vornamen und so wurde von Stund an und bis heute der Junge Hans gerufen.

Nach der Hochzeit wohnte das junge Paar zunächst in der Straße „Hinter der Bahn“ und zog dann in die Seestraße um. Als im Schloss damals als Komfortwohnungen bezeichnete Wohnungen fertig gestellt waren, bezog die Familie eine solche im Parterre des Westflügels. Für damalige Verhältnisse war diese Wohnung auf das Modernste eingerichtet: Im Bad gab es ein WC, einen 80 l-Warmwasserboiler, selbstverständlich eine Wanne und ein Waschbecken. In der Küche stand ein kombinierter Kohle-/Elektroherd.

Das vorgesehene und auch in entsprechenden Zeichnungen bereits geplante Wohnhaus wurde nicht gebaut, weil Fritz zum Wehrdienst einberufen worden war. Sein Militärdienst wurde dann aber bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verlängert.

Das Haus sollte am See gebaut werden, und zwar auf dem Grundstück zwischen dem Haus von Walter Closs, dem sogenannten Landreiterhau, und der „Sandkuhle“ - heutige beach-Arena. An der von Fritz 1935 gepflanzten Eiche im damaligen „Bauland“ wurde anlässlich seines 111. Geburtstages 2018 eine Gedenktafel angebracht.

Fritz Turners Ehefrau verstarb im Januar 1949. Während die beiden älteren Kinder, Anna-Margarete und Jörn beim Vater im Schloss verblieben sind, kamen Eugen zu Vaters Cousin Hans Turner und Hans zu Vaters Schwager Walter Closs.

Vater Fritz konnte einen Haushalt mit zwei Kindern und zwei notwendigerweise bei Verwandten untergebrachten Kindern nicht dauerhaft bewältigen. Die Suche nach einer „Ersatzmutter“ war erfolgreich. Im Oktober 1949 heiratete er Elfriede Busch, die im benachbarten Hohewisch mit ihrem Vater lebte. Diese beiden hatten nach ihrer Flucht aus Ostpreußen in diesem Dorf bei Neustadt-Glewe eine Bleibe gefunden. Die Ehefrau von Franz Busch war auf der Flucht ums Leben gekommen. - Franz Busch war erst als Gemeindesekretär in Hohewisch und später in gleicher Funktion in Groß Laasch tätig.

Aus der Ehe mit Elfriede gingen ebenfalls 4 Kinder, drei Jungen und ein Mädchen, hervor: Harald, geb. 1950; Detlef, geb. 1952; Eugenie, geb. 1956 und Eckehard, geb. 1961.

Doch mit seinen Ehefrauen sollte Fritz nicht glücklich werden, denn Elfriede starb nach langem, qualvollem Leiden 50-jährig an Leberkrebs. Nun waren aber immer noch zwei schulpflichtige Kinder zu versorgen. Fritz heiratete ein drittes Mal. Diese Ehe, nicht besonders glücklich für die Kinder, endete mit Fritz´ Tod im Jahre 1982.

Zum Zeitpunkt des Todes waren alle 8 Kinder bereits aus Neustadt-Glewe weggezogen:

1. Anngret:

gelernte Diätassistentin, lebt nach vielen berufsbedingten Umzügen ihres Mannes, Prof. Dr. Karl-Heinz Bieritz, heute in Leipzig. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor.

2. Jörn:

Er war 1953 von der Oberschule, 10. Klasse, verwiesen worden, weil er Mitglied in der Jungen Gemeinde war. Kurz vor Ostern hat er die DDR verlassen und lebt heute in Overath in der Nähe von Köln. Jörn ist Vater von 3 Jun gen.

3. Eugen:

Nach seiner Ausbildung zum Maschinenbauingenieur arbeitete er in Magdeburg und wohnt heute in Halle/Saale. Eugen ist Vater von 5 Kindern (4 Töchter, 1 Sohn) von denen eine Tochter bei einem Verkehrsunfall in Neustadt-Glewe verstorben ist. Er hat heute noch eine Beziehung zu Neustadt-Glewe, da der Familie am „Ellerried“ ein Bungalow gehört.

4. Hans:

lernte bei der Deutschen Reichsbahn und studierte an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden. Das Berufsleben verbrachte Hans in Schwerin beim damaligen VEB Nahverkehr Schwerin und bei der Deutschen Reichsbahn. Die Berufstätigkeit endete mit 55 Jahren. Er ging in den Vorruhestand und es zog ihn als Einzigen der Familie Fritz Turner zurück nach Neustadt-Glewe. Im Jahre 1971 heiratete er Rose-Marie Dumann. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Dirk und Katrin. Während Dirk hier am Ort ein Haus erwerben konnte und von hier aus seine berufliche Arbeit (bei der Bahn in Berlin) erledigen kann, wohnt Katrin in einem Dorf bei Grevesmühlen und arbeitet in Schwerin.

5. Harald:

Nach dem Abitur studierte er in Dresden Architektur und arbeitete bis zu seinem Ruhestand als Architekt in Rostock. Er ist verheiratet und hat drei Kinder,

6. Detlef:

Er erlernte den Beruf eines Baufacharbeiters und erwarb gleichzeitig das Abitur. Die Ausbildung nannte sich Berufsausbildung mit Abitur. Anschließend studierte er in Merseburg Verfahrenstechnik. In der Zeit von 1988 bis 1992 war er am Bau der Erdölleitung von Sibirien nach Schwedt an der Oder beteiligt. Danach arbeitete er für eine Firma in Stuttgart bis 2022 und lebt heute mit seiner Ehefrau in der Stadt Brandenburg.

7. Eugenie:

Auch sie erwarb das Abitur und studierte anschließend in Leipzig Gastronomie. 1988zog es sie in die Bundesrepublik, wo sie eine Anstellung bei der Fernsehproduktion „Lindenstraße“ als Kantinenleiterin bekam. Nach dem Ende der Serie ging sie „in Rente“. Sie hat eine Tochter und ist verheiratet, lebt in Rösrath in der Nähe von Köln.

8.Eckehard:

Er schloss die Schule mit der 10. Klasse ab und erlernte den Beruf eines Zerspaners. Anschließend war er in Rostock in der „Neptunwerft“ tätig. Nach der „Abwicklung“ der Werft hat er diverse Tätigkeiten in Rostock ausgeübt. Eckehard ist verwitwet, Seine verstorbene Frau brachte einen Jungen mit in die Ehe.

Diese Aufstellung von „Turnern“ in Neustadt-Glewe zeigt, dass im Verlauf von rund einhundertfünfzig Jahren eine verhältnismäßig große Zahl von Menschen aus einer Familie hervorgegangen ist. Und dennoch ist nur ein kleiner Teil dieser Familie in Neustadt-Glewe verblieben. Ob dieser Teil hier verbleiben wird, ist völlig offen. Die Nachfolge der Familie Lothar Turner ist entschieden: keines der beiden Kinder lebt hier. Bei Dirk Turner ist noch offen, ob einer seiner Söhne hier am Ort verbleiben wird.

Hans Turner
Kultur- und Heimatverein Neustadt-Glewe e. V.