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Neustädter Anzeiger
Ausgabe 7/2024
Vereine und Verbände
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Fritz Reuter 07.11.1810 - 12.07.1874

In Stavenhagen geboren, verlebte Reuter seine Kindheit im Elternhaus. Sein Vater, Bürgermeister und Stadtrichter von Stavenhagen, vererbte ihm wahrscheinlich Intelligenz und Charakter. Die Mutter, die meist kränkelte, begeisterte ihn früh für die Dichter deutscher Nation. Durch sie hat er wahrscheinlich die dichterische Begabung geerbt. Die Schulzeit verbrachte Reuter als einziger Junge in einer Mädchenschule und er erhielt Unterricht bei mehr als zehn Lehrern in verschiedenen Fächern. Im Herbst 1824 kam er an das Gymnasium in Friedland. Hier hat er sich gern mit Zeichnen beschäftigt, was dem Vater gar nicht gefiel. Der wollte ihn zum Rechtsgelehrten machen. Deshalb wurde Reuter Ostern 1828 an das Gymnasium in Parchim geschickt.

Seit dem Herbst 1831 studierte Reuter nach dem Willen des Vaters Rechtswissenschaft in Rostock. Bereits nach einem Semester wechselte er an die Universität in Jena, dem Sitz der burschenschaftlich vaterländischen Gefühle. Hier schloss sich Reuter der Burschenschaft der Germanen an, was ihm dann letztendlich zum Verhängnis wurde. Auf Grund mehrerer Vorkommnisse, die als Umsturzversuche ausgelegt wurden, ist Fritz Reuter, der Ostern 1838 nach Stavenhagen zurückgekehrt war, im Oktober zur Fortsetzung seines Jurastudiums nach Berlin gegangen, wo er dann am 31. Oktober verhaftet wurde. Als Mitglied einer Burschenschaft, die an Umsturzversuchen beteiligt war, wurde er nebst anderen zum Tode, gleichzeitig aber durch „Begnadigung“ des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen zu 30 Jahren Festungshaft verurteilt. Unter teilweise unmenschlichen Bedingungen musste Reuter immerhin 7 Jahre „absitzen“, von denen er seit Juni 1839 die letzte Zeit in einem Zimmer „ohne Gardinen“ im Kommandantenhaus der Festung Dömitz verbrachte.

Er selbst schreibt über diese Zeit in seinem Werk „Ut mine Festungstiet“: „ Sieben Jahre lagen hinter mir, sieben schwere Jahre, sie lagen mir schwer wie Zentnersteine auf dem Herzen...Was sie mir etwa genützt haben, das lag tief unten im Herzen begraben unter Hass, Fluch und Grauen; ich mochte nicht daran rühren; ...Was war ich? Was wusste ich? Was konnte ich? Nichts. Was hatte ich mit der Welt zu tun? Nichts, gar nichts. Die Welt war ihren alten, schiefen Gang ruhig weiter gegangen….Auf den Festungen hatten sie mich geknechtet; aber sie hatten mir ein Kleid gegeben, das feuerfarbene Kleid des grimmigen Hasses; nun hatten sie mir das ausgezogen, und ich stand nun da – frei! - aber auch splitternackt, und so sollte ich hinein in die Welt.“ (Fritz Reuter, Sämtliche Werke, Band1, Hinstorff, 1902 S. 23).

Aus dieser Zeit brachte Reuter ein Leiden mit, das ihn sein weiteres Leben lang in unterschiedlichsten Perioden verfolgte. „Eine ‚Neurose‘, eine krankhafte Verstimmung der Nerven des Magens und der Speiseröhre bildete sich aus; ein Übel, das rein physischer Natur wie es ist, wohl zu Zeiten durch erhöhten Gemütszustand günstig beeinflusst, aber durch keine moralische Macht, keinen Vorsatz des ‚Willens‘ aus den Organen wieder heraus geschafft werden kann. Was ist die Folge dieser örtlichen Neurose? Dass sie dauernd oder - wie bei Fritz Reuter - periodisch eine offenbar von der Naturheilkraft geforderte, daher unüberwindliche Begierde nach jenem spirituosen Reiz erzeugt; eine Begierde, die nicht eher gestillt wird, als bis mit Erbrechen und Ekel die qualvolle, aber rettende Krisis erfolgt.“ (Fritz Reuter, Sämtliche Werke, Band1, Hinstorff, 1902 S. 24).

Im Juli 1840 aus der Festungshaft entlassen, sollte Reuter nach dem Willen des Vaters das Jurastudium in Heidelberg fortsetzen. Doch bereits ein halbes Jahr später hat er dieses Studium abgebrochen und erlernte die Landwirtschaft, zunächst bei seinem Vater in Stavenhagen und dann in Demzin bei Malchin. Hier lernt er auch die in der Nachbarschaft als Erzieherin arbeitende Luise Kunze, seine spätere Frau, kennen.

Des weiteren entwickelt sich im Jahre 1841 eine tiefe, sein Leben lang anhaltende Freundschaft zu Fritz Peters, in dessen Haus in Thalberg bei Treptow Reuter seit 1844 lebte.

Das von seinem Vater, der 1845 starb, ererbte Geld reichte jedoch nicht aus, eine eigene Landwirtschaft zu gründen. Dennoch war Reuter als Landwirt unter seinen oft viel älteren Landsleuten ein geachteter Fachmann.

Während der 10 Jahre in Thalberg unternimmt er 1847 und 48 eine „Wasserkur“ in Stuer, er bekämpft das oben erwähnte Leiden, aber in die Zeit fallen auch die Unruhen des Jahres 1848. Als Deputierter nimmt er am Landtag in Schwerin teil. Enttäuscht über die folgende Entwicklung, dass für Mecklenburgs Freiheit nichts zu hoffen sei, kehrte er nach Thalberg zurück. Dort übernimmt er die Funktion als Stellvertreter des Wirtschafters der zum Militär einberufen wurde.

1850 hat Reuter das Landleben aufgegeben und verdiente sein Brot nunmehr als Schulmeister in Treptow. Er unterrichtete die unterschiedlichsten Fächer. Als Privatlehrer erteilte er Turn- und Zeichenunterricht und übernahm alles, was man von ihm verlangte. In dieser Zeit lähmte stets ein stilles Grauen seinen Mut: die ihn verfolgende Krankheit. Sein Thalberger Freund, Fritz Peters, führt eines Tages seine Geliebte Luise in Fritz Reuters Zimmer, als dieser in den peinlichen Zuständen der Krankheit danieder lag. „Fürchterlich war ihr der Anblick; sie litt lange und viel. Doch ein höheres, ein weiblich edles, wahrhaft schönes Gefühl wuchs darüber empor, sie hoffte, wie es scheint, dass sie es über ihn vermögen werde, das Übel zu besiegen, wenn sie sein Weib sei. Und sie ward sein Weib. Im Frühjahr 1851 gründeten sie in Treptow ihren gemeinsamen Herd ... Er zeigte ihr auch in diesem herzbrechenden Leiden die Idealität seiner Seele. ...Höher noch trug sie dann der Anblick seines dichterischen Schaffens, als er endlich sich selbst gefunden hatte; denn alles Beste, was er je geschrieben, entstand nach solch einer Leidenszeit.“ (Fritz Reuter, Sämtliche Werke, Band1, Hinstorff, 1902 S. 31).

Seine Gemahlin war Fritz Reuter stets die starke Stütze, die er brauchte, um einerseits mit der Krankheit umzugehen, aber vor Allem, um sich voll und ganz der Schriftstellerei widmen zu können.

Erste Veröffentlichungen von „Läuschen un Rimels“ 1853 sind der Anfang von Reuters erfolgreichem dichterischen Schaffen. „Vielleicht die schönste Zeit seines Lebens begann; hoffnungsfrohes Schaffen, junges Eheglück, blühendste Jahre, gebesserte Gesundheit und mit alten und neuen Freunden behaglichster, heiterster Verkehr“ (Fritz Reuter, Sämtliche Werke, Band1, Hinstorff, 1902 S. 43).

Als erstes größeres Werk veröffentlicht Reuter 1855 „De Reis nah Belligen“. 1856 bis 1863 lebte Reuter mit seiner Gemahlin in Neubrandenburg. Hier entstanden seine wichtigsten Werke wie „Kein Hüsung“, „Ut de Franzosentid“, „Hanne Nüte“, „Ut mine Festungstid“, die ersten Bände der „Stromtid“ und der größte Teil der „Urgeschicht von Meckelnborg“. Seine Werke fanden nicht nur in Mecklenburg, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum Verbreitung. Dieses alles bewog die Universität Rostock Fritz Reuter 1863 die Ehrendoktor-Würde zu verleihen.

Im Sommer des Jahres 1863 übersiedelte er nach Eisenach. 1864 unternahm Reuter noch eine Reise nach Konstantinopel und eine Rundreise durch Mecklenburg. 1866 vollendete er den Roman „Dörchläuchting“. Im gleichen Jahr 1866 errichtete er „seine“ Villa mit Blick zum Ort und zur Wartburg.

In dieser Villa verschied Fritz Reuter am 12. Juli 1874.

Grundlage dieses Beitrags bildet die Einleitung zu Fritz Reuter, Gesammelte Werke, herausgegeben von der Hinstorffschen Hofbuchhaltung zu Wismar im Jahre 1902. Die Einleitung wurde verfasst von Adolf Wilbrandt.

Diesen Beitrag erarbeitete Hans Turner