Bürgermeister Andreas Grund, Neustrelitz, hat gegen den Beschluss der Stadtvertretung „Schlossturm Neustrelitz“ vom 7. Dezember 2023 Widerspruch gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Kommunalverfassung M-V eingelegt. Die Stadtvertretung hatte einem von der CDU-Fraktion eingebrachten Beschlussvorschlag mehrheitlich zugestimmt. Infolge des Widerspruchs muss sich die Stadtvertretung nun auf ihrer nächsten Sitzung am 1. Februar 2024 mit der Beschlussvorlage erneut befassen.
Der Bürgermeister muss einem Beschluss der Stadtvertretung widersprechen, wenn dadurch das Recht verletzt und das Wohl der Stadt gefährdet ist. „Der Beschluss steht nicht im Einklang mit der Kommunalverfassung. Durch diesen Beschluss entstehen im Stadthaushalt erhebliche Mehraufwendungen, die bislang weder im aktuellen Haushaltsplan, noch in der mittelfristigen Finanzplanung Berücksichtigung finden konnten. Einen entsprechenden Deckungsvorschlag hat der Beschluss nicht“, erklärt Andreas Grund. „Ich hätte es richtig gefunden, wenn das Thema von vornherein in den Ausschüssen beraten oder in diese verwiesen worden wäre, um im Rahmen der bevorstehenden Haushaltsberatungen 2024 darüber zu diskutieren“, betont der Bürgermeister. Fest stehe, dass das Projekt erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt und andere für die Stadtentwicklung wichtige Vorhaben hat.
Die aktuelle Kostenschätzung umfasst 9,5 Millionen Euro für den Bau eines originalgetreuen Schlossturms mit einer verfügbaren Ausstellungsfläche von ca. 250 Quadratmetern. In der aktualisierten Summe sind Kosten für die Bewirtschaftung, Abschreibung, Konzeption und Umsetzung eines inhaltlichen Projektes noch nicht enthalten, sodass voraussichtliche Gesamtaufwendungen in Höhe von bis zu 14 Millionen Euro zu erwarten sind. Ursprünglich war man von 4 Millionen Euro an reinen Investitionskosten ausgegangen, die bereits im Jahr 2021 im Zuge der Vorplanung auf rund 7 Millionen Euro präzisiert worden waren. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte bis zu 3 Millionen Euro und der Bund 3,6 Millionen Euro an Voraussetzungen gebundene Fördermittel in Aussicht gestellt.
Allein der investive Eigenanteil der Stadt für den Turmbau beträgt nunmehr mindestens 2,5 Millionen Euro. Diese Kosten sind durch keine Förderzusagen gedeckt. Hinzu kommen Bewirtschaftungskosten in ähnlicher Höhe.
„Die CDU bringt ihre Beschlussvorlage zum Zeitpunkt erheblich gestiegener Baukosten ein, ohne zu sagen, woher dieses Geld kommen soll. Darüber hinaus fordert der Beschluss der Stadtvertretung abweichend vom bisherigen Konsens, dass die Stadt nicht nur die Baukosten tragen, sondern ebenfalls die Verantwortung und Finanzierung eines Nutzungskonzeptes übernehmen soll“, stellt der Bürgermeister fest und fügt hinzu: „Der CDU-Antrag ist in weiten Teilen identisch mit einem Antrag eines Einwohners, der in Umlauf war, aber offenbar nicht zustande gekommen ist. Ich bin mehr als erstaunt, dass in der Stadtvertretung nicht einmal nachgefragt wird, warum dies so ist.“
Die Fraktionen der Stadtvertretung haben bisher keine inhaltlichen Positionen zum Turmprojekt abgegeben. Eine Konzeption für die Nutzung des Turmes, die für die Einordnung in Förderprogramme notwendig wäre, liegt nicht vor. Der Beschluss beinhaltet allgemein, dass der Schlossturm zu einem „Ausstellungs- und Erlebnisgebäude entwickelt“ werden solle. („Leuchtturm für Demokratie“/“demokratische Entwicklung von Mecklenburg-Strelitz vom 18. Jh. bis heute“).
Im Jahr 2021 hatte Bürgermeister Andreas Grund der Stadtvertretung die Betreibung über ein Vereinsmodell vorgeschlagen, worüber zweimal nur beraten worden ist. Der Bürgermeister verweist zudem auf eine Verabredung mit dem Residenzschlossverein aus dem Jahr 2023. Demnach sollte eine Vereinbarung abgeschlossen werden mit dem Ziel, dass die Stadt sich um den Turmbau kümmert, wenn der Verein für das Ausstellungskonzept und seine Umsetzung sorgen wird. „Ich bin daher mehr als verwundert, dass durch den Residenzschlossverein weder auf den Einwohnerantrag noch auf den Antrag der CDU-Stadtfraktion reagiert wurde oder eine Stellungnahme erfolgte, weshalb erneut angefragt wurde. Selbst der von der Stadtvertretung als so wichtig empfundene Schlossarealbeirat gibt überhaupt keine Empfehlungen ab oder realisiert Entscheidungsgrundlagen“, sagt Andreas Grund.
Der Bürgermeister macht deutlich: „Die Stadt Neustrelitz sieht weiterhin eine Verpflichtung, gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern eine gut durchdachte und tragfähige Lösung für die Schlossruinenfläche zu finden. Es ist allerdings die Frage zu beantworten, ob wir uns auf eine Investition für Bau, Konzept und Betreibung in Höhe von 14 Millionen Euro einlassen wollen, für die es derzeit keine klare Beschlusslage und kein Konzept gibt. Wir müssen investive Projekte gut abwägen, um in den kommenden Jahren die Zukunftsinvestitionen mit hoher Priorität stemmen zu können.“
In Neustrelitz stehen in den nächsten Jahren Aufgaben, wie der Umbau der Integrierten Gesamtschule, der Neubau von zwei Feuerwehrgerätehäusern, das Sanierungsgebiet mit neuer Mitte in Strelitz-Alt, der Straßen-, Kanal-, Wärmenetz- und Wegebau, die Kita- und Hortbetreuung und nicht zuletzt die Bestandsicherung der vorhandenen Kultur- und Tourismuseinrichtungen sowie der Standort der Deutschen Tanzkompanie am Riefstahl-Platz auf der Vorhabenliste.
Darauf hatte ebenfalls die SPD-Fraktion verwiesen, die den Turmbau-Beschluss ablehnte.
https://neustrelitz.sitzung-mv.de/public/to020?TOLFDNR=9200&SILFDNR=985
Über den Umgang mit dem früheren Standort des 1945 zerstörten und später abgetragenen Schlosses wird in Neustrelitz seit langem diskutiert. Die Fläche gehört dem Land M-V.
Zur Neugestaltung des Schlossberges hatte das Land schließlich 2014 einen Architektenwettbewerb durchgeführt, dessen Ergebnis nach öffentlichem Einspruch des Residenzschlossvereins Neustrelitz nicht zum Tragen kam. Anschließend sollte das zweitplatzierte Projekt „Bellevue“ eines renommierten Rostocker Büros umgesetzt werden. Die Realisierung auf Kosten des Landes wurde in die Wege geleitet und sollte zeitnah umgesetzt werden, ebenso die denkmalgerechte Konservierung der Schlosskeller mit Fließsand. Für beides war keine finanzielle Beteiligung der Stadt Neustrelitz erforderlich.
Im Zuge einer nachfolgenden, kontrovers geführten öffentlichen Debatte favorisierten Vereine und Stadtvertretung statt der Landesplanung die vollständige Beräumung und Nutzbarmachung der Schlosskeller sowie einen Turmbau. Daraufhin verhängte das Land M-V 2018 einen Bau- und Planungsstopp, der zwei Jahre dauerte. Ein Kompromiss sah schließlich vor, seitens des Landes die Schlosskeller zu beräumen, die Kellerdecke mit einer Betonplatte zu versehen und den Rohkeller für eine Nutzung bereitzustellen. Die Stadt Neustrelitz sollte das benötigte Grundstück für einen Turmbau kostenfrei erhalten. Am 18.12.2019 wurde eine Vereinbarung zwischen der Stadt Neustrelitz und dem Land M-V geschlossen. Bis 2023 wurden die Grundstücksverhandlungen abgeschlossen.
Die aktualisierte Baukostenschätzung von 9,5 Millionen Euro liegt seit Herbst 2023 vor.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat im Herbst 2023 signalisiert, dass eine Beräumung der 1905-07 entstandenen Schlosskeller voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 beginnen und rund 80 Prozent der Kellerfläche umfassen soll. Zunächst sei eine erneute Umsiedlung von Fledermäusen notwendig, für die bereits vor mehreren Jahren ein Ausweichquartier geschaffen wurde. In einem nächsten Bauabschnitt soll die Kellerdecke durch eine nicht verbundene und nicht begehbare Überbauung geschützt werden. Ein späterer Bauabschnitt sieht vor, auf dem Grundriss des barocken Schlossteils das „Bellevue“ zu errichten. (SE)