Schülerinnen und Schüler aus der Musikklasse an der Nehru-Schule besuchten Stolpersteine in der Stadt.
Am 27. Januar erinnerten Bürgerinnen und Bürger, unter ihnen Schülerinnen und Schüler aus der Klasse 5m der Nehru-Schule, am Mahnmal in der Marienstraße an die Opfer des Holocaust. Jedes Jahr an diesem Tag wird in Deutschland und weltweit der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Am 27. Januar 1945 befreite die sowjetische Rote Armee das Vernichtungslager Ausschwitz.
Bürgermeister Andreas Grund sprach zur Kranzniederlegung ehrende Worte des Gedenkens für alle von den Nationalsozialisten Verfolgten und Ermordeten, unter ihnen Juden, Sinti und Roma, behinderte Menschen, Männer und Frauen des Widerstands. Der Bürgermeister erinnerte an die Befreiung Europas durch die Alliierten, zu denen auch die Sowjetunion gehörte. Mit dem Blick auf den Ukraine-Krieg sagte er: „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Russland jemals einen Angriffskrieg gegen eine ehemals befreundete Sowjetrepublik beginnen würde. Ungeachtet des Völkerrechts wird die Ukraine zerstört, werden die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur angegriffen“, sagte er. Wie stark dieser heutige Krieg in Europa auch die Schüler beschäftigt, zeigte sich, als sie darüber spontan das Gespräch mit Andreas Grund suchten. Sehr stark berührte sie, dass in der Ukraine Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser zerstört werden, Kinder und Familien unter den russischen Angriffen leiden und sterben.
Wie es jüdischen Familien in Neustrelitz während der Zeit der Barbarei und Unterdrückung durch die Nationalsozialisten erging, stand im Mittelpunkt eines kleinen Rundganges, auf den sich die Schülerinnen und Schüler schon im Unterricht sehr gut vorbereitet hatten. Dr. Ernst Dörffel, Initiator der Neustrelitzer Initiative „Sie waren unsere Nachbarn“, führte zu den Stolpersteinen vor den früheren Wohnhäusern jüdischer Einwohner in der Augustastraße 27 und am Töpferberg 4. „Die Stolpersteine liegen hier, damit wird mit unseren Gedanken `stolpern` und uns immer an das Schicksal der Menschen, die hier gelebt haben, erinnern“, erläuterte er im Gespräch mit den Kindern. Die Mädchen und Jungen trugen Gedichte und Texte vor. Zum Gedenken an die vertriebenen, deportierten und getöteten jüdischen Familien legten sie weiße Rosen auf die Stolpersteine.
In der Augustastraße 27 lebten Salomon und Henriette Rosenthal. Salomon Rosenthal, geboren 1866, war der Gründer der Firma „S. Rosenthal Häute, Felle und Rauchwaren“. Unter den Nazis wurde er zwangsenteignet und mehrfach verhaftet. 1943 verstarb er im Ghetto Theresienstadt. Seine Ehefrau Henriette wurde bei einem Nazi-Überfall schwer verletzt und starb danach. Drei ihrer fünf Kinder waren vor 1933 gestorben, zwei Söhne konnten wahrscheinlich auswandern.
Im Töpferberg 4 führte Moses Rosenbaum, geboren 1892, ein Geschäft für Arbeitskleidung. Bereits 1933 postierten sich SA-Leute vor dem Haus mit der Parole: „Kein deutscher kauft in einem jüdischen Geschäft“. Nach seinem Tod 1934 musste die Ehefrau Martha das Geschäft aufgeben und zog mit den beiden Töchtern nach Berlin. Mit ihrem zweiten Mann emigrierte sie nach Belgien und konnte mit den Töchtern zu Kriegsbeginn noch in die Schweiz flüchten, während ihr Mann nach Auschwitz deportiert wurde und 1943 dort starb.