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Strelitzer Echo
Ausgabe 5/2024
Redaktionelles
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Brief an den Bürgermeister gewinnt Preis

WIBA - Preisverleihung 2024: Glückwünsche an die Preisträgerin Annika Wloczyk von Bürgermeister Andreas Grund (li.) und Jurymitglied Christoph Poland (re.): Fotos (2): Baganz

Daniel Sanders. Quelle: KWA

Sprachpreis Musikschüler_Reetz_koncentus: Die jungen Musiker von der Kreismusikschule kon.centus unter Leitung von Kathleen Reetz (li.) begeisterten mit ihrem Spiel.

25 Jahre Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler

Annika Wloczyk aus Neustrelitz hat den Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler 2024 erhalten. Die Schülerin einer 6. Klasse der IGS „Walter Karbe“ Neustrelitz nahm die Auszeichnung der Stadt Neustrelitz auf der Festveranstaltung zur Preisverleihung am 11. März im Kulturquartier entgegen. In diesem Jahr hatten sich 15 Schülerinnen und Schüler aus 6. bis 12. Klassen um den Preis beworben, der für Sachtexte vergeben wird.

Annika Wloczyk setzt sich in ihrem Text mit dem Thema Schottergärten auseinander. In einem Brief an den Bürgermeister fordert sie ein Verbot solcher Gärten. Sie findet, Gärten sollten so vielfältig gestaltet sein, dass Insekten Nahrung finden, denn sie seien für die Bestäubung von Pflanzen wichtig. Pflanzen wiederum trügen zu einer besseren Luft in der Stadt bei. Annika argumentiert kurz, prägnant und authentisch und ihrem Zweck entsprechend. Sie handelt ihr Thema im Einklang mit der gewählten Textsorte ab. Das überzeugte die Sprachpreis-Jury. Laudator Christoph Poland hob die Übereinstimmung von Inhalt und Form hervor, die diesen Sachtext auszeichnet. Die Preisträgerin habe ihr Thema und ihre Absicht mit eigenen Worten sehr konsequent umgesetzt.

Eine Fördernde Anerkennung erhielt Richy Hahn, der eine 7. Klasse am Gymnasium Carolinum besucht. Auch er wählte die Form eines Briefes, und wendet an Adressaten beim NABU und im Stadtplanungsamt. Darin bedauert er das Verschwinden von immer mehr Lebensräumen für Insekten und Vögel in seinem Wohnumfeld und beschreibt seine Beobachtungen, dass zu viel Rasen gemäht wird und Bäume gefällt werden, in denen Vögel nisten.

In diesem Jahr war das Spektrum der selbst gewählten Themen besonders breit, stellte Jurymitglied Christoph Poland fest. „Thema Nr. 1“ war der Umweltschutz. Die Schüler schrieben außerdem über Themen, wie Glück, Lebenserfüllung und Gefühlsbindungen, zum Beispiel an das Fußballspielen. Auch das Singen von Liedern wurde zum Anlass genommen, um über Gefühle nachzudenken.

Wissen allein genügt nicht

Die Stadt verleiht den Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler seit 25 Jahren. Die Idee, einen Preis für gutes Deutsch im Alltag auszuloben, entstand schon 1997 am Rande der städtischen Festwoche zum 100. Todestag des Lexikografen, Sanders war die Bildung der Jugend ein besonders Sprachforschers, Lehrers und Demokraten Daniel Sanders (1819-1897). Anliegen. „Sanders meinte dabei immer Geistesbildung und Herzensbildung. Fehlte das eine, war es für ihn nur Halbbildung. Wissen allein genügt also nicht, wenn man nicht weiß, was Wissen für das Leben bedeutet“, so Christoph Poland.

Für Sanders waren sprachliches Können und die Fähigkeit zu klarem unmissverständlichem Ausdruck Voraussetzungen, um den Anforderungen in Beruf und Gesellschaft gerecht werden zu können. Diesen Gedanken greift der Daniel-Sanders-Sprachpreis für Schülerinnen und Schüler auf.

Seit der ersten Preisverleihung im Jahr 1999 wurden 41 Kinder und Jugendliche mit dem Sprachpreis ausgezeichnet. Außerdem erhielten 13 Mädchen und Jungen eine Fördernde Anerkennung. Seit 2014 können sich Schüler ab der 6. Klasse bewerben. Davor bestand der Zugang ab der 8. Klasse. Der Wettbewerb wendet sich an alle Schüler allgemeinbildender Schulen, die auf dem Gebiet des Altkreises Mecklenburg-Strelitz wohnen und/oder zur Schule gehen. Literarische Texte sind nicht zugelassen. Eine ehrenamtliche Fachjury wertet die eingereichten Arbeiten aus und bestimmt die Preisträger.

Bürgermeister Andreas Grund bekräftigte, dass der Sprachpreis ein wichtiges Anliegen der Stadt Neustrelitz bleibt, „denn wir werden Daniel Sanders auch weiterhin ehren und Schülerinnen und Schüler unterstützen, die die Sprache und das Schreiben als ihre ganz persönliche Ausdrucksmöglichkeit entdecken und entwickeln wollen. Wenn unsere Förderung einen Teil dazu beitragen kann, haben wir viel erreicht.“ Die Überzeugung von Sanders, dass es überall in der Gesellschaft auf die Fähigkeit zu guter Kommunikation ankomme, sei nach wie vor aktuell. Gegenwärtig würden Menschen vielfach Worten und Informationen misstrauen. „Ich glaube, Daniel Sanders würde uns dazu raten, immer auf die Bedeutung von Wörtern zu achten. Die Wirklichkeit hinter den Wörtern und hinter dem Gesagten zu prüfen. Und zu bedenken, dass Wörter vielfältige Bedeutungen haben können. Das ist nichts Schlimmes, es macht unsere Sprache aus. Schlimm wird es erst, wenn jemand meint, bestimmen zu dürfen, welche Deutung die vermeintlich einzige und richtige ist.“, so Andreas Grund. Wichtig sei es, Wörter mit Bedacht zu benutzen, selber nachzudenken und miteinander zu reden: „Stellt Eure Fragen, in der Schule, zuhause, überall wo Ihr Problemen begegnet oder sich etwas aufdrängt, was Ihr nicht versteht.“ (SE)

Daniel Sanders: Sprachforscher, Lehrer, Demokrat

Daniel Sanders wurde am 12. November 1819 in Strelitz (heute Stadtteil Strelitz-Alt) als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Nach dem Besuch der jüdischen Schule in Strelitz ging Daniel Sanders aufs Gymnasium Carolinum. Nach dem Studium in Berlin und Halle

unterrichtete er in der jüdischen Freischule seiner Heimatstadt. Eine Stelle als Gymnasiallehrer war für den Juden Sanders trotz Oberlehrerexamens und Promotion unerreichbar. 1848 begründete der Demokrat Sanders den Strelitzer Reformverein mit, der sich im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz für die Demokratisierung der Gesellschaft einsetze. Zusammen mit dem Dichter Adolf Glaßbrenner gab er die Zeitschrift „Blätter für freies Volksthum“ heraus. Nachdem die jüdische Schule in Strelitz 1852 geschlossen worden war, widmete sich Sanders ganz der Lexikografie und Sprachforschung. Er gab ein dreibändiges „Wörterbuch der Deutschen Sprache“ heraus, das auf den praktischen Sprachgebrauch ausgerichtet ist. Dieses umfangreiche Werk, seine nachfolgenden Schriften und Veröffentlichungen haben bis heute Gültigkeit. Doch die akademische Anerkennung blieb Sanders aufgrund seiner jüdischen Abstammung zu Lebzeiten weitgehend versagt. So bedienten sich auch die Gebrüder Grimm judenfeindlicher Klischees, um Sanders herabzusetzen, was sich nach ihnen bis in das 20. Jahrhundert hinein fortsetzte.

Daniel Sanders selbst hielt den Antisemitismus für eine vorübergehende Erscheinung.

In einem seiner Stücke schreibt er, „der Antisemiten Treiben es wird nicht lange bestehen und bleiben…“ Vielmehr strahle „in reinem Glanz Menschlichkeit, Freiheit und Toleranz.“

Von seiner Vaterstadt Strelitz 1889 zum Ehrenbürger erklärt, strichen die Neustrelitzer Nazis Sanders wieder von der Ehrenbürgerliste. Dieses Unrecht wurde erst 1997 revidiert. (SE)