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Strelitzer Echo
Ausgabe 9/2023
Redaktionelles
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Müllsammeln im Furstensee

Auf täglichen Spaziergängen mit ihrem Hund findet Lucie ständig neuen Müll - und sie sammelt ihn auf.

Plastik hat in Wald und Flur nichts zu suchen, also weg damit!



„Fangt an und es wird immer leichter!“

Ich bin Lucie Luther, 17 Jahre, Schülerin des Gymnasiums Carolinum, und meine Familie lebt schon seit mehreren Generationen in der gleichen Region, im gleichen Haus, in Fürstensee. Ich kenne den Wald um die Ecke besser als mein Zimmer. Wir haben den See, den Wald und eine Wiese zwischen Altstrelitz und Fürstensee und viele Ackerflächen.

Um auf den Punkt zu kommen: Ich setze mich gerne für Umweltschutz ein. Ich bin politisch aktiv, also im Jugendbeirat, ich helfe gerne der FFF - (Fridays for future) Gruppe und arbeite auch an meinem Alltag. Weniger Fleischkonsum und Plastikverbrauch und vor allem: Müllsammelaktionen. Und hier kommen wir zur persönlichen Note.

Seit mehr als einem Jahr verbinde ich meine täglichen Spaziergangrunden mit meinem Hund mit dem Sammeln von Müll. Müll im Sinne von: Bauschutt, wie Laminate, alte Waschmaschinen, Geschirrspülertüren, Asbest, Plastikblumentöpfe. Plastikverpackungen von Wurst, Schokoriegeln oder Gummibärchen. Masken. ToGoBecher. Tetrapaks. Und Glasflaschen, Massen an Glasflaschen und Scherben.

All das Zeug dokumentiere ich, indem ich es als Bild auf Instagram poste. Das Gegenteil der heilen Welt, wie sie auf Insta zu finden ist, die reale Welt.

14.01.2022

Es ist zu viel. Ich versteh es nicht mehr.

Ich habe den Acker abgesucht und alles raus geholt. Wieso die Besitzer es nicht juckt, warum da Massen an alten Tüten in dem Boden ihres Ackers lagern? Gute Frage! Man kann, soweit ich weiß, immer den einfachen Weg gehen...

Einfach weiter Kohle verbrennen.

Einfach weiter die Meere verschmutzen.

Einfach weiter Abgase produzieren.

Einfach weiter alles in die Umwelt schmeißen.

Und einfach weiter ignorieren.

Ist es euch peinlich? Frag ich mich. Peinlich den Müll anderer wegzuräumen, peinlich so etwas überhaupt anzufassen, schämt ihr euch vor den anderen Blicken oder Aussagen oder für euch?

Habt keine Angst davor, den komplizierten Weg zu gehen. Habt keine Angst davor, diesen Müll wegzuräumen. Das gilt in Dorf, in Wald und in Stadt!

Es wird immer Menschen geben, denen man hinterher räumen muss, es wird immer Menschen geben, die die Komplexität und Wichtigkeit der Natur noch nicht raffen. Aber bitte seid nicht wie sie!

Es gibt dort draußen so viele Kinder, Jugendliche, Ältere, die sich nicht zu schade sind, diesen Menschen hinterher zu räumen. Es gibt Kinder, Kinder in Schwellenländern, die Hand in Hand mit dem WWF ihren Strand in ihrer Heimat aufräumen, aufräumen von dem Müll den wir Industrieländer dort "entsorgt" haben. Diese Kinder wissen, dass es Mut braucht, aber auch Willen, um die Umwelt sauberer zu machen.

Die Städte, eure Dörfer, eurer Wald oder Strand müssen nicht so aussehen. Es muss dem Wald nicht so gehen.

Bitte, denkt daran, falls ihr wieder eine Tüte über die Straße fliegen seht und keiner senkt nur den Finger danach.

01.02.2022

Eine Wurst- und Schokoriegelverpackung, hunderte Taschentücher (die ich nicht mitgenommen habe...) und zahllose Masken. Jemand fand es besonders lustig, 6 bis 7 Stück an Bäume und Büsche zu hängen.

Sehr erwachsen.

10.02.2022

Wenn ihr einen LKW, Zeit und natürlich Geld habt, dann ruft mich gerne an. Ich hab genug zum Aufladen.

06.03.2022

Nach langem mal wieder eine große Runde.

Es waren ein voller Eimer und zwei volle blaue Säcke, und wir mussten deswegen manches in der Bushaltestelle auf der Hälfte des Weges entsorgen (leider).

Der eine blaue noch heile Eimer vom letzten Mal ist zum Glasflaschensammeln da, jedoch ist er durch die heutige Tour komplett voll. Morgen geht's erstmal zum Altglascontainer.

08.04.2022

Die ersten Fotos sind vermehrt Plastikteile und -verpackungen. Eine Tüte hab ich leider nicht finden können... Zu schade um meine Jackentaschen.

Notiz an mich: Nur Müll sammeln, wenn es vorher nicht in Strömen regnete.

Es hängt schon seit Wochen eine orange Plastiktüte irgendwo am Straßenrand... Aber ich finde sie einfach nicht. Leider sehe ich sie nur, wenn ich dran vorbeifahre. Wer hätte es gedacht. Beim Suchen aber scheint sie sich zu verstecken.

14.05.2022

Guten Tag, liebe Menschen.

Ich hatte wirklich Hoffnung. Echt.

Alles blühte auf. Das Gestrüpp wechselte von Olive- zu hellem Neongrün und die Blüten zu falb- und rosafarbenen. Ich liebe den Frühling. Viele Tage des Spazierengehens sah ich weder Tüte noch Beutel.

Bis ich eines Tages erneut an diesem Acker vorbeilief. Immer dieser Acker.

Die Grillen übertönten im lauten Chor den heftigen Wind, als Plastikfetzen vor meinen Weg flogen. Ich habe mir schon vorgenommen, den Bauern von diesem Acker ein paar Fragen zu stellen.

Deswegen meine Lieben, seht ihr hier nicht nur wunderschöne vollkommene Natur, sondern auch die Macht des Menschen.

04.08.2022

Es ist warm. Es ist erstickend warm. Und ja, natürlich - hier kann man gut Urlaub machen. Also, nichts gegen die Touristen hier.

Aber es ist ein See. Keine Müllhalde. Der Mülleimer steht 10 Meter entfernt!

So oder so habe ich versucht mich an eine Regel zu halten: "Nimm jeden Tag drei Dinge aus der Natur mit, die offensichtlich nicht dorthin gehören."

Natürlich ist es möglich, mehr mitzunehmen, aber es ist ein schöner Einstieg. Es ist einfach anzufangen. Und auch wenn es kein Spaß macht, es ist eben doch das richtige. Ich kann wirklich nur jedem ans Herz legen: Fangt an und es wird immer leichter. (Und manchmal macht es auch Spaß, ein paar Plastiktüten auf dem Hof zu zerreißen, bevor man sie vernünftig entsorgt).

Noch eine erholsame Hitze. Wo auch immer ihr gerade seid.

25.10.2022

Heute gab's mal weniger an Zeugs. Also an Zeugs, welches aufm Acker rumliegt und unsere Pflanzen verseucht. Auch mal schön.

26.12.2022

Nochmal ein Rundgang bevor die Einzelteile der Böller im Wald liegen.

Das meiste lag wohl schon länger oder ist hochgespült worden vom letzten Regen. Ach so, hatte ich jemals erwähnt, dass ich Silvester nicht leiden kann? Ist es der Müll, der Lärm, der Rauch, die Massen der Menschen, vielleicht ist es auch alles zusammen.

Ohne zu knallen kann man genauso viel Spaß haben.

13.01.2023

Es sind schon wieder die gleichen Flaschen. Diese grünen Glühweinflaschen und die Wein-Tetrapacks.

Ich werde mit ein paar Leuten darüber reden und hoffen, dass sie wissen, was man dagegen tun könnte.

Mülleimer wären schon mal ein guter Anfang.

Die ganzen Zigarettenpackungen häufen sich ebenso. Es liegt überall noch so viel rum: entweder am Straßenrand oder direkt bei den Kühen, nahe der Heuballen. Es macht mich fertig.

Ich habe mich gänzlich nicht mehr so alleine gefühlt. Ich liebe das, was ich tue, ansonsten würde ich irre werden, aber es hat keinen Effekt. Egal wie viel Müll ich aufsammle, er kommt immer und immer wieder zurück. Doppelt oder dreifach so viel.

Ich weiß keine Hilfe und tappe im Dunkeln.

Es wird mich nicht am Weitermachen hindern, schließlich habe ich der Umwelt ein Versprechen gegeben, aber es wird mich deprimieren. Und nach jedem Spaziergang verfluche ich die Menschheit mehr.

Würden sie es nur sehen. Würden sie es nur hören. Würden sie nur versuchen, sich zu bemühen.

Es ist fast ein Jahr her, und von der Masse hat sich nichts geändert. Es wird niemals aufhören.

Ihr müsst wissen, dass die anderen Menschen, die das alles nicht sehen wollen, niemals aufhören werden.

Bleibt dran. Gebt nicht auf. Irgendwann passiert es. Auch wenn ihr sonst noch so viel Müll schleppen müsst.

12.02.2023

Hab die letzten paar Tage bisschen was angesammelt. In drei Spaziergängen findet sich schon was an.

Es ist noch immer kein Rückgang in Sicht. Aber wenigstens sehen die Äcker in letzter Zeit wieder besser aus. Dafür ist der Müll an den Straßenrändern mehr geworden.

So langsam beschleicht mich das Gefühl, dass, wenn ich an einer Stelle etwas wegräume, es an einer anderen wieder auftaucht.

Menschen eben. Nicht wahr?

Als Fazit kann ich sagen, dass ich weiter machen werde. Aber irgendwann werde ich mit meinem Abitur wegziehen, studieren und danach hoffentlich wieder her kommen.

In der Zeit muss sich jemand darum kümmern, den Platz einnehmen sozusagen.

Und damit möchte ich etwas vorschlagen. Eine jährliche Aufräumaktion. Eine Art Frühjahrsputz für die Umwelt, an Stellen, wo der Stadt die Hände gebunden sind.

Es ist nur eine Idee und man muss es noch weiter planen, aber es würde mich vom Herzen freuen, wenn wir, Neustrelitz, so etwas einführen könnten. Soweit ich weiß wurden solche Aktionen schon einmal gemacht. Wieso nicht nochmal? Schließlich lieben wir unsere Natur. Und ich bin der Meinung, dass Klimaschutz auch gut regional anfangen kann. Dass wir das zusammen anfangen können.

(Aus Lucies Rede bei der letzten FFF-Demonstration in Neustrelitz)