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Nieparser Amtskurier
Ausgabe 2/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Repowering der Windenergieanlagen in Lüssow und Möglichkeiten kommunaler Einflussnahme

Unlängst gab es eine Anfrage der Gemeinde Lüssow an die Amtsverwaltung, ob die Entscheidung zum Repowering der Windenergieanlagen in der Gemeinde Lüssow einem Bürgerentscheid zugänglich ist.

Dazu gibt es eine klare Antwort: ein Bürgerentscheid dazu ist nicht möglich!

Diese Rechtslage ergibt sich aus § 20 Abs. 2 Ziffer 4. der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern. Darin ist geregelt, dass Bürgerentscheide über Einvernehmenserteilungen, Bauleitplanung und andere förmliche Verwaltungsverfahren nicht stattfinden.

Im Ergebnis ist es sogar so, dass die Gemeinde im Falle von Windenergie bei Neuplanungen und bei Repowering überhaupt keine Zuständigkeit besitzt. Die Entscheidungen liegen alleine bei der Regionalplanung (Amt für Raumordnung und Landesplanung in Greifswald) und beim StALU (Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt in Stralsund). Nicht hingegen bei der Gemeinde. D.h. weder die Gemeindevertretung noch ein Bürgerentscheid an Stelle der Gemeindevertretung können hier eine Entscheidung herbeiführen oder verhindern.

Zwar kommt zumindest das Baueinvernehmen nach § 36 BauGB (Baugesetzbuch) mit ins Spiel, aber selbst wenn die Gemeinde das ablehnen würde, so würde es durch die höhere Behörde ersetzt werden können.

Viele weitere Aspekte geben der Windenergie viel „Rückenwind“:
  • § 1 EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) besagt, dass die erneuerbaren Energien Vorrang vor allen anderen planerischen Aspekten haben.
  • Repowering ist immer zulässig, wenn dort Windräder bereits vorhanden sind.
  • Windeignungsgebiete werden immer von den übergeordneten Behörden ausgewiesen.
Dennoch kann die Gemeindevertretung versuchen, gewisse, für sie wichtige Punkte, mit den Betreibern zu verhandeln:
  • eine Ausschüttung in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde nach § 6 EEG
  • einen örtlich günstigeren Stromtarif für die Anwohner
  • eine Beteiligung der Gemeinden und der Bürger an den Windenergieanlagen: beim Neubau von Windenergieanlagen schreibt das „Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz“ einen Anteil von 20 % vor, d.h. 10 % für die Gemeinde und 10 % für die Bürger. Machen die Bürger von ihrem Anteil keinen Gebrauch, so kann die Gemeinde diese 10 % auch noch übernehmen.
  • Wollen sich die Bürger beteiligen, so wäre beispielsweise die Beteiligung in Form einer Genossenschaft denkbar, die die Kommanditanteile erwirbt. Aber auch der Erwerb von Anteilen über eine Bank ist möglich.
  • bestimmte Abstände von der Wohnbebauung
Nun noch ganz kurz zum Bürgerentscheid und zum Bürgerbegehren gemäß § 20 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern:

Statt eines Gemeindevertreterbeschlusses können einige Angelegenheiten auch durch die Bürger selbst mittels Bürgerentscheid entschieden werden. Manche Themen, so schreibt es § 20 Abs. 2 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vor, dürfen nicht per Bürgerentscheid entschieden werden (zum Beispiel die Verwaltungsorganisation, Haushaltsplanung, förmliche Verwaltungsverfahren, Satzungen zum Anschluss- und Benutzungszwang…).

Die Gemeindevertretung selbst kann die Durchführung eines Bürgerentscheid beschließen, dann heißt es Vertreterbegehren. Aber auch die Bürger selbst können einen Bürgerentscheid beantragen. Dann nennt es sich Bürgerbegehren. Einige formale Voraussetzungen sind in den Bürgerbegehren zu berücksichtigen. Dann kann der entsprechende Entscheid an einem Wahlsonntag stattfinden.

Wie schon oben beschrieben, können die Lüssower Bürger zum Thema Windenergie kein Bürgerbegehren anstrengen und keinen Bürgerentscheid durchführen, da es sich nicht um eine Angelegenheit der kommunalen Entscheidungsfindung handelt. Es bleibt also nur die Möglichkeit, auf einer Gemeindevertretersitzung oder einer Einwohnerversammlung die oben genannten Punkte zu verhandeln.

Aber auch eine informelle Bürgerinitiative oder Interessengruppe könnte versuchen, die Belange der Anlieger in den Verhandlungen zu vertreten. Oftmals gehen die Betreiber von Windenergieanlagen auf solche Wünsche ein, um die Anlagen im Konsens mit den Bürgern zu betreiben.

Offene Fragen zu der Thematik können über die Einwohnerfragestunde auf den Gemeindevertretersitzungen an die Amtsverwaltung weitergeleitet werden. Fragen, die auch dort nicht beantwortbar sind, werden dann an die übergeordneten oder an die Fachbehörden weitergeleitet, um die Antworten sodann über die Gemeindevertretung an die Bürger zurückzuleiten.

Peter Forchhammer, LVB Amt Niepars
Thomas Kamphues, Bürgermeister der Gemeinde Lüssow