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Unser Landkreis Rostock
Ausgabe 2/2023
Seite 6
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Nachgefragt: Frauen in der Kreispolitik

Marie Luise Heger

Marion Starck Gleichstellungsbeauftragte Büro für Gleichstellung und Kriminalprävention https://www.landkreis-rostock.de/gleichstellung

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Rostock, Marion Starck, stellt in Ihrer InfoPost des Büros für Gleichstellung und Kriminalprävention engagierte Frauen mit Profil vor. Die Ausgangsfrage lautet:

Warum sind so wenig Frauen im Kreistag vertreten? Weshalb ist das so? Sind es die Rahmenbedingungen oder die kommunalpolitischen Strukturen, die flexibler werden müssen? Wenn ja - welche und wer würde sich dafür einsetzen? Was können Parteien und Kommunen, also WIR aktiv vor Ort tun, um den Frauenanteil zu erhöhen? Wir brauchen mehr Frauen, die ihre Kompetenzen, Sichtweisen und Alltagserfahrungen in die Kommunalpolitik einbringen! Vor diesem Hintergrund stellt Marion Starck in der InfoPost repräsentative Beispiele für Frauen mit Haltung in der Landkreispolitik vor. Frauen sollten nicht mehr nur die Ausnahme in Parlamenten sein, sondern vielmehr die Regel. Gleichstellung ist nicht für jede und jeden das Gleiche, jedoch für alle das Richtige.

Also eine Frage der Haltung.

Im Landkreis Rostock arbeiten erfolgreiche Kommunalpolitikerinnen und Bürgermeisterinnen, sie stellen ein Vorbild für andere Frauen dar. An dieser Stelle werden Frauen porträtiert, die eine Haltung haben und sich dazu äußern.

Das Fazit schon einmal vorweg genommen: Es lohnt sich, sich für Gleichstellung und Parität einzusetzen!

In dieser Ausgabe: Marie Luise Heger (Bündnis 90/die grünen)

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Um ehrlich zu sein, bin ich eher reingerutscht, als dass ich mich bewusst dafür entschieden hätte, obwohl ich schon immer politisch und gesellschaftlich interessiert war. Es hat sich durch verschiedene Umstände so ergeben.

Woran liegt es, dass es kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern im Kreistag und den Ausschüssen gibt?

Oft wird an dieser Stelle ja behauptet, es liege daran, dass es nicht genug Betreuungsplätze gibt. Darüber ärgere ich mich immer etwas, denn natürlich brauchen wir genug Betreuungsplätze, gar keine Frage. Aber warum hält das Fehlen von Betreuungsplätzen Frauen davon ab, Politik zu machen, aber Männer nicht? Das eigentliche Problem ist doch, dass der allergrößte Teil der Care-Arbeit noch immer ausschließlich von Frauen erledigt wird. Wenn die Männer endlich ihre Hälfte der Care-Arbeit übernehmen, haben die Frauen auch den Kopf frei für die Hälfte der Macht!

Was muss sich ändern?

Das habe ich ja in meiner Antwort oben schon angedeutet. Die ganze unbezahlte Care-Arbeit darf nicht mehr nur an den Frauen hängen bleiben. Gleichzeitig müssen wir sensibler dafür werden, wie sehr wir immer noch Jungs zur Macht erziehen und Mädchen zur Zurückhaltung und zum Kümmern, oft unbewusst und ungewollt. Die patriarchalen Strukturen sind so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass man sie oft erst auf den dritten, vierten oder fünften Blick erkennt. Das geht mir selber nicht anders.

Was hat sich durch Ihre politische Arbeit im Landkreis Rostock bereits verändert?

An dieser Stelle muss ich leider ganz ehrlich sagen: Leider noch nichts. Ich bin aber auch erst Anfang letzten Jahres als Nachrückerin in den Kreistag gekommen, also noch gar nicht so lange dabei. Was mich aber persönlich sehr freut, dass ich es in Gesprächen mit älteren Kreistagsmitgliedern erlebt habe, dass auch hier ein Umdenken möglich ist, zum Beispiel zum Thema Gendern.

Ihre Vorhaben für die kommenden fünf Jahre sind ...?

Die Wahlperiode neigt sich ja schon wieder dem Ende zu und die nächsten Kommunalwahlen rücken langsam in Sicht. Zum einen ist es mein Ziel, wiedergewählt zu werden und im nächsten Kreistag von Anfang an dabei zu sein. Zum anderen hoffe ich, dass wir mehr junge Frauen finden, die für den Kreistag und auch die Gemeinderäte kandidieren und dann auch gewählt werden oder als sachkundige Einwohnerinnen in den Ausschüssen mitwirken.

Wie stehen Sie zur gleichberechtigten Gesellschaft, Stichwort „Parität in Parlamenten“?

Ich halte das für ganz wichtig und grundlegend. Dabei finde ich nicht nur Parität in Bezug auf die Geschlechter wichtig, sondern Vielfalt in jeder Hinsicht. Die Parlamente sollten die Gesamtgesellschaft abbilden, was Geschlecht, Herkunft, Bildung und Beruf, Religion, sexuelle Orientierung und noch weitere Aspekte betrifft. Davon sind wir aktuell noch ganz weit entfernt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich natürlich auch die Parteien fragen, wie es gelingen kann, Mitglieder quer durch die ganze Gesellschaft zu gewinnen.

Gibt es weibliche Vorbilder?

Es gibt natürlich viele tolle Frauen in den Generationen vor mir, die noch unter ganz anderen Umständen für Gleichberechtigung gekämpft haben und uns damit den Weg geebnet haben. Vorbilder sind für mich aber vor allem auch junge Politikerinnen, zum Beispiel Aminata Touré, die ja seit Juni Ministerin für Soziales in Schleswig-Holstein ist, oder Terry Reintke, eine Grüne Europa-Abgeordnete. Ich bewundere das Selbstverständnis, mit dem sie auftreten und Politik machen. Davon würde ich mir gerne eine Scheibe abschneiden. Aber auch Frauen aus ganz anderen Bereichen finde ich inspirierend, zum Beispiel die Radsportlerin Fiona Kolbinger. Sie hat 2019 als erste Frau das Transcontinental Race, ein Radrennen quer durch Europa, gewonnen, vor allen teilnehmenden Männern. Mein Eindruck ist, dass all diese Frauen nicht fragen „Kann ich das?“, sondern sie machen es einfach - deswegen sind sie Vorbilder für mich.

Wie haben Familie und Kollegen reagiert, als Sie in die Politik gegangen sind?

Ich habe bisher nur positive Rückmeldungen und Unterstützung erfahren.

Was können Sie als Kommunalpolitikerin tun, um mehr junge Frauen zum Mitmachen zu bewegen?

Ich denke, gerade auf der kommunalen Ebene und bei uns im ländlichen Raum ist es besonders wichtig, die jungen Frauen direkt und gezielt anzusprechen, ihnen Mut zu machen und - ganz wichtig - sie dann auch zu unterstützen. Gerade, wenn man ganz neu in der Politik ist, hat man ja ganz schön zu tun, sich zurechtzufinden.

Haben Sie eine Botschaft an unsere Leserinnen und Leser?

Ich möchte alle dazu ermutigen, selbst aktiv zu werden und sich in den Gemeinden oder auf Kreisebene zu engagieren. Das muss ja nicht gleich ein Mandat sein, es gibt auch noch so viele andere Möglichkeiten, in den Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder einfach in Form von Nachbarschaftshilfe. Wir brauchen dieses Engagement so dringend als Basis für unsere Demokratie.

Sie haben einen Wunsch frei …..

Ich wünsche mir, dass der nächste Kreistag zu mindestens 40 Prozent mit Frauen beziehungsweise FINTA*-Personen besetzt ist.

*Die Abkürzung FINTA* steht für Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender. Auch andere Selbstbezeichnungen von Menschen, die sich nicht mit den gesellschaftlichen Kategorien männlich oder weiblich identifizieren, wie beispielsweise genderqueer, sind eingeschlossen.