Birgit Czarschka, SPD FRAKTIONSVORSITZENDE
Marion Starck Gleichstellungsbeauftragte Büro für Gleichstellung und Kriminalprävention https://www.landkreis-rostock.de/gleichstellung
Jens Wagner - Katy Hoffmeister, CDU
Jens Wagner - Karin Schmidt, VORSITZENDE DER FRAKTION DIE LINKE
Barbare Kirchhainer, DIE LINKE
Jens Wagner - Birgit Schwebs, DIE LINKE
Jens Wagner - Dörte Schmidt parteilos, Mitglied in der Fraktion DIE LINKE
Jens Wagner - Dr. Benita Chelvier, CDU
Marie Luise Heger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jens Wagner - Wiebke Fischer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jens Wagner - Steffi Burmeister, AFD
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Rostock, Marion Starck, porträtierte seit September 2019 engagierte Politikerinnen des Kreistages des Landkreises Rostock. Dafür stellte sie allen Frauen dieselben Fragen. So konnte ein Eindruck vermittelt werden, warum weniger Frauen im Kreistag vertreten sind.
Sind es die Rahmenbedingungen oder die kommunalpolitischen Strukturen, die flexibler gestaltet werden müssen?
Marion Starck: „Auf jeden Fall brauchen wir mehr Frauen, die ihre Kompetenzen, Sichtweisen und Alltagserfahrungen in die Kommunalpolitik einbringen! Deutlich wurde immer wieder, Politik beginnt vor Ort, auf der Ebene der Gemeinden, Städte und letztlich im Landkreis.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Politikerinnen, die an der Interviewreihe teilnahmen und ihre Haltung zur Gleichstellung deutlich machten.“
Das Fazit, das vorweggenommen wurde, bestätigte sich! Es lohnt sich, sich für Gleichstellung und Parität einzusetzen, denn Politik soll die Belange aller widerspiegeln. Wir brauchen verschiedene Perspektiven auf politische Entscheidungen, um zu verhindern, dass Geschlechter oder gesellschaftliche Gruppen benachteiligt werden. Parität bedeutet 50/50. Nur mit paritätisch besetzten Gremien wird es gelingen, die Benachteiligungen und Ungleichheiten für Frauen unter anderem bei der Bezahlung, Betreuung von Familienangehörigen oder bei der Altersvorsorge abzubauen und schließlich zu beseitigen. Es gibt viele Gesetze, die die Gleichberechtigung formal regeln, jedoch fehlen immer wieder verbindliche Rahmenbedingungen vor Ort. Deshalb müssen Frauen in den Parlamenten auf allen Ebenen Einfluss nehmen können. Gleichberechtigung ist ein Grundrecht. Gleichstellung ist nicht nur ein Frauenthema - sie ist
eine Frage der Haltung.
Immer wieder werde ich gefragt:
Was bedeutet denn Gleichberechtigung von Frauen und Männern?
Darauf möchte ich gerne näher eingehen.
Gleich berechtigt beinhaltet im Grunde das gleiche Recht, Dinge zu tun, zu haben oder zu sein. Gleichberechtigung bewegt sich zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiven Fakten. Anspruch und Wirklichkeit klaffen dabei weit auseinander.
Gleichstellung zielt darauf ab, Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation der im Prinzip gleichberechtigten Gruppen politisch umzusetzen. Es geht nicht um Gleichmacherei, vielmehr um gleiche Chancen.
Wie sieht es in Deutschland aus?
In Deutschland ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht, jedoch besteht bei der tatsächlichen, alltäglichen, strukturellen Gleichstellung noch viel Luft nach oben. Per Gesetz ist die Gleichberechtigung nicht allein zu erreichen, nur mit verlässlichen, verbindlichen Rechtsgrundlagen sind Veränderungen und Chancengerechtigkeit denkbar.
Sind Frauen und Männer nicht schon längst gleichgestellt?
131 Jahre dauert es noch, bis wir alle gleichberechtigt leben können - das hat das Weltwirtschaftsforum für den Global Gender Gap Report 2022 ausgerechnet. Ein Bericht von UN Women geht davon aus, dass es sogar noch 285 Jahre sind, bis wir weltweit eine rechtliche Gleichstellung ohne diskriminierende Gesetze erreicht haben.
Wo liegen die Herausforderungen heute?
Gerne verdeutliche ich dies anhand von Beispielen, in denen es um mangelnde Gleichberechtigung geht, denn Frauen sind 2023 immer noch nicht gleichberechtigt!
Frauen sind in allen politischen Gremien unterrepräsentiert, erhalten weniger Geld für gleiche oder gleichwertige Arbeit (18 Prozent) und arbeiten viel häufiger in Teilzeit-Jobs. Sie haben oft schlechtere Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten und erhalten deutlich weniger Rente als Männer. Die Altersarmut ist weiblich! Frauen besetzen deutlich weniger Führungspositionen in Aufsichtsräten.
Zu erwähnen ist, dass die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben ein Frauenthema ist. Frauen leisten 52 Prozent mehr Haus- und Pflegearbeit ohne angemessene gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung.
Frauen sind häufiger Opfer von körperlicher und seelischer Gewalt und nur ein Bruchteil der Taten wird öffentlich und angezeigt. Immer noch kämpfen Frauen dafür, über ihre Körper selbst bestimmen zu dürfen.
Frauen sind in den sogenannten MINT-Berufen, also in mathematischen, Informatik-, naturwissenschaftlichen und technischen Berufen unterrepräsentiert. Interessant ist, dass in der Schule junge Mädchen gleichwertige Ergebnisse wie Jungen in den MINT-Fächern erzielen.
Selbst die Städteplanung ignoriert Frauen. Verkehrsnetzwerke sind beispielsweise für Menschen gemacht, die beruflich pendeln, aber nicht für Personen, die verschiedene Orte wie Kita, Schulen, Arztbesuche und Supermärkte an einem Tag ansteuern müssen.
Erzieherische, soziale und pflegerische Berufe, die traditionell überdurchschnittlich häufig von Frauen ausgeübt werden, werden schlechter bezahlt. Diese müssen endlich aufgewertet werden.
Bis zur absoluten Gleichstellung von Frauen und Männern ist es noch ein sehr langer Weg.