Christiane und Ingo Kehl
Pflegekinder machen das Leben bunt
Christiane und Ingo Kehl sind Pflegeeltern. Die beiden gebürtigen Berliner leben in einem Haus mit Hund und großem Garten in Jennewitz, ganz in der Nähe der Ostsee. Seit 1999 wohnen auch Pflegekinder bei ihnen in der Familie.
Ingo Kehl ist in einer Großfamilie aufgewachsen, Christina war ein Einzelkind. Die Idee, Pflegeeltern zu werden, kam von ihm: „Wir hatten bereits zwei Söhne und wo zwei Kinder glücklich aufwachsen, ist auch Platz für weitere Kinder“, erklärt Ingo Kehl. Bis tatsächlich ein Pflegekind bei ihnen einzog, vergingen aber zweieinhalb Jahre. Das war 1996 und die Familie lebte zu der Zeit noch in einem Haus in Berlin. „Um Pflegeeltern zu werden, muss man natürlich zeigen, wer man ist, wie man lebt und wie man finanziell aufgestellt ist. Das fühlt sich erst einmal schon so an, als wäre man eine ´gläserne Familie`, so Christiane Kehl. „Und man lernt, dass man viel Geduld aufbringen muss im Leben, erinnert sich Ingo Kehl weiter. „Man wollte und musste uns eben kennenlernen,“ führt Christina Kehl weiter aus. „Das war uns von Anfang an klar und die Zusammenarbeit mit dem Berliner Jugendamt lief insgesamt gut.“
1999 zog dann der erste Pflegesohn bei den Kehls ein. Familie und Freunde haben unterschiedlich auf die neue Familienkonstellation reagiert. Auch die leiblichen Söhne haben sich anfangs „komisch“ benommen, so Ingo Kehl, dann aber doch „Bock auf die neuen Geschwister gehabt.“ Erst lebt nur ein Pflegekind in der Familie. Es klappte aber so gut, dass sich Christina und Ingo nach einiger Zeit fragten: Wäre es nicht schlau, noch ein weiteres Pflegekind aufzunehmen? Und so kam es dann auch.
Als Pflegeeltern kommen unterschiedliche Paare und Singles in Frage: verheiratete und unverheiratete Paare, mit und ohne eigene Kinder. Auch gleichgeschlechtliche Paare, alleinstehende und alleinerziehende Mütter und Väter oder Patchwork-Familien und Familien mit Migrationshintergrund können Pflegekinder bei sich aufnehmen.
Im Landkreis Rostock bereitet das Amt für Kinder und Jugendhilfe interessierte Personen oder Familien auf ihre neue Aufgabe vor. Es gibt ein Erstgespräch, bei dem Fragen zur Lebenssituation und zu den Beweggründen geklärt, aber auch Fragen der zukünftigen Pflegeeltern beantwortet werden. Dann lernen sich die Pflegeeltern und die leiblichen Eltern kennen. Ist die Grundlage für eine Zusammenarbeit gegeben, findet ein Treffen mit dem Kind statt. Bei Christina und Ingo fand das erste Treffen mit ihrem Pflegekind auf einem Spielplatz statt.
FAKTEN AUS DEM FLYER: So werden Sie Pflegeeltern
[Infobox] Zwischen dem Amt für Kinder und Jugendhilfe und den zukünftigen Pflegeeltern wird nach einem Prozess der Hilfeplanung ein schriftlicher Pflegevertrag abgeschlossen, der die Pflichten und Rechte der Pflegeeltern und des Jugendamtes regelt. [Infobox]
Wir leben Familie.
Im Wohnzimmer der Familie Kehl hängen Familienfotos, durch die Terassentür kann man in den großen, bunten Garten blicken. Der rote Schuppen draußen erinnert an Schweden. „Wir sind eine ganz normale Familie und haben einen ganz normalen Familienalltag. Mit allen Höhen und Tiefen“ - das betonen Christina und Ingo mehrfach. „Wir machen da keinen Unterschied“, führt Ingo Kehl weiter fort. „Wir haben Kinder und ziehen sie groß. Mit all der Liebe, Fürsorge und Aufmerksamkeit, die sie brauchen.“ Den Beiden ist wichtig, dass ein guter Kontakt zur Kernfamilie bleibt. „Wir unterstützen den Kontakt mit der Herkunftsfamilie, auch wenn es sicherlich manchmal unterschiedliche Lebens- und Sichtweisen gibt“, erklären die Beiden. „Zugegeben: das ist nicht immer ganz einfach. Aber es gehört dazu.“
Welche Unterstützung gibt es vom Amt?
Wichtigste Ansprechpersonen für die Pflegeeltern sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Kinder und Jugendhilfe. Auch nach den Vorbereitungsseminaren stehen sie im engen Austausch mit den Pflegefamilien. „Vor und nach unserem Umzug in den Landkreis haben wir durchweg positive Erfahrungen mit dem Jugendamt gemacht. Der Kontakt ist unkompliziert. Das hat es uns auch einfach gemacht, hier anzukommen. Uns hilft es zudem zu wissen, dass wir im Alltag auf fachliche Unterstützung zurückgreifen können.
Unterschied zur Adoption
„Der Unterschied zwischen einer Pflegeelternschaft und Adoptiveltern besteht darin, dass wir während der Pflegezeit eng mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. Hilfen für uns oder für die Kinder können schneller installiert werden als bei Adoptivfamilien“ sagt Christina Kehl. „Je älter ich werden, desto mehr weiß ich zu schätzen, welche Unterstützung wir bekommen.“
Ein Pflegekind ist kein Adoptivkind. Es lebt zwar bei den Pflegeeltern, jedoch bleiben die leiblichen Eltern sorgeberechtigt und unterhaltsverpflichtet. Besteht eine Gefährdung des Kindes oder Jugendlichen, kann das Familiengericht das Sorgerecht der leiblichen Eltern einschränken oder entziehen und es einer Pflegerin oder einem Vormund übertragen. Auch Pflegeeltern können in diese Rolle eingesetzt werden. Normalerweise übernehmen Pflegepersonen stellvertretend die Verantwortung für das Kind, insbesondere die Erziehung, Versorgung und Aufsicht sowie die alltäglichen rechtlichen Angelegenheiten. Während der Pflegezeit hat das Kind praktisch zwei Familien.
Grundsätzlich ist es das Ziel, dass das Kind nach der Pflege auch wieder bei der Herkunftsfamilie leben kann. Sollte sich die Situation dort aber nicht bessern, kann es – sofern gewollt – adoptiert werden. Oder sie sind erwachsen und ziehen aus – wie jedes andere Kind auch.
Was raten Sie Menschen, die gerne ein Pflegekind bei sich aufnehmen möchte?
„Seid mutig, seid abenteuerlustig und macht das Ganze von Herzen. Lebt wirklich Familie. Und schließt euch Gruppen an, die auch Pflegepersonen sind.“
In Kröpelin findet jeden letzten Mittwoch in geraden Monaten ein Pflegeväterstammtisch in statt.