(aufgeschrieben in der Osterzeit 2017 von Liesbeth Schibalski, Schwerin)
Ostern damals - das heißt hier konkret meine Kindheit von 1928 bis 1942 in Masuren/ Ostpreußen. Was in meiner Erinnerung an die Osterzeit damals geblieben ist, habe ich aufgeschrieben.
Die Passionszeit war für uns immer eine stille Zeit, ohne Hektik. Die Feld-und Gartenarbeiten ruhten meistens noch, die Winter waren lang, oft zur Freude für uns Kinder. Weil es keine Winterferien gab, waren die Osterferien länger - eine Woche vor, eine Woche nach Ostern. Danach fing damals ein neues Schuljahr an. Mit dem Palmsonntag begann, wie bekannt, die „Stille Woche“. Dieser Sonntag war ein besonderer Sonntag, denn weit und breit im alten Ostpreußen wurden an dem Tag die Konfirmationen gefeiert. (Das Wort „Einsegnung“ war bei uns geläufiger.) Einen Sonntag davor war die Prüfung in der Kirche vor der Gemeinde, das war der Abschluss des Konfirmandenunterrichtes. Das ging nicht ohne Aufregung ab. Ich bin mitten im Kriege, am 29. März 1942, konfirmiert worden. In meiner Heimat gingen die Mädchen damals „ganz in Weiß“. Die Kleiderfrage war in der Zeit schon etwas schwierig, es gab bereits sogenannte Kleiderkarten. Draußen lag noch letzter Schnee und, wie woanders, gingen die Konfirmanden vom Pfarrhaus in feierlichem Zug in die Kirche. Als einziges Zwillingspaar führten mein Bruder und ich diesen Zug an. Uns schüchternen Landkindern war diese Anordnung nicht sehr angenehm, erinnere ich mich. Es sollte ein schöner Tag werden, er wurde jedoch dadurch getrübt, dass mein Vater, der im Krieg war, keinen Fronturlaub bekam. Bis zuletzt warteten mein Bruder und ich auf ihn.
Der Gründonnerstag war ebenfalls ein besonderer Tag in der Stillen Woche. Jahr für Jahr wurde in der großen Kirche zum Abendmahlsgottesdienst eingeladen. Das war ein Höhepunkt in der österlichen Zeit. In mein Elternhaus kamen Verwandte und Bekannte aus der Umgebung, um dann mit den Eltern - alle in feierlich-festlicher Kleidung- gemeinsam in die Kirche zu gehen. Danach gab es im Elternhaus eine erzählreiche Kaffeerunde, da waren wir Kinder wieder dabei. Der Sonnabend war ein aufregender Tag. Wir durften der Mutter helfen: Eier kochen und färben. Die erkalteten Eier wurden mit Speckschwarte glänzend poliert. Am Abend waren die Eier verschwunden, um am anderen Tag in versteckten Nestern wieder aufzutauchen. (Meine Großtante im Nachbarort färbte die Eier „auf Natur“, wie sie es nannte. Rote Eier kamen aus dem Rotkohltopf, gelbe aus kräftigem Zwiebelsud und grüne aus einer Grasbrühe.)
In Ostpreußen war das „Schmakostern“ als österlicher Brauch bekannt und beliebt. Kinder aus dem Nachbarort oder gar aus der nahen Stadt kamen auf`s Land, um kleine Gaben zu erbitten.
Sie hatten ein Rutenbündel in der Hand und sagten ihr Verschen auf:
„Ostern, Schmakostern,
zwei Eier, ein Stück Speck
und dann bin ich gleich weg!“
Sollte einmal der so Gebetene nichts geben wollen, wurde er mit der Rute sanft verprügelt.
Das Osterfest verlief wie auch das Weihnachtsfest in meinem Elternhaus ruhig und harmonisch. Meine Mutter las morgens eine kurze Andacht, statt - wie sonst - am Abend. Wir Schulkinder genossen noch eine schöne Woche, um danach ein neues Schuljahr zu beginnen.
Es war nie üppig bei uns, aber die Feste wurden dadurch besonders, dass die Eltern alles liebevoll vorbereiteten und alles, was nicht zum Alltag gehörte, auch gebührend geschätzt wurde. Der eine oder andere ältere Mensch wird es ähnlich wie ich erlebt haben.
L. Sch.