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Süderholzer Blatt
Ausgabe 363/2021
Das Thema
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Frauen- und Muttertag - einige Aspekte

Am 8. März begingen wir den internationalen Frauentag, dessen Historie zurückgeht auf den Kampf sozialistischer Organisationen um Gleichberechtigung und Wahlrecht für Frauen vor dem Ersten Weltkrieg. Seit 1921 jährlich gefeiert ist er in einigen Staaten, u.a. Osteuropas, zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden. In Deutschland betrifft das nur den Stadtstaat Berlin.

Beinahe zeitgleich, nämlich 1914, wurde in den USA der Muttertag zu Ehren der Mutter und Mutterschaft eingeführt. Nein, er ist keine Erfindung der Nationalsozialisten, wenngleich diese ihn für ihre Propaganda nutzten und sich manche Mutter durch ein Mutterkreuz besonders geehrt fühlte. Heute wird dieser Ehrentag vor allem in der westlichen Welt gefeiert, in Deutschland am 2. Sonntag im Mai. Soviel zur Geschichte.

Der 8. März ist ein Ehrentag für alle Frauen, ob Mädchen, Mutter, verheiratet oder nicht; er ist eine Reminiszenz ans weibliche Geschlecht.

Aber nicht alle Frauen sind Mütter.

Nicht jede Mutter ist glücklich mit ihrer Mutterschaft.

Und Mutterkreuze werden lange keine mehr verteilt, vielmehr erleben gerade derzeit viele Mütter das Kreuz ihrer Mutterschaft im alltäglichen Stress des Lockdowns; zwischen Homeoffice und Homeschooling sind sie doppelt und dreifach gefordert, sodass mancher behaupten möchte, der Muttertag sei vor allem eine Erfindung der Männer - zur Beruhigung ihres schlechten Gewissens.

Das ließe sich mit Blick auf den Frauentag ebenso sagen. Wer aus älteren Semestern mit DDR-Erfahrung erinnert sich nicht an die alljährlichen Veranstaltungen zu Ehren der werktätigen Frauen, als männliche Vorgesetzte sich symbolisch die Schürze umbanden, um einmal im Jahr Koch und Kellner zu spielen?

In jedem Fall profitierten von beiden Ehrentagen Blumenhändler und Confiserien.

Ich bekomme schon lange keine schüchternen Geschenke mehr. Was meine Kinder mir bastelten, erhielt einen Ehrenplatz auf Zeit in der Schrankwand. Gemaltes, Gebranntes, Geformtes ... Weniges hat die Zeitenwechsel überdauert.

Auf meinem Schreibtisch aber liegt seit Jahren ein hölzerner Untersatz, gebastelt vielleicht im Werkunterricht jener Tage, als die eigenen Kinder noch Schulkinder waren. Sieben Brettchen diverser Färbung, gefeilt und lackiert, aufgeklebt auf ein quadratisches Stück Leder - sie sind noch immer Basis für ein Teelicht oder eine Vase und für Erinnerung an eine Lebensphase, deren eine Mutter mit Wehmut gedenkt. Denn zu den Tugenden der Mutterschaft gehört eine ganz besonders schwierige: loslassen zu können ...

Dass es solcher „Ehrentage“ bedarf, macht eine Gesellschaft auch nach über einem Jahrhundert nicht besser und gerechter, sondern liefert ein Alibi für die Emanzipation, die noch immer nicht alltagstauglich existiert. Fraglich, ob sie es je wird können.

Bizarr mutet derzeit das Bemühen deutscher Sprachhüter um gendergerechte Sprache an, eine Art Emanzipationsversuch auf sprachlicher Ebene, wozu ein Radiosender vor kurzem folgenden Kommentar abgab:

„Viel wichtiger […] als der Dauerstreit ums Gendersternchen ist die konkrete Behebung des Missstands, der im neuen Duden mit dem Anglizismus ,Gender-Pay-Gap’ benannt ist. Dieser geschlechtsspezifische Lohnunterschied ist der eigentliche Skandal. Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern sowie Menschen diverser Geschlechtszugehörigkeit für ein und dieselbe Arbeit, sie gilt es, ganz schnell Vergangenheit werden zu lassen. Alles andere ist sprachpolitischer Firlefanz.“

B. Hohmann