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Süderholzer Blatt
Ausgabe 365/2021
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Das unruhige Leben eines Hockers

Wenn Sie mich auf dem Bild ansehen, werden Sie sicher sagen: Was hat der denn noch zu melden? Recht haben Sie! Ich stehe hier nicht mal mehr zur Zierde, geschweige denn zum Gebrauch! Aber glauben Sie mir - ich hatte auch bessere Zeiten. Die sind jedoch lange vorüber, mein Ende nicht mehr so fern.

Oft denke ich zurück, wie man das eben im Alter so macht. Euch Menschen geht es doch auch so. Geboren, hoppla, nein, natürlich entstanden bin ich zu Zeiten, die nicht so bunt waren wie die heutigen. Damals war eher ein hässliches Braun vorherrschend. Von meiner Sorte gab es unendlich viele, denn man brauchte Hocker wie mich, einfach und stabil. Wir sahen alle gleich aus. Die Jahre, in denen ich viel Schreckliches mit ansehen musste, haben ich und viele meiner Zeitgenossen gut überstanden. Und wir wurden dringender denn je gebraucht. Zu meinem Kummer erlebte ich, dass etliche dieser Zeitgenossen jedoch auch in den Ofen wanderten. Kohlen waren knapp. Ich hatte großes Glück, mir erging es besser. Man brachte mich doch tatsächlich in ein kleines Krankenhaus ganz nahe bei Grimmen. Ob ich in einem großen Krankensaal oder neben dem Bett einer Mutter stand, die gerade ihr Kind bekommen hat, oder ob ich in einem Bad als Kleiderablage diente, das weiß ich heute nicht mehr so genau. Auf jeden Fall hatte ich eine gute Zeit, ich war nützlich und ich erinnere mich gern daran. Jedoch irgendwann kamen neue Möbel, mich schob man harsch zur Seite. In einer dunklen Besenkammer fand ich mich wieder. Aber nicht lange, da lud mich jemand, es war ein sehr freundlicher Mann, auf einen Wagen und ehe ich mich versah, stand ich unter einem blühenden Forsythiastrauch in seinem Garten. Das war was, ich wurde wieder gebraucht. Und wie! Mal diente ich zum Ausruhen, dann legte man eine Jacke oder eine Gartenschere auf mich. Kinder tobten um mich herum und nutzten mich als Sprunggerät! Da wurde ich nochmal jung! Irgendwann bekam ich dann sogar eine neue Farbe, blau, das machte was her!

Ja, und nun? Die Jahre vergingen, jetzt gehöre ich zum alten Holz. Aber ganz aufgegeben habe ich noch nicht - es ist so schön hier unter der Hecke …

Christina Markwardt

Fotos: Michael Markwardt