Oh, so ein Gewimmel: die Mutterkühe liegen kauend im Gras und die kleinen Kälbchen springen munter herum. Man kann wirklich einige Zeit dort stehen und zusehen. Die Verwandtschaft aus der Stadt kommt zum „Kälber gucken“. Viele Radfahrer halten an am Bisdorfer Weg und beobachten das lustige Treiben. Fotos werden gemacht. Eine ländliche Idylle, wie im Bilderbuch, denkt man. Geht man an den Zaun, kommt die ganze neugierige Bande angelaufen. Es könnte ja was Besonderes passieren …
Als die Kälbchen zur Welt kamen, war es noch kalt. Aber im Stall war es ja warm und zu Trinken gab es mehr als genug. Wenn bei der eigenen Mutter nichts mehr zu holen war, ging es einfach zur Tante mit dem größten Euter. Ja, die Kleinen sind schlau. Deshalb musste gut aufgepasst werden, dass auch für die Allerkleinsten noch genug Milch übrig blieb. Die Kälber wuchsen schnell mit der guten Muttermilch und lernten, Heu zu fressen. Sie lernten auch schon im Stall, was ein Elektrozaun ist. Stopp, sonst wird es gefährlich.
Im Mai kam dann endlich der Tag, an dem es auf die Koppel gehen sollte. Die Mutterkühe kennen sich ja aus. Wenn irgendwann ein Klopfen vom Koppelbauen zu hören ist, geht es bald los. Dann wächst die Aufregung, das Muhen wird lauter: „Wann geht es nur endlich raus!?“ Raus aus dem ollen Stall und ab ins Grüne. Das ist dann für Mensch und Tier immer ein Kraftakt, bis jeder dort ist, wo er hin soll. Aber dann kehrt für die Kühe nach den ersten Fressen erstmal Ruhe ein. Die Kälbchen allerdings genießen die unbekannte Freiheit. Sie rennen und springen herum, dass es eine Freude ist. Sie beschnuppern Gras und Blätter und müssen erstmal den Zaun erkunden. Bloß nicht drankommen. Aber dann: Friede, Freude, Eierkuchen.
Große Aufregung für die Kleinen gab es aber, als nach ein paar Tagen die erste Koppel abgefressen war. Es wurde eine weitere Koppel hinterm Stall gebaut und zu der anderen Koppel dazugegeben. Die Kühe kannten ja den Weg dorthin, die Stelle an der der Zaun geöffnet wurde, und stürmten gleich los. Die meisten Kleinen waren aber faul, blieben liegen und dösten vor sich hin. Bis sie plötzlich irgendwann merkten, dass sie ganz allein waren. Da ging aber ein Geschrei los. Die Kälber konnten zwar die Kühe auf der hinteren Koppel sehen, kamen aber nicht dorthin. Sie liefen aufgeregt am Zaun entlang und blökten, was das Zeug hielt: „Mama, Mama ….“ Man konnte es regelrecht heraushören. Dann fingen wiederum die Mütter an zu Muhen: „Kommt doch hier her …“. Und die Kälber wieder: „Wie denn? Kommt ihr doch her und holt uns ab“. Es war nicht zum Aushalten, dieser Lärm. Erst gegen Abend kehrte langsam Ruhe ein. Zum Glück blieb der Zaun heil. Und dann war die Welt wieder in Ordnung auf der vorpommerschen Koppel …
K. Notzke
Fotos: K. Notzke