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Süderholzer Blatt
Ausgabe 366/2021
Dorfleben
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Wohin mit alten Büchern? II

Erfreulich, wenn gelesen wird... sogar Gedichte, die man in der Schule gar nicht mochte, weil man sie auswendig vor seinen Mitschülern aufsagen und auch noch interpretieren musste: Was will der Dichter uns damit sagen...?

Erfreulich, wenn also sogar Gedichte gelesen werden! - Und wenn sie dann noch verstanden werden und ein Echo finden wie im letzten SB im Beitrag von Maike Lass, kann sich der Autor derselben im Stillen nur freuen. Mit seinen Worten etwas bewirken zu können, davon erhält ein Schreibender nicht so oft Kenntnis!

Leider erfährt er eher „die andere Seite des Blattes“: wer einen Haushalt mit reichlich vorhandenen Bücher auflösen muss, der begreift, dass so ein Kultur- und Bildungsgut auch zur Last werden kann, vor der man kapituliert.

Natürlich, die „Sehnsuchtsexemplare“ aus der Kindheit, Bände, aus denen die Großeltern in Kindertagen vorgelesen hatten, die waren schon längst in die eigenen Regale gerettet worden: das dicke, schwere Wilhelm Busch-Album, die bunten Sammelalben mit den „Schokoladenbildern“ darin: Reise um die Welt usw....

Aber wohin mit Goethe und Co, wenn sie Vorhandenes nur noch vermehrten?

Eine Kiste für die Kirchengemeinde und für die Touristen, die das Gotteshaus besuchen.

Eine Kiste für den Bücherbaum auf dem Marktplatz.

Eine Kiste für den Heimatverein des Städtchens.

...aber für die eigene Heimatgemeinde?- Wohin mit den übrigen Büchern?

Das Haus der ungezählten Bücher im Waldschlösschen Jeeser fiel mir noch ein...

Doch da geschah das Wunder: als eines Tages Jeannine Riske aus Zarnewanz sich meldete und viele Bücher für ihre „Kramkiste“ mitzunehmen versprach. „Nicht in die Tonne werfen!“, bat sie.

Leider war das in einigen Fällen schon passiert, denn nicht alles Gedruckte ist auch erhaltenswert: Fachbücher, deren Wissen überholt ist, uralte zerfledderte, vergilbte Zeitschriften ohne aktuellen Unterhaltungswert...

Dennoch sie wegzuwerfen schien mir ein Sakrileg.

Schon einmal wurden in Deutschland Bücher verbrannt, und der Dichter H. Heine hatte gewarnt: „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ -

Die Geschichte hat das grausam bestätigt.

Und was geschieht, wenn Literatur anderweitig „entsorgt“ wird?

Was drückt sich darin aus, wenn noch gut erhaltene Bände brauchbaren Inhalts (Belletristik z.B.) weggeworfen werden? Schon der Begriff „ent-sorgen“ ist falsch und eine Lüge, denn wir sollten in Sorge sein, wenn geistiges Gut nicht mehr wertgeschätzt wird, wenn nicht einmal Antiquariate so alte Bücher mehr entgegen nehmen!

Wo nicht mehr gelesen wird, stirbt soziale Kompetenz, die Empathie, das Einfühlungs- und Vorstellungsvermögen, das wir so dringend brauchen für die Gestaltung einer besseren Zukunft und Welt. Mag das plakativ oder geschwollen klingen, so sei hier eine Schriftstellerin zitiert.

Judith Hermann antwortete auf die Frage, wer oder was ihr in der Krise geholfen hat:

Lesen. Ohne Lesen käme ich nicht durchs Leben. Wenn ich ein Buch ausgelesen habe, fange ich sofort das nächste an. Ohne ein Buch zu sein, hat etwas von freiem Fall. Unterhalb meiner Welt ist ein Netz aus den Welten der Bücher, das mich trägt und hält.“

Ich stelle mir den Spielplatz, der im Dreiangel von Kreutzmannshagen entstehen soll, mit einem Bücherturm vor. Schreibende wie VERENA oder Paule U. haben sicher einen Blick darauf.

Bärbel Hohmann